Herbst 1969 - Probleme der modernen Schallplattenwiedergabe
Artikel 3 (von 4) - herausgegeben von EMT
Hier kommen Sie zurück zur Einführung dieser 4 Artikel und hier zu dem vorangegangenen Artikel Nr. 2.
Artikel 3 - Der Tonarm
Diese Ausführungen wurden vom Tonstudio-Profi EMT in Lahr in 1969 veröffentlicht.
Die Eigenschaften eines Tonarmes (natürlich in Verbindung mit dem eingebauten Tonabnehmer- system) tragen sehr viel zu den Abtasteigenschaften bei.
Man ist wegen der dynamischen Balance bestrebt, den Massenschwerpunkt möglichst in den Schnittpunkt der Bewegungsachsen für die Horizontal- und Vertikal-Lager zu legen und zusätzlich für eine gute dynamische Abtastung die Massenträgheit und damit das Eigengewicht des Tonabnehmersystems möglichst klein zu halten, da bei heutigen Tonarmen mit einer Länge ab etwa 20cm das Systemgewicht in erster Linie in die wirksame effektive Tonarmmasse eingeht.
Diese eben beschriebene Masse des Tonarmes M und die Compliance des Abtastsystems C bestimmen nach der Beziehung
die untere Eigenresonanz. Diese wird auch „Schüttelresonanz" genannt. Bei Anregung des Tonarmes mit dieser Frequenz kann ungünstigenfalls der Tonarm aus der Rille springen (zum Beispiel akustische Rückkopplung).
Unterhalb dieser Resonanz folgt der gesamte Tonarm den Rillenauslenkungen, das System nimmt also keine Spannungen mehr auf. Die Rumpelstörungen eines Laufwerkes bilden sich zu einem grossen Teil über diese Resonanzfrequenz oder deren Harmonische aus und tragen in Verbindung mit dem Nutzpegel zu hörbaren Intermodulationen bei, obwohl die Eigenresonanz im allgemeinen unterhalb 20Hz liegt. Die Resonanzerhöhung kann durch geeignete Ausbildung und Ankopplung des Tonarmgegengewichtes gedämpft werden.
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In der Praxis zeigten Messungen, dass bei ein und demselben Laufwerk und Tonarm, aber mit verschiedenen Abtastsystemen, auch unterschiedliche Rumpelstörungen entstehen wegen der erwähnten Beziehung zwischen Tonarmmasse und der unterschiedlichen Abtaster-Compliance-Werte.
Von der Geometrie eines Tonarmes sind der Überhang, die Länge und Abwinkelung desselben für den Tangentenfehlwinkel entscheidend. Eine exakte Berechnung führt zu dem Ergebnis, dass längs vom Abspielradius zweimal der Fehlwinkel den Wert 0 erreicht. Die maximalen Fehler betragen heute etwa ±2° [19].
Der vertikale Spurwinkel ist von der Konstruktion des Abtastsystems und dem Einbau dieses in den Tonarm abhängig. Lagerreibungen des Tonarmes für die Vertikal- und Horizontalbewegung von < 1/10 der Auflagekraft ergeben keine zusätzlichen Abtastverzerrungen.
Und somit kommen wir zu Artikel 4 - der Messtechnik :
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Die Messtechnik (Teil 1 von Artikel 4)
Der letzte Teil der Arbeit geht im wesentlichen auf die Fragen der Messtechnik ein. Dabei werden die Mess-Schallplatten mit ausführlichen Anwendungshinweisen und auch Spezial-Mess-Schallplatten besprochen. Der Vergleich mit ausländischen Normen zeigt noch vorhandene Differenzen auf. Nach Angaben über Pflege und Wartung von Abspielgerät und Platte folgt ein umfangreiches Literaturverzeichnis.
Die Skating-Kraft
Die Skating-Kraft beziehungsweise die Auswirkung dieser viel beschriebenen Erscheinung am Tonarm wird teilweise überbewertet [20], [21].
Die Skating-Kraft entsteht durch die Reibung zwischen Nadel und Platte und dem abgewinkelten Tonarm. Sie ist von der Auflagekraft, dem Reibungskoeffizienten und wegen der Tonarm-Geometrie (Tangentenfehlwinkel) auch im geringen Maße vom Abspielradius abhängig. Messungen zeigten, dass die Skating-Kraft kleiner als "Vio" der Auflagekraft ist.
In Bild 10 ist die Skating-Kraft an einem Tonarm skizziert. Es ist dort ersichtlich, dass die im Tonarm in Längsachse des Abtasters wirkende Kraft A = p X u zum grössten Teil durch die Kraft L durch das Lager D aufgenommen wird. Die Skating-Kraft S = AX sin a schliesst das Kräftedreieck. Sie drückt den Abtaster einseitig auf die innere linke Flanke der Rille und bewirkt damit leicht unterschiedliche Auflagekräfte zwischen linker und rechter Rillenflanke.
Die Querkraft N, eine Auswirkung der Skating-Kraft, drückt den Anker des Abtasters etwas aus seiner symmetrischen Lage. Diese beiden Auswirkungen der Skating-Kraft treten nur dann störend in Erscheinung, wenn . . .
- a) die Lagerreibung des Tonarmes hinreichend klein ist,
- b) die Torsionsmomente der zugeführten Tonarmleitungen vernachlässigbar sind,
- c) die Tonabnehmersysteme an der unteren Grenze ihres Auflagekraftbereiches betrieben werden.
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Da sich die schon unterschiedlichen Reibungs- koeffizienten in Abhängigkeit von der Plattenmasse natürlich auch wegen der Behandlung mit Antistatikmitteln oder durch das Nassabspielen verändern, ergibt sich nur in den seltensten Fällen eine exakte Kompensation mit den in der Praxis teilweise vorhandenen Antiskating-Vorrichtungen.
Rechts im Bild eine der allerersten Antiskating Einrichtungen am DUAL 1019 um 1965.
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Das Tonabnehmersystem und die Resonanzfrequenz
Wie schon erwähnt, soll die obere Grenze des linearen Übertragungsbereiches eines Abtasters möglichst deutlich über dem Hörbereich liegen. Neben der zuvor beschriebenen unteren Eigenresonanz hat ein Abtaster nun auch eine obere Resonanzstelle [22].
Diese ist abhängig von der effektiven auf die Nadelspitze bezogenen schwingenden Masse des Nadelträgers meff und der Compliance des Plattenmaterials Cpl.
Diese Resonanzfrequenz liegt heute (wir sind in 1969 !) bei guten Abtastern mit einer effektiven Masse von etwa 1mg über 20kHz. (Anmerkung : Das änderte sich mit der Einführung der analogen Quadrophonie nach dem CD4 Verfahren mit einer 30kHz Trägerfrequenz ab etwa 1971.)
Bei magnetischen Tonabnehmern kann sich noch eine tieferliegende Resonanzstelle ergeben, nämlich die elektrische Resonanz zwischen Spuleninduktivität und Kabelkapazität der Anschlussleitung. Sie liegt meist zwischen 10 und 20 kHz. Unerwünschte Teilschwingungen der Wandler im Bereich von 4 bis 10 kHz haben ihre Ursache meist in der mechanischen Ausbildung der Anker oder der mangelnden Dämpfung.
Die Wahl der konstruktiven Massnahmen zur Erzielung von Rückstellkraft und Dämpfung kann, sofern sie nicht getrennt sind, problematisch werden.
Die zur Unterdrückung der mechanischen Resonanzen bei hohen Frequenzen erforderliche Dämpfung wirkt meist auch bis in mittlere Frequenzbereiche hinein. Die bisher bekannten Dämpfungsmaterialien haben selbst einen Temperaturgang, der sich dann auf den Frequenzgang auswirkt.
Wie schon genannt, ist die Abtastfähigkeit eines Tonabnehmers unter anderem bei tiefen Frequenzen von der Compliance des Systems abhängig und bei hohen Frequenzen von der effektiv schwingenden Masse.
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