Die Hifi-Komponenten von 1982
Das ist die Fortführung einer Reihe von Artikeln, die hier angefangen haben. Und hier geht es zurück zum vorangegangenen Kapitel 4.2 - "Der Plattenspieler".
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Der Tonarm
Dieser ist für den Abtastvorgang von entscheidender Bedeutung. Er soll das Tonabnehmersystem tragen und - ohne den Abtastvorgang zu beeinflussen - über die Schallplatte führen (Abb. 4.2-14). Zur Qualitätsbeurteilung sind Bestimmungsgrößen maßgebend, die durch die Tonarmgeometrie ermittelt werden:
Der tangentiale Fehlwinkel und der Skatingeffekt. Weitere Merkmale sind die Verwindungssteifigkeit, die effektive Masse, die mechanische Resonanz und die sich aus der Lagerreibung ergebende Bewegungshemmung.
Die Tonarmgeometrie
Die Abtastnadel eines Tonabnehmers kann die Plattenrille nur dann einwandfrei abtasten, wenn sie durch die Rillenflanken gezwungen wird, die gleichen Bewegungen auszuführen, wie im Aufnahmestudio der Schneidstichel beim Schneiden der Lackfolie.
Diese Forderung ist dann erfüllt, wenn die Längsachse des Tonabnehmers bei jedem Rillendurchmesser parallel zur Rillentangente geführt wird. Um diese Forderung zu erfüllen, müßte man den Tonarm unendlich lang ausbilden. Da dies praktisch nicht möglich ist, ordnet man die Längsachse des Tonabnehmers zur Längsachse des Tonarms in einem zur Plattenmitte hin geneigten Winkel, den sogenannten Kröpfungswinkel ß, an. Hierbei muß die Tonarmlänge L um den Überhang Ü größer sein als der Abstand A zwischen Plattenmitte Mp und dem Tonarmlager Lj (Abb. 4.2-15).
Der tangentiale Spurfehlwinkel
Bei richtiger Dimensionierung von L, A und ß erreicht man, daß der tangentiale Spurfehlwinkel über den gesamten Abtastbereich der Schallplatte hinweg um den Wert Null pendelt und kleiner als 2° bleibt (Abb. 4.2-16). Der Kurvenverlauf zeigt, wie bei einem Drehtonarm der tangentiale Fehlwinkel y und der relative Klirrfaktor krei vom Rillenradius abhängen. Der Fehlwinkel kann auf der Ordinate und der Klirrfaktor an dem rechts bezifferten Strahlenbündel abgelesen werden. Man kann hieraus ersehen, wie genau der Tonabnehmer in den Kopf des Tonarms eingebaut werden muß. Schon geringe Abweichungen vom geforderten Nadelpunkt (Tonarmlänge bzw. Überhang) oder Verwinkelungen von wenigen Grad gegenüber der Tonkopf-Längsachse führen zu höheren Abtastverzerrungen.
Der Skatingeffekt
Weil beim Drehtonarm der Tonkopf gegenüber dem Arm um den Kröpfungswinkel geneigt ist, entsteht am Arm eine Kraftkomponente, die ihn in Richtung zur Platten mitte hin abdrängt. Diese als Skating (engl, schlittern) bezeichnete Kraft ist außerdem abhängig von der Auflagekraft und den damit zusammenhängenden Reibungsverhältnissen zwischen der Nadel und der Rille (Abb. 4.2-17).
Die Skatingkraft bewirkt, daß der Nadeldruck auf die innere Rillenflanke erhöht und auf die äußere Flanke entsprechend verringert wird. Als Folge kann bei hohen Aussteuerungen der Rillenkontakt der Nadel an der Außenflanke verloren gehen und damit Verzerrungen im rechten Stereokanal bewirken. Durch unterschiedliche Maßnahmen am Tonarmlager wird ein Gegenmoment erzeugt, das als „Antiskating" die Skatingkraft kompensiert.
Die mechanische Eigenschaften bezüglich Trittschall
Gegen Trittschall und andere von außen einwirkende Erschütterungen soll der Tonarm möglichst unempfindlich sein. Dieser Forderung kommt er am nächsten, wenn sein Schwerpunkt im Schnittpunkt der horizontalen und vertikalen Achse liegt. Das Einstellen des Gleichgewichtszustandes (Balance) erfolgt mit einem hinter dem Lager angeordneten verschiebbaren Gegengewicht (Abb. 4.2-18). Die Auflagekraft wird überwiegend mit einer um die horizontale Lagerachse angeordneten Spiralfeder eingestellt. Die meist kardanisch ausgebildete Lagerung der Horizontal- und Vertikalachse muß spielfrei sein und extrem wenig Reibung aufweisen. Die Reibung darf sich zudem innerhalb der Tonarm-Schwenkbereiche nicht verändern.
Die Welligkeit von Schallplatten
Schallplatten sind häufig nicht vollkommen eben, d.h. sie weisen eine gewisse Welligkeit auf, die beim Abspielen zu Auf- und Abwärtsbewegungen des Tonarms führt. Da das horizontale Lager meist über der Schallplattenebene angeordnet ist, führt die Nadel außer der Vertikalbewegung infolge des Höhenschlags der Platte zusätzlich eine Bewegung (x) in Längsrichtung der Schallrille aus (Abb. 4.2-19). Als Folge treten Tonhöhenschwankungen im Rhythmus des Höhenschlags auf. Besonders ungünstige Verhältnisse ergeben sich bei kurzen Tonarmkonstruktionen mit relativ hoher Lagerung, wie sie bei tangential geführten Tonarmen vorliegen können.
Der vertikale Abtastwinkel
Mit der Auf- und Abbewegung des Tonarms ändert sich auch der vertikale Abtastwinkel des Tonabnehmers (siehe Abb. 4.2-36). Er pendelt dabei um seinen Normwert von 20°, wobei entsprechende nichtlineare, geometrisch bedingte Spurverzerrungen verursacht werden.
Die Masse des Tonarms
Die effektive Masse des Tonarms (die auf den Tonkopf bezogene träge Masse des Arms) bildet mit der Federung (Compliance = Nadelnachgiebigkeit) des Nadelträgers ein schwingungsfähiges Gebilde von sehr niedriger Resonanzfrequenz (Abb. 4.2-20).
Die Resonanzfrequenz von Arm und Abtaster
Im Resonanzfall entstehen dann im Tonabnehmer verhältnismäßig hohe Spannungen, die Übersteuerungen verursachen können. Die Resonanzfrequenz sollte möglichst im Bereich von 10 ... 15 Hz liegen. Dann hat man nach unten einen genügend großen Abstand von den aus Plattenverwerfungen kommenden, senkrecht auf die Nadel wirkenden Impulsen (Record Warps) und nach oben bis zum Beginn der Schallplattenmodulation von etwa 20 Hz.
- Anmerkung : Fast alle 33er Platten wurden und werden nur von 40 bis 18.000 Hz geschnitten.
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Knowhow mit schwingungsdämpfenden Werkstoffen
Um diese Schwingungen zu dämpfen, wird das Gegengewicht als „Antiresonator" federnd mit dem Tonarm verbunden (Abb. 4.2-18). Außer der Tonarm-Nadelträgerresonanz im untersten Frequenzbereich können auch Tonarmresonanzen auftreten, die durch Torsions- oder Biegeschwingungen entstehen.
Verwindungsfeste Rohrkonstruktionen mit schwingungsdämpfenden Werkstoffen verhindern das Auftreten weiterer störender Resonanzen. Oft wird in diesem Zusammenhang die Frage aufgeworfen, ob ein gerader Tonarm oder ein S-förmig gebogener Arm abtasttechnisch besser sei. Bei gleicher effektiver Länge, gleichen geometrischen Verhältnissen und gleicher mechanischer Festigkeit wird die effektive Masse des gebogenen Armes etwas größer sein, als die des geraden Armes. Das gebogene Tonarmrohr wird jedoch wegen seiner gefälligen Form häufig vorgezogen.
Der Tangentialtonarm
Im Gegensatz zum Drehtonarm, der den Tonabnehmer in einem Kreisbogen drehend über die Schallplatte bewegt, führt der Tangentialtonarm den Tonabnehmer radial auf die Plattenmitte zu. Wie die Prinzipskizze Abb. 4.2-21 erkennen läßt, tastet er damit die Rille unter den gleichen Bedingungen ab, wie sie der Schneidstichel bei der Aufnahme geschnitten hat. Er bildet somit keinen tangentialen Fehlwinkel und verhindert die als Skating bezeichnete Kraftkomponente.
Elektrisch über eine Gewindespindel (System AIWA)
Die Abb. 4.2-40 zeigt den Tangentialtonarm der japanischen Firma AIWA auf dem Plattenspieler LP-3000. Der Tonarm ist auf einer waagerecht hinter dem Plattenteller angeordneten Führung gelagert und wird von einer Gewindespindel über die Schallplatte geleitet. Die Steuerung der Bewegung erfolgt elektronisch durch eine im Tonkopf angeordnete "Kenneinheit", die aus einer Infrarot-Leuchtdiode und einem Fototransistor besteht (Abb. 4.2-22).
Sie stellt fest, ob sich eine Schallplatte auf dem Plattenteller befindet, erkennt die Zäsuren (Abschnitte) zwischen den einzelnen Musikstücken und ermittelt den jeweiligen Aufsetzpunkt der Nadel auf die Platte.
Die Nachsteuerung des Tonarms entsprechend der Rillensteigung erfolgt durch ein fotoelektrisches System am Tonarmlager, das schon bei einer seitlichen Tonarmauslenkung von nur 1/4° den Tonarm nachführt. Der vom Tonarm und dem Plattenradius gebildete Winkel von 90° wird praktisch eingehalten, sodaß der tangentiale Fehlwinkel unbedeutend klein bleibt.
Anders geht es bei Bang & Olufsen
Beim Tangentialtonarm der dänischen Firma Bang & Olufsen (Abb. 4.2-23) erfolgt die Bewegungssteuerung durch einen vor dem Tonarm angeordneten Führungsarm, in dessen Kopf die Kennelektronik, bestehend aus einer LED und einem Fototransistor, untergebracht ist. Die Nachsteuerung des Tonarms entsprechend der Rillensteigung erfolgt ebenfalls durch eine am Tonarmlager angeordnete Optoelektronik.