Hier ein paar mehr Informationen über die Schwingspule
Eigentlicht ist es physikalisch ganz simpel. Sie haben es vielleicht in der zweiten Physikstunde schon zu sehen bekommen. Der Physiklehrer hat einen Hufeisenmagneten auf dem Tresen stehen und und wie bei einer Kinderschaukel hängt dort ein Stück Kupferdraht mitten zwischen den beiden rot und grün angemalten Polen.
- Schickt der Lehrer jetzt einen Strom durch den Draht, erst mal egal, wieviel Strom, wandert der Draht, wie von magischer Hand gedrückt, in die eine oder in die andere Richtung, abhängig von der Stromrichting.
- Bewegt der Lehrer aber den Draht, zeigt das Strommessinstrument kleine Auschläge an. In dem Draht wird eine Spannung erzeugt und somit fließt ein "Strömchen".
Damit ist es ja ganz einfach, wie solch ein Lautsprecher theoretisch funktioniert. Ein bißchen Strom und er bewegt sich.
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Doch wir wollen laut hören, manchmal sogar sehr laut . . .
Also mit "ein bißchen Strom" ist es nicht getan. Unser Wandler von Strom in Schall braucht Kraft, um die Luft mit Hilfe einer sogenannten Membrane zu bewegen. Im Bassbereich brauchen wir sogar sehr viel Kraft, weil wir dort Einiges an Luft bewegen müssen. Und nun fangen die Feinheiten an, die es zu lösen gilt.
Im Edel-Hifi-Bereich benennen wir für den Bass mal einen Membrandurchmesser von ca. 35cm als normal. Damit kann man schon ein kleineres Orchester akustisch einigermaßen nachbilden. Alles Andere oder Kleinere ist nur für sehr kleine Räume geeignet.
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Es begann schon vor 1935 . . .
Lange Zeit (vor 1935) wurde geforscht und probiert, wie man die beiden komponenten "Draht" und "Magnet" so zueinander anordnen könnte, daß ein optimaler Kraftfluß aus dem zugeführten Strom heraus kommt. Heraus kam, daß man einen feinen ringförmigen "Luftspalt" konstruiert, in dem der "Magnet" seine magnetische Kraft konzentriert. Weiterhin wickelt man den "Draht" auf einen runden unmagnetischen Spulenträger, der frei beweglich in den Luftspalt eintaucht und diesen fast völlig ausfüllt.
So weit die Theorie. Da nahezu alle Windungen dieser "Schwingspule" jetzt optimal im konzentrierten Kraftfeld des Magenten liegen, müssten kleinste Ströme diese Spule ganz schön schnell bewegen können. Doch an der Spule muß ja auch noch die eigentliche Membrane befestigt werden, die letztendlich die Luft bewegt. Und damit wird die Bewegung der Schwingspule mit der Membrane durch das jetzt erheblich größere Eigengewicht und die Luft (-säule) ganz gewaltig gebremst.
Und die Membrane soll sich lautlos bewegen.
Daß ich in einem kleinen engen Luftspalt eine Spule bewegen kann oder in einer Spule einen Magneten oder Eisenkern, das zeigt der Bremsbackenmagnet der Rexox A77 und vieler anderer 3-Motoren- Bandgeräte. Es funktioniert, macht aber ein "klein wenig" Krach.
Beim Lautsprecher möchte und muß ich aber die Membrane samt Schwingspule lautlos im Luftspalt bewegen, absolut lautlos. Denn es sollen ja nur die Geräusche oder Töne oder Frequenzen in Schall umgewandelt werden, die als Ströme vom Verstärker kommen.
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Also so einfach ist es doch nicht. Ich muß die Membrane und die Schwingspule flexibel in der Mitte des Luftspaltes irgendwie festhalten = fixieren = zentrieren. Sie darf sich nur in einer Dimension, also hin und zurück oder raus und rein bewegen (dürfen) und auch nur, wenn der Verstärker es will, sonst nicht.
Diese kleine Einschränkung verursacht große Probleme. Denn jetzt brauche ich eine flexible Zentriermethode. Das sind nämlich unsere Zentriersicken. Für einen Basslautsprecher sind es allermeist zwei Sicken, die innere und die äußere.
Und es muß präzise funktionieren.
Eine Bedingung der Optimierung war, die gesamte Schwing- spule muß raumfüllend in den Magnetspalt eintauchen bzw. der Magnetspalt muß so eng sein, daß es gerade so passt. Die Schwingspule darf auf keinen Fall irgendwo reiben oder schleifen. Die große Membrane gibt nämlich kleinste Kratzgeräusche gnadenlos laut verstärkt wieder.
Die zweite Bedingung ist, die beispielsweise 100 Watt aus dem Verstärker werden zum großen Teil in Wärme umgewandelt und damit wird die Schwingspule warm bis heiß. Ist sie zu eng eingebaut und dehnt sie sich zwangsläufig aus, schabt und kratzt sie irgendwann und dann würde sie am Ende klemmen.
Weiterhin brauche ich auch noch die Luft im Spalt, damit die Wärme über das Medium Luft abgeführt würde. Die Pappe der Membrane kann das nicht. Alle Versuche mit einem halbwegs flüssigen Kühl-Medium erwiesen sich als publizistische Ente und physikalischer Flop.
Damit muß ich den Spalt leider wieder etwas breiter machen, als es optimal wäre, sonst brennt die zu dicht eingebaute Schwingspule irgendwann ab. (siehe Bild).
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Welches Material benutze ich also als optimalen Spulenkörper oder Spulenträger ? Das Material muß vor allem leicht sein. Jedes 10tel Gramm zählt. Es muß die Wärme gut leiten und abführen, darf sich aber nicht verformen und auch die Windungen des Drahtes nicht kurzschließen und muß dennoch gut mit der eigentlichen Membrane verklebbar sein.
Ursprünlich war es spezielle feste Pappe, dann war es Alu-Folie, dann war es eine Polyesterfolie und sogar mal ein Kunsstoffgewebe und auch schon mal eine hauchdünne Edelstahlfolie. Die Hersteller haben sehr viel probiert. So gut wie alle Eisen-Metalle schieden aus, Kupfer war zu schwer, und Magnesium brennt !!!, Titan hatte wieder andere Macken usw.
Theorie und Praxis kollidieren also miteinander
An den Bildern der verschiedenen Lautsprecherchassis sehen Sie ganz leicht, wie die Ingenieure ihre Chassis jeweils den Anfordeungen entsprechend optimiert hatten. Was wir dabei nie vergessen dürfen, erstens muß das "Gebilde" oder das "Konstrukt" auch seriennmäßig hergestellt werden können, damit massentauglich sein und . . . es muß bezahlbar sein.
Darum konzentriere ich mich hier mehr auf den Vergleich von Standard und Extrem. Der Standard war das normale Consumer-Chassis in den niedrig- und mittelpreisigen Hifi Boxen. Ein Klasse höher waren die Bühnenlautsprecher und die sogenannten PA Chassis. Edel wurde es dann bei den Orchesterlautsprechern der ganz wenigen Spezialisten.
Dazu zähle ich vor allem JBL, Lansing, Electrovoice, Klipsch aus den USA. Auch hier in Europa wurden einige wenige edle Chassis angeboten, zu denen ich aber heute keinen Zugang habe, geschweige denn, die auch mal zu zerlegen. Vor vielen vielen Jahren (1974) baute Isophon in Berlin ein großes 380mm Bass Chassis, das qualitativ schon recht weit oben angesiedelt war.
Heute kommen viele dicke große Basschassis erstaunlicherweise aus Italien und aus Spanien.
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Die Belastung der Schwingspule
Bei "normalen" Hifi-Boxen fällt es gar nicht auf, wenn man sie mit "normaler" Musik füttert. Bei Konzertlautsprechern wird es schon kritisch, wenn da richtig Leistung rein fließt. Mit einem guten 2 x 250 Watt Verstärker lassen sich auch länger andauernde ordentliche Lautstärken erzeugen. Und diese Leistung muss die Schwingspule verkraften. Ein überwiegender Teil wird nämlich in Wärme umgesetzt.
Basslautsprecher sind in der Regel härter im Nehmen. Bei den Hochtönern sind die kleinen Spulen schon mit wenigen Watt überlastet. Mit lautem UKW Rauschen kann man seine Hoch- töner ganz schnell ins Jenseits befördern. Doch auch handels- übliche Boxen vertragen nur einige 10 Watt Dauerleistung. Die beiden Braun L710 Bass-Chassis sind ganz realistisch mit je 20 Watt Sinus-Dauerleistung angegeben (jedenfalls ganz am Anfang von BRAUN so spezifiziert - später wurde das urplötzlich mehr). Nun ja, niemand mochte das bislang ausprobieren.
Wie gestaltet man also dieses kritische Teil ?
Die Wärme muß also weg. Am besten über den Spulenkörper. Wickle ich runden Draht auf den Spulenkörper, sind zwischen den Windungen immer Lufteinschlüsse, die die Wärme nicht abführen. Der Kupferdraht wird sehr schnell heiß und die Spule dehnt sich und schleift irgendwann oder brennt sogar sofort durch.
Damit wäre Flachdraht (quadratisch oder rechteckig) deutlich besser geeignet. Es gibt wenig Lufteinschlüsse, der Draht liegt erst mal selbst dicht an dicht und ebenso dicht am Spulenkürper an und die Wärme kann optimal weg. Flachdraht ist natürlich deutlich teurer und deshalb machen das nur die Voll-Profis für edle oder hochbelastbare Musiker-Chassis. In der Masse rechnet sich das nicht.
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Die Legende vom ALU Draht
Mit Alu-Draht wäre die Schwingspule deutlich leichter, ließe sich dazu auch noch besser wickeln, doch wird die Wärme erheblich schlechter abgeleitet.
Alu-Flachdraht wäre da ein Kompromiss, doch das leichtere Gewicht muß wegen des Innenwiderstandes durch dickeren Draht kompensiert werden und so ist das nur noch selten die tolle Lösung.
Der viel wichtigere Knackpunkt ist, daß man ALU nicht mit der unbedingt hochflexiblen Kupfer-Litze verlöten kann, die man benötigt, um die Verstärker-Leistung von den Anschlüssen zu der schwingenden Membrane zu bekommen. Da gab oder gibt es spezielle Kontakt- "Schweißungen", die aber gerne nach einiger Zeit aufgehen.
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Der Spulenkörper
Spulenkörper aus Pappe waren lange Jahre der Standard, verbrannten aber schnell, bis der etwas modernere Kunststoff (PVC) einzog. Der war aber erheblich wärmesensibel und verzog sich schnell oder schmolz gar gänzlich weg. Von den Nichteisenmetallen, und nur die kamen in Frage, war die leichte !! ALU-Folie das einzige Material mit Aussicht auf Erfolg. Doch Alu ist bedingt elektrisch leitend. Schmilzt der Isolationslack des Drahtes, gibts einen richtigen Kurzschluß und das wars dann. Nichtleitende eloxierte ALU-Folie kann man schlecht biegen, die schied also auch aus.
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Alleine BOSE hat da 1969 mit der Bose 901 eine ganz trickreiche Lösung gefunden, die das Überschlagen der hohen Verstärkerspannung bei mehreren hundert Watt (bis zu 500 Watt Sinus) vermied. In der Bose 901 sind 9 Chassis je 0,8 Ohm in Reihe geschaltet. Also liegt an "keiner" einzelnen Schwingspulenzuleitung die volle Verstärkerspannung an. Einen intakten Bose 901 Lautsprecher kann man wirklich für eine halbe Sekunde in die 220 Volt Steckdose stecken, vom gewaltigen Krach geplagt, ziehen die meisten Tester den Stecker sowieso schnellstens wieder raus. Die 9 Breitband Lautsprecher vertragen das wirklich.
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Die Glasfaser-Poliester Kombination
Wie wir es von den elektronischen Leiterplatten der hochwertigen Geräte her kennen, ist eine Glasfaser verstärkte Poliesterfolie die moderne Lösung. Doch eine so richtg dünne Folie konnte man erst ab den 80er Jahren herstellen.
JBL hat zum Beispiel die Spulenkörper seiner 14" LE14H Chassis irgendwann von 1986 auf 1988 von ALU auf Polyester umgestellt. Und alle Reconing-Kits - auch nach 2000 - haben nur noch Polyester Spulenkörper.
Dieses Material in Verbindung mit Kuperflachdraht und riesigen 10cm Schwingspulen scheint für besonders hochwerte Chassis eine der optimalen Lösungen zu sein, nämlich temperaturbeständig, feuchtigkeitsresitent, formbeständig, nichtleitend, nichtalternd und vor allem optimal mit der Membrane zu verkleben.
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Ein gutes Chassis kostet oft mehr als manche ganze Box.
So ist dann die Qualität des Chassis immer auch eine Frage des Preises. Alleine das Reconing Kit für einen JBL LE14H Basslautsprecher kostet über 300.- Euro, das komplette Chassis, wenn es das denn überhaupt noch gibt, sicher über 600.- Euro.
Und die qualitative Wiedergabe solch eines Basses ist nun mal kein Vergleich mit einer kompletten Box zum Preis dieses Chassis. Auch ist jetzt sicher einsichtig, daß auf einer 2,5cm Schwingspule mit Runddraht deutlich weniger Windungen und vor allem viel kürzere Windungen im Luftspalt schwingen als auf einer 10cm Schwingspule, die zudem noch mit Flachdraht viel dichter gewickelt wurde.
Übrigens hatte auch die Firma Braun später nach 1978 auf Aludruckgusskörbe und deutlich größere Schwingspulen gewechselt, wie andere deutsche Firmen auch. Leider viel zu spät.
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