Über die Lautsprecherqualitäten der 70er Jahre
Wen interessiert schon, "wieviele" Ohm der (oder ein) Lautsprecher wirklich hat und wie die gemessen werden, wenn er doch vermeintlich einwandfrei "soundet" bzw. einfach nur funktioniert.
Nach den Aussagen der glaubwürdigen Zeitzeugen aus dem Hifi-Bereich haben sich die Qualitäten der Lautsprecher- Chassis in den Jahren nach 1990 erheblich verbessert. Insbesondere die Serienqualität hat ganz erheblich zugenommen. Wie kommen wir also darauf, bei älteren Boxen daran zu zweifeln ?
Nehmen wir mal die Heco P4302 SL von 1972
Laut Aufkleber und laut Prospekt ist es eine typische sogenannte 4 Ohm Box. Das bedeutet, der Scheinwiderstand (die Impedanz) liegt im Bereich von 4 Ohm. Im Bereich unterhalb von 100 Hz ist der sogenannte frequenzabhängige Scheinwiderstand etwa gleich dem ohmschen (Gleichstrom-) Widerstand. Man kann ihn also recht einfach messen.
Und wie kommt man plötzlich auf eine solche arbeitsintensive Idee ?
Ganz einfach: Man ersteigert ein leicht lädiertes Pärchen Heco P7302 und recherchiert in den Heco Unterlagen genau nach den verbauten Chassis. Dann bekommt man nach einiger Recherche mit, daß in der Heco P4302 genau das gleiche Tiefton-Chassis werkelt bzw. werkeln sollte, wie die beiden in der P7302.
Ist also ein Tieftöner in der großen 7302 Box ramponiert, "könnte" man auch wieder preiswert eine oder zwei kleine 4302 Boxen kaufen und deren Chassis verwenden.
Wenn einem dann bei der Betrachtung der diversen Schaltungen von aktiven (Lautsprecher-) Verstärkern (LV bzw. SLV) auffällt, daß die unterhalb von 4 Ohm ganz schön ins Schwitzen kommen müssten, wird man hellhörig bei einer Parallelschaltung von zwei 4 Ohm Tieftönern. Und man fängt an zu messen.
Kalibrierung bzw. Absicherung von Irrtümern.
Nach diversen Flops mit fehlerhaften oder extrem ungenauen "modernen" mobilen Messgeräten nehmen wir erst mal unsere beiden 8 Ohm Messwiderstände (jeweils 1%) und messen die durch.
Das Messgerät zeigt einen Gleichstromwiderstand von 8,1 Ohm, das lassen wir als in Ordnung gelten.
Das Heco P4302 Chassis TC-204 zeigt nur 3,0 Ohm an ???
Das Heco 4302 Chassis wird durch die Rückwand von hinten durch die Box von innen auf die Schallwand geschraubt und braucht also die Filz-Dichtlippe oder -Dichtung auf der vorderen Membranseite des Chassis-Korbes.
Das ist auch auf dem Foto gut zu erkennen und damit sind die beiden Heco Bass-Chassis optisch gut auseinander zu halten.
Das Messgerät zeigt bei dem 4302 Chassis nur ! nahezu glatte 3,0 Ohm an. Das würde manchem deutschen Verstärker oder Receiver aus dieser Zeit den Garaus machen, ist also zu überdenken.
Dem Täter auf der Spur bleibt nur der DIN-Stecker, das Zuleitungskabel oder die ganz dicke Drossel im Strom-Weg zum Basschasssis.
Da wir inzwischen eine unserer P4302 geöffnet hatten und die drei Chassis entnommen hatten, war es ein Leichtes. Es ist also die Weiche mit der großen Drossel (links die größte Spule), die mit 0,7 Ohm zu Buche schlägt.
Diese Spule ist in Reihe zum Basschassis geschaltet und filtert (sperrt) die hohen Töne in Verbindung mit einem Kondensator, ein typischer passiver Tiefpaß. Dort wird also die Verstärkerleistung im Verhältnis 0,7 zu 3,0 "verbraten". Es kommen also nur etwa 80% der Bassleistung beim Chassis an. Die zweite noch geschlossene P4302 Box hat von außen gemessen 3,9 Ohm.
Ob das der Sinn der Sache sein kann ?
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Jetzt zu den beiden Heco TC-200 Bass-Chassis aus der P7302
Die Heco P7302 SLV Bass-Chassis erkennt man wirklich eindeutig an der vorhandenen Korkdichtung auf der Rückseite des Lautsprecherkorbes, auf der Seite des Magneten.
Wir hatten zwei Chassis ausgebaut, weil beide Membranen der Reparatur bedürfen. Da hatte nämlich jemand (ein Irrer ?) von außen mit dem Schraubenzieher herumgestochert.
Beide Chassis haben einen Widerstand von jeweils 3.9 Ohm. Parallel geschaltet ergibt das etwa 1,8 Ohm Last für den Bassverstärker der Aktiv-Box. Und das ist verdammt wenig.
Jetzt hat der Heco 3- Kanalverstärker der (älteren) P7302 SLV sowieso nur einen sehr schwachen 70 Watt Trafo für alle drei Verstärker und dann noch der extrem niedrige Lastwiderstand.
Je tiefer der gemeinsame ohmsche Wert der beiden Lautsprecher ist, desto höher ist der Strom und damit eigentlich auch die notwendige Dauerleistung des Verstärkers, der oft für eine deutlich höhere Ohm Zahl ausgelegt worden ist.
Würden wir jetzt unbesehen zwei von den optisch baugleichen P4302 3-Ohm Chassis in die P7302 einbauen, wären wir ganz deutlich ausserhalb des erlaubten Betriebsbereiches angekommen.
Bei 1,5 Ohm Gesamtlast im Bassbereich wäre der Verstärker mit Sicherheit völlig überlastet oder bereits am physikalischen Ende.
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Auch bei der hochgelobten Braun L710 gibt es Ungereimtheiten
Bei den ausgebauten Basschassis der Braun L710/1 haben wir ähnliche Verhältnisse. Jeder Lautsprecher hat einen Gleichstrom- widerstand von nur 6.1 Ohm anstelle von den nominellen 8 Ohm. Es steht sogar auf den Chassis explizit 8 Ohm hinten drauf und darum hatten wir unser Meßgerät extra noch einmal kalibriert.
Auch in der L710/1 werkeln 2 Bass-Chassis in Parallelschaltung, und so kommen da am Ende echte 3,0 Ohm raus. Wenn dort die passive Weiche auch 20% der Energie schluckt, weiß jeder Laie, warum aktive Lautspecher solche enormen Vorteile bieten bei all den Macken, die wir bislang festgestellt hatten.
Im Heco Prospekt wird bei der Beschreibung (ebenso wie im Canton Prospekt) nur von den supertollen Vorteilen der aktiven Technik gesprochen.
Genau drauf eingegangen wird aber nicht, sonst würde Keiner mehr deren passiven Boxen kaufen.
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Auch bei der Canton Ergo Aktiv ist manches unklar:
Nach dem Ausbau eines Basschassis der Ergo Aktiv fällt zuächst die primitve Befestigung des edlen Druckgusschassis mit 6 Holzschrauben auf (eine ähnliche Schraube wie die gebräuchlichen Spanplattenschrauben). Bei dem Mitteltöner war das sicher unproblematisch, da dieser sowohl eine eigene Kammer hat als auch nur minimale Luftdrücke (im Verhältnis zum Bass) erzeugt.
Doch wenn die beiden Bässe mal längere Zeit kräftig pumpen, sind die Befestigungsschrauben schon gefordert und dürfen sich nicht lockern. Würden die Bässe mehrfach ausgetauscht, leiern diese Löcher mit Sicherheit aus, es hält nicht mehr und vibriert sich locker. Weiterhin fällt der unerwartet kleine Magnet auf, der diese gewaltige Bassleistung umsetzen soll.
Viel wichtiger ist auch hier wieder der Innenwiderstand von 4,9 bis 5,0 Ohm. Das ergibt bei Parallelschaltung beider Chassis gerade mal 2,5 Ohm als Last für den Verstärker.
Laut Prospekt soll das Philips Hybridmodul OM 961 zwar 70 Watt Nennleistung liefern können, doch im Datenblatt sind (versteckt) 4 Ohm als L (min) genannt (das ist der minimal erlaubte Lastwiderstand). Die Hybridendstufe wird demnach auch hier im Grenzbereich ihrer Leistungsfähigkeit "gefahren".
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Im Vergleich betrachtet haben alle 3 aktiven Systeme aus heutiger Sicht konzeptionelle Schwächen.
Je "niederohmiger" die angehängte Last, desto stabiler muß das jeweilige Netzteil sein und desto geringer müssen alle einzelnen Teilwiderstände im Lautsprecherkreis sein. Das fängt beim Eisen-Kern des Trafos an, geht über die Kupferwicklungen, die Sicherungshalter, die Gleichrichterdioden bis zu den (manchmal mehreren) Steckverbindern und den internen (oft dünnen) Lautsprecherkabeln. Auch die zwei oder 4 Leistungstransistoren mit deren (dünnen) Zuleitungskabeln und deren Kollektor-Widerständen spielen bei den Verlusten - in der Summe - eine Rolle.
Stimmt hier die Gesamtkonzeption nicht, sind auch unsere drei Aktivboxen- Muster alle nur als (bereits damals) zweifelhafte Kompromisse für damals dennoch viel Geld zu bezeichnen.
Hier geht es zu weiteren Seiten über unsere Probanden:
www.hifimuseum.de/braun-lv720.html
www.hifimuseum.de/heco-p7302-slv.html
www.hifimuseum.de/heco-p7302-slv-k2.html
www.hifimuseum.de/canton-ergo-aktiv.html
Unsere weitere Aktiv-Box Nummer 4 ist die Grundig XSM 3000, bei der eine andere Konzeption deutlich bessere Ergebniss vermuten läßt. Mehr steht hier auf der Grundig Seite.
und hier zu unseren historischen Vergleichstests . . . .
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