Peter Burkowitz (†) und "Die Welt des Klanges"
In der "stereoplay" Ausgabe Mai 1991 beginnt eine Artikelserie von Peter Burkowitz. - Der damalige Chefredakteur Karl Breh kannte sie alle, die Koryphäen der Tontechnik und der "highfidelen" Edelstudiotechnik. Ob es ein Siegfried Linkwitz oder Eberhard Sengpiel war, das waren die unbestech- lichen Geister, die mit dem Gehör jede Legende, jeden Mythos oder jedes virtuelle Wunschdenken und erst recht die verklärte Wahrheit der Erinnerung sofort entlarven konnten.
Das alles steht in den 25 Artikeln "über den Klang".
1991 - DIE WELT DES KLANGS
Musik auf dem Weg vom Künstler zum Hörer (12 von 25)
von Peter K. Burkowitz 1991 bis 1993
Maßgeschneiderte Dynamik
Jetzt wird's gemischt (II)
Die Möglichkeiten der Lichtleitertechnologie lassen dem altgedienten Studiohasen direkt das Herz höher schlagen: nur noch ein dünnes Kabel vom Saal zur Regie; nur noch ein ebensolches vom Mischmonster zur 48Spur- Maschinerie; kein unauffindbarer Aderbruch mehr auf Leitung 13 (wenn Bruch, dann wenigstens Bruch total); und das ganze auch noch ohne die seit Jahren Journalspalten-füllenden Phasendrehs und Laufzeitverzerrungen! Ein richtiges Goldenes Zeitalter steht vor der Tür ...
Wären da nicht die immer noch von Hand zu schiebenden Regler. Und damit sind wir wieder beim Thema: dem Mischpult.
Die Eingänge am Mischpult
Die Leitungen sind dort nun angekommen. Jede landet auf einem "Eingang'. Bevor das Signal die elektronische Verarbeitung betritt, hat der "Mixer" (so heißt in den Staaten äußerst sinnig, aber außerhalb derselben wenig imagefördernd der Mensch am Pult) die Wahl, ob er den Eingang "nieder-pegelig" oder "hoch-pegelig" schalten möchte.
Niederpegelige und hochpegelige Geräte
Das erstere ist normal für die meisten Mikrophone. Das zweite wählt man bei Leitungseingängen, zum Beispiel Rückleitungen von Aufzeichnungsgeräten. Diese Unterscheidung zwischen niederpegeligen und hochpegeligen Geräten rührt noch aus der Zeit her, als es wegen der Größe und Kosten guter Verstärker abwegig gewesen wäre, das "Interface" zwischen allen Geräten auf einen einzigen, wegen des wünschenswerten Rauschabstandes hohen Leitungspegel zu normen. Heute könnte man das durchaus ins Auge fassen.
Wir sind erstmal bei den Mikrophonen
In unserem Fall hier fiel die Wahl auf niederpegelig, denn es soll sich um eine Mikrophonleitung handeln. Also wird das Signal zuerst einmal auf den Pegel verstärkt, den der Regler an seinem Eingang braucht, um, sozusagen, Spielraum nach "lauter" und "leiser" zu schaffen.
Dieser Spielraum wird einfach dadurch erreicht, daß man den Regler, der ja nichts anderes ist als ein in feinen Stufen veränderliches Dämpfungsglied, innerhalb des oberen Drittels seines Regelumfangs in "Grundstellung" bringt.
Die Grundstellung eines Reglers
Diese Grundstellung liegt etwa bei minus 10 bis minus 20dB (Dezibel). Das heißt, man hat dann auf diesem Kanal für die Nachhilfe in zu leisen Passagen den Faktor (etwa) 3 bis 10 für das Anheben der Tonfrequenzspannung in Reserve. Auf Lautstärkenwerte umgerechnet ist das ebenfalls etwa 3fach bis lOfach, also genug für alle praktischen Eventualitäten.
Alles geht zur Sammelschiene
Innerhalb des Mischpultes laufen die Ausgänge aller Kanalregler über Zwischen- oder Trenn-Verstärker auf sogenannte "Sammelschienen". Zu Monos Zeiten war das eine einzige. Heute können es Dutzende sein, je nachdem, wie komplex der Mischprozeß sein soll. Im einfachsten Fall geht jede Sammelschiene auf einen Hauptregler, dessen Ausgang dann einer Aufzeichnungsspur sowie über eine Abhörwahlschaltung einem der Stereokanäle zugeordnet wird.
Eine sehr komplexe Technik diese Komponenten
Was hier, pro Kanal, so einfach klingt, ist in der voll bestückten Wirklichkeit ein kompliziert organisiertes Gewirr von Knöpfen, Hebeln, Tasten, Instrumenten, Leuchtzeichen, Buchsen, Steckern, kiloweise Elektronikplatinen, zentnerweise Metallgestellen und Kilometern an Schaltdraht.
Schon vor dreißig Jahren war eine mittlere Werkstatt voll, wenn so was gebaut wurde. Heute ähnelt die Montage eher der Errichtung eines Fernmeldeamtes. In der Wirklichkeit ist ja auch der einzelne Mischpultkanal nicht so simpel, wie ich ihn oben beschrieben habe.
Vielfach ist er heute als Doppelkanal ausgelegt, so daß man mit einem Bedienungsgriff ein Stereokanalpaar regeln kann. Oder zwei nebeneinanderliegende Regler sind mit einer mechanischen Brücke zur gemeinsamen Betätigung verbunden.
Was noch alles nach dem Reglereingang kommt
Da gibt es dann noch Vorrichtungen zum Abhören des Reglereingangs unabhängig von dessen Stellung, zum Einspielen vom Reglereingang oder -ausgang in Halleinrichtungen und sonstige Effektgeräte, zum Verzweigen auf mehrere Sammelschienen über "Panoramapotentiometer" (mit ihrer Hilfe kann man eine "Mono-Quelle" zwischen dem linken und rechten Lautsprecher auf eine beliebige Richtung setzen); in Verbindung damit gibt es "Spreizer", mit denen man das Klangpanorama eines Stereomikrophons in die Breite ziehen oder stauchen kann, es gibt Tasten zum "Stummschalten" - entweder des Kanals, zu dem die Taste gehört, oder aller Kanäle mit Ausnahme desselben; es gibt "Entzerrer" zum Anheben und Absenken verschiedener Tonbereiche, "Kompressoren" zur Verringerung des Dynamikbereichs, eventuell auch " Limiter" zur Begrenzung des Maximalpegels und, besonders in High-Tech-Popstudios, noch eine Kollektion exotischer Zusatzgeräte für alle bis dato ersonnenen Effekte. Die werden dann bei Bedarf über Schaltkabel in den betreffenden Abschnitt der Mischpultschaltung "eingeschleift".
Verdichter & Begrenzer
Hier noch ein Wort zu Kompressoren und Limitern. Das sind Verstärker, deren Verstärkungsgrad sich bei ansteigendem Eingangspegel verringert; bei Kompressoren geschieht das allmählich, bei Limitern (Begrenzern - wie der Name schon sagt) ziemlich plötzlich. Deshalb werden Kompressoren eingesetzt, um die dynamische Spannweite eines Programms an die Hörbedingungen des "Verbrauchers" anzugleichen. Limiter hingegen nimmt man, wenn es darum geht, nur zu hohe Spitzenpegel zu kappen.
Außer den Vorteilen gibt es natürlich auch Nebenwirkungen
Beides sind technisch recht komplizierte Einrichtungen. Und da sie das Signal "behandeln", haben sie Ähnlichkeit mit Medikamenten: Sie haben Nebenwirkungen.
Die berüchtigste ist das "Pumpen": Schwache Instrumente und Raumklanganteile werden leiser, wenn ein hoher Programmpegel den Kompressor "runterfährt", das heißt dessen Verstärkungsgrad soweit erniedrigt, bis der Programmpegel wieder innerhalb des zulässigen Aussteuerungsbereichs liegt. Jahrzehntelang haben Ingenieure Denkschweiß vergossen, um die "Einregel-" und "Ausregelvorgänge" der für die Wirkung verantwortlichen Schaltkreise so zu dimensionieren, daß möglichst wenig Pumpen entsteht.
Und ein Rest bleibt hörbar
Aber letzten Endes bleibt immer ein Rest hörbar, wenn ein vielfältiges Klanggemisch so behandelt wird. Da regelt dann eben jeweils das lauteste Signal alle übrigen mit.
Die Lösung liegt heute in der Verwendung je eines justierbaren Kompressors pro Mischpultkanal - wenn es sein muß. In diesem Fall kann beispielsweise eine zu laute Trompete auf Kanal 7 nicht auch die Streicher auf Kanal 1 mit herunterregeln. Auch das ist eine Errungenschaft, die erst mit der modernen Miniaturisicrung und Halbleitertechnik möglich wurde.
Die visuelle Überwachung der Pegel
Weiter zum Mischpult wäre zu sagen, daß in den rückwärts meist ansteigenden Teil des Pultes dann die Anzeigegeräte zur Überwachung der Aussteuerung eingebaut sind sowie zahlreiche weitere Kontrollvorrichtungen, vor allem solche, die man nicht ständig in Sekundenbruchteilen im Griff haben muß.
Auch wenn das Erstlingsmöbel dieser Stilrichtung beim RIAS, vor dem ich Ende der Vierziger Platz nehmen durfte, nur Bruchteile heutiger Zeitgenossen maß - ein Gefühl des Gehobenseins war nicht zu bestreiten.
Saß man doch für damalige Verhältnisse schon an einem richtigen "Imponator" und nicht mehr vor so einem mickrigen Tischaufsatz in Form einer Schall-Registrierkasse. Und in den Tisch (echt Edelholzfurnier) waren keine faustgroßen Rundregler mehr eingebaut, sondern wunderbar satt geschmeidig laufende "Profilregler" (mit rundem Buckel aus dem Tisch herausragend, in Neper geeicht, gab's schon in den Dreißigern im Reichsrundfunk).
Patentwettlauf
Zum Mischpultbau habe ich ja schon in früheren Abschnitten einige Worte verloren. Vielleicht interessiert es den einen oder anderen Leser doch, daß daraus schon in den Fünfzigern ein ebenso verborgener wie ehrgeiziger Wettbewerb der Studiotechniker untereinander entbrannte.
Man wetteiferte mit immer neuen Ausführungsformen. Das Ziel war einmal "Ergonomie", also funktions-, griff-, sicht- und hörgerechte Gestaltung aller Teile. Was da an Knopf- und Hebelformen, Muldentasten, Symbolen, Lichtsignalen und Pultformen erfunden wurde, könnte bis heute mühelos das Guggenheim-Museum füllen.
Zum anderen versuchte man, die Konkurrenz mit pfiffigen und vorteilhaften Funktionen oder Arbeitsmethoden zu überholen. Wie das ja in anderen Industriezweigen auch geschieht.
In USA genau anders herum ??
In diesem Zusammenhang muß ich eine Variante zur Anordnung von Mischreglern erwähnen. Sie kam mir bei meinem ersten USA-Besuch 1960 unter die Augen, als ich mit dem im tausendjährigen Reich aufgestauten Auslands- und Neuigkeitshunger Dutzende von Tonstudios besuchte. Die Sache war ein Unikat. Jedenfalls habe ich sie nie mehr irgendwo anders gesehen:
In dem New Yorker Studio, das damals wegen der raffiniert mehrfach überlagerten Aufnahmen von Les Paul und Mary Ford und wegen der dabei erstmalig angewandten 8-Spur-Bandtechnik in Studiokreisen in aller Munde war, saßen die Regler verkehrtherum im Pult. Zum Lauterwerden schob man sie nicht von sich weg, sondern zog sie zu sich hin. Der Erbauer und Eigner dieses Studios meinte dazu, daß er auf fehlende Lautstärke "so rum" schneller reagieren könne. Nun, suum cuique geht eben in der eigenen Werkstatt problemlos. In größeren Betrieben mit Belegschaft und Dienstplan hingegen ist die einigermaßen genormte Normalausführung ein Muß.
Patente fast schon aus Spaß angemeldet
Nicht minder erfreuten sich im Patentwesen immer neue Schaltungsvarianten großer Beliebtheit. Allein die Gebrauchsmuster- und Patentliteratur auf diesem Gebiet hätten schon früh anwaltliche Spezialisierung gerechtfertigt. Statt dessen saß man bei juristischen Fachgesprächen meist Experten für Starkstrom oder Fernsprechtechnik gegenüber. Da auch ich in dieser Pionierzeit (wann ist eigentlich keine?) von einem unstillbaren Drang nach Neuerung beseelt war, gab mir der Umgang mit den Universalelektrikern Gelegenheit, zwar mühsam, aber nicht ganz erfolglos zu lernen, wie man Patentansprüche für ein exotisches Studiogerät so formuliert, daß sie auch von Spezialisten für Straßenbahnmotoren und Flutlichtanlagen begriffen werden.
Wollen Sie mal Ihre Formulierung testen ?
Kleine Übung für zu Hause: Versuchen Sie mal, den neuen CD-Player Ihres Nachbarn so zu beschreiben, daß hinter der Formel "dadurch gekennzeichnet, daß ..." alle wesentlichen Merkmale in einem Satz (ohne Punkt!) aufgeführt sind.
Und das bitte mit unfehlbarer Präzision, nur auf die Teile konzentriert, die anders, besser, und vor allem von patentamtsrelevanter "Neuigkeitshöhe" sind im Vergleich mit Ihrem Apparat (Sie haben ja vermutlich noch das Vorläufermodell, oder?).
Ein Wort noch zu Patenten
Wenn wir schon bei Patenten sind: Urheberrechte aller Art haben seit jeher den Geist der Menschen beflügelt. So manches Musikstück neuerer Zeit wäre vielleicht ohne die Aussicht auf einträglichen Rechtsanspruch gar nicht geschrieben worden. Ist es da nicht ganz menschlich, wenn auch Techniker einer Belohnung kreativer Innovation nicht abhold sind?
Auch wenn die Belohnung in den meisten Fällen nur in der Gewißheit besteht, für die kollegiale Weltöffentlichkeit fachlich aktenkundig zu werden. Denn das Gros der Anmeldungen ist wirtschaftlich nicht auswertbar, beziehungsweise wird nicht ausgewertet; aus welchen Gründen auch immer. Nur ein kleiner Teil führt direkt zu einem neuen Produkt. Und Sachen wie Druckknopf, Reißverschluß und Sicherheitsnadel braucht der Mensch doch in größeren Mengen, und manchmal auch dringender als Mischpulte, Mikrophone oder Plattenschneidmaschinen.
Ein toller Spruch zum Merken
Zum Begriff der Innovation, die ja auf Fortschritt zielt, kam mir kürzlich ein flotter Spruch in die Hände. Ich kann mir nicht verkneifen, ihn hier einzubauen. Besonders, da es um Mischpulte geht. Er stammt von dem Engländer Samuel Butler und lautet: "Aller Fortschritt beruht auf dem Bedürfnis des Menschen, über seine Verhältnisse zu leben." Allerdings wußte Butler noch nichts von Mischpulten. Und so neu scheint der Drang nach mehr, größer und teurer denn ja auch nicht zu sein. Butler lebte nämlich 1612 bis 1680.
Aussteuern
Das ist nicht der neuartige Plural für das, was die Braut zur Hochzeit bekommt, sondern so eine Art Füllstandsanzeige für die Tonaufzeichnung.
Wir sind ja noch bei Mischpulten, und da ist die ständige Beobachtung der "Aussteuerung" eine der ersten Tonmeisterpflichten. Entscheidet sie doch im Zusammenhang mit dem Gehörten darüber, ob der Gesamtverlauf der Lautheitswerte einen künstlerisch überzeugenden, geschlossenen Eindruck vermittelt und ob bei alledem keine technischen Fehler durch Übersteuerung entstanden sind.
Übesteuern geht ganz leicht
Das kann nämlich leicht passieren, wenn zum Beispiel der leise Anfang eines Stückes zwecks besserer Hörbarkeit stark angehoben wurde und dann zu einem folgenden Fortissimo hin nicht mehr rechtzeitig der Rückzug gefunden wurde. Der Eingeweihte weiß gleich, was los ist, wenn der Ausbruch mit verzerrter Überlautstärke "reinhaut", aber dann ganz fix schamhaft zurückfällt. Und dann da bleibt. Bis zum nächsten Malheur. (Altgedienten Profis passiert so was natürlich nicht mehr!)
Man muß die Partitur mitlesen (können)
Deshalb ist es von großem Nutzen, ja man kann sogar sagen, es ist eigentlich unerläßlich, daß der Mann oder die Frau am Mischpult das aufzunehmende Repertoire im Kopf hat. Oder zumindest als Partitur vor Augen.
Es gibt zwar in der Regel noch jemanden an der Seite, meist den Aufnahmeleiter, der in jedem Fall mitliest; schon um die eventuell erforderlichen Korrekturen zu notieren. Es ist aber mißlich, wenn der erst mit Worten und Gesten auf das kommende Pegelunheil aufmerksam machen muß. Meist ist es dann schon passiert. Oder die Reaktion kommt zu früh, und der letzte Teil der Passage vor der Steigerung wird plötzlich (aus für den Hörer unerfindlichen Gründen) leiser. Außerdem stört ständiges Kommandieren während der Aufnahme maßlos. Deshalb ist es eben besser, alle "wissen, was läuft".
Man sieht heute "rot"
Zur Anzeige der Aussteuerung gibt es heute ganz moderne, wie senkrechte Streifen in das Mischpult eingebaute Instrumente. Auf diese Weise lassen sich viele nebeneinander unterbringen und bleiben dennoch relativ übersichtlich. Und sie funktionieren rein elektronisch, ohne bewegte mechanische Teile. Das bedeutet auch, daß man den zeitlichen Verlauf ihrer Anzeige, das sogenannte 'ballistische" Verhalten, also ihr Reaktionsvermögen auf die Zeitdauer einer angelegten Schwingungsform, fast beliebig auf bestimmte Sollwerte festlegen kann.
Früher hatten wir gewaltige "Lichtzeiger"
Das war früher anders. Schon die Abmessungen der Instrumente waren gewaltig, verglichen mit den heutigen. Das mit Abstand größte war der vor etwa 50 Jahren in Zusammenarbeit zwischen Rundfunk und Siemens entwickelte "Lichtzeiger". Im Prinzip ein Spiegelgalvanometer mit beachtlich kurzer Einstellzeit und geringem Überschwingen, warf er den Anzeige-Lichtstrich von hinten auf ein transparentes, horizontal in ein schwarzes Gehäuse eingebautes Skalenband. Zwei davon nebeneinander nahmen bei Ausbruch der Stereo-Epoche schon soviel Platz ein wie heute etwa zwölf der LED-Streifen.
Soetwas hatten selbst die Amerikaner nicht
Dennoch waren sie zu ihrer Zeit nicht nur mechanisch die Größten, sondern auch elektrisch. Keines der ansonsten und vor allem im Ausland verwendeten Zeigerinstrumente konnte auch nur annähernd mit ihren "ballistischen" Daten mithalten. Immerhin schafften sie als einzige die als Standard geforderten 90 Prozent Anzeige nach 10 Millisekunden Signaldauer ohne störendes Überschwingen. Allerdings mit Hilfe einer Gestelleinheit voll Elektronik.
Sie waren also schon " Quasi-Spitzenwertanzeiger" und liefen auch unter dieser Bezeichnung (obwohl ein echter Spitzenwertanzeiger natürlich die Zeitkonstante Null haben muß, wie zum Beispiel praktisch ein Oszilloskop).
Aussteuerungsinstrumente müssen genau sein
Dieses Thema ist deshalb so wichtig, weil die Kontrolle von Übersteuerungen und damit die Vermeidung von größtenteils hörbaren Fehlern um so besser gelingt, je genauer das Aussteuerungsinstrument die Spitzenwerte der Tonfrequenzsignale anzeigt. Denn die magnetisieren das Tonband oder "verbiegen" die Plattenrille oder treiben die Bits aus dem A/D-(Analog/ Digital-)Wandler ja auch getreu ihres Spitzenwertes und ohne Rücksicht auf hinterherhinkende Instrumentenzeiger.
Wichtiger als der Pegel ist die Lautheit
Allerdings hat auch diese Sache eine Kehrseite. Denn während man mit diesen schönen deutschen Präzisionsinstrumenten sehr gut den technischen Pegel kontrollieren konnte, gab es vom musikalischen Standpunkt aus immer Zweifel, ob das auch für die Beurteilung klanglicher Lautheitsverhältnisse gilt. Um es vorwegzunehmen: Es gilt nicht; jedenfalls nur mit reichlich Abstraktionsvermögen und aufmerksamem Hinhören.
und das hat Gründe
Und das hat folgende Gründe: Jede Art von Schall hat einen charakteristischen Verlauf der Schwingungsform. Man kann sie
sich auf einem Oszilloskop ansehen und auch bildlich festhalten. Sie sieht aus wie eine ständig, scheinbar unregelmäßig, zwischen Null und einem Höchstwert hin und her laufende Schlangenlinie.
Die Höchstwerte entsprechen dabei der größten Lautstärke und umgekehrt die nahe der Nullinie der geringsten. Geht das Ganze allmählich, sozusagen in einem großen Bogen, vonstatten, dann handelt es sich um langsame Schwingungen, also tiefe Töne. Kurze, spitze Ausschläge dagegen gehören zu hohen Tönen, und ganz besonders zu Obertönen und Geräuschen.
Der Energieinhalt in der Lautheit gespiegelt
Jeder Klang ist nun, entsprechend seinem Charakter, aus einem Gemisch all dieser Schwingungsformen zusammengesetzt. Ein Orgelakkord ohne starke Obertonregister beispielsweise wird ein dicht besetztes mittleres bis höheres Schwingungsbild zeigen. Ein Sprachvortrag dagegen hat nur niedrige Durchschnittswerte, dafür aber zahlreiche scharfe, hohe Spitzen. Sie repräsentieren die vielen, für Sprache typischen Konsonanten, Stoß-und Zischlaute.
Man kann sich nun auch als Laie wohl mit ein wenig Phantasie vorstellen, daß der Energieinhalt solcher Schwingungsformen, und damit auch ihre Lautstärke für unser Ohr, um so höher ist, je länger ein Schwingungsausschlag anhält. Auf Papier gezeichnet ist der Energieinhalt also ganz simpel der Flächeninhalt zwischen Kurve und Nullinie oder, mathematisch ausgedrückt, das Integral.
Peter K. Burkowitz