Die Lautsprecher von Siegfried Linkwitz (†)
Am 31. Jan. 2014 war ich bei einem Hifi- Gourmet in Stuttgart zu Gast und bekam ein paar ganz besondere Lautsprecher, nämlich die Linkwitz Boxen (es sind eigentlich gar keine "Boxen") mit der Bezeichnung "LX-521" vorgeführt.
Die Ankündigung : Es sollte ein völlig neues Klangerlebnis werden, so die Voraussage meines Begleiters Jörg Wuttke. Siegfried Linkwitz war übrigens ein Deutscher Dipl.-Ing., der dann in den USA ausgewandert war und dort lebte.
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Ein Wort zu Jörg Wuttke, den ich erst im März 2012 kennen gelernt hatte, als er die Firma Schoeps Mikrofonbau in Karlsruhe bereits verlassen hatte. Bei Schoeps hatten die Entwickler nur die allerobersten Sphären der Klangqualitäten und der räumlichen Schallaufnahmen im Sinn. Es ging und geht hier um die akustisch und technologisch (nahezu) perfekte Audio-Quelle, die bereits ganz vorne in der Geräte-Kette beginnt und mit den Mikrofonen aufgenommen und gespeichert werden soll.
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Schoeps hatte sich mit speziellen Mikrofonen und spezieller Mikrofon-Technologie einen exzellenten Ruf bei den Tonmeistern und Toningenieuren und auch bei bekannten Musikern und Sängern erworben (- die drei Tenöre wollten für ihre Konzerte unbedingt spezielle Schoeps Mikros haben - siehe Bild).
Erst mal muß die Quelle, also die gespeicherte Aufnahme "stimmen" !
Aus dem vorigen Absatz kann man entnehmen, daß zuerst mal die akustische "Konserve" stimmen muß, ehe man überhaupt ins High-End der Highfidelity einsteigt. Darum ist mir Jörg Wuttkes Wissen so wichtig.
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Grundsätzlich gilt :
Habe ich keine "astreinen" Quellen von überragender Qualität, brauche ich mir um meine Lautsprecher überhaupt keine Gedanken zu machen.
Und wir hatten vor dem Anfang der 1980er Jahre - im Vergleich zu Heute / also 2013 - keine solchen Möglichkeiten. Selbst mit den damals aufkommenden Direktschnitt-Platten war das Qualitätsproblem der Tonquelle nicht annähernd befriedigend gelöst.
Bis vor wenigen Jahren (also etwa ab der 1990er Jahre) hatten sich die Tonmeister und Toningenieure nur selten intensive konstruktive Gedanken um die Möglichkeiten der Mehrkanal- technik und deren Auswirkungen gemacht.
Nur wenige kreative Geister gaben sich wirklich Mühe, mehr aus dem Wort Stereo herauszuholen. Die analoge Quadrophonie ist damals in 1976/77 mangels geeigneter Technik und anderer Querelen wieder still entschlafen.
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Und mit dem Wissen um die neue Qualität der digitalen Audio-Medien wurde an der Wandler-Technologie "gefeilt"
Am Anfang von "Stereo" war der links-rechts Effekt schon beeindruckend (und der wurde auch weidlich mit Flugzeugen und Lokomotiven demonstriert - hören Sie mal Freddy-Quinn : "5000 Meilen von zu Haus"). Später versuchten die Ingenieure, die Tiefe des Raumes (mit) abzubilden, noch später mit dem Kunstkopf wollte man alle Dimensionen des Raumes abbilden. Das klappte aber nur mit dem Kopfhörer als Wiedergabegerät. Bei den Lautsprechern war das stereophone Hören sehr sehr unterschiedlich, von beinahe gar nichts bis zu extremen Übertreibungen.
Mit diversen zusätzlichen Stereo-Expandern wurde versucht, die Raumdimension künstlich zu erweitern - also einen verbesserten oder verschlimmbesserten Stereo-Eindruck zu bewirken. Doch die Devise "Weniger ist Mehr" kommt hier viel besser zum Tragen.
Die erste Frage, die sich stellt : Wer macht dieses "Stereo" ?
"Stereo" wird im Aufnahme-Studio "hergestellt" oder "gestaltet". Und die verschiedenen Philosophien reichen von 2 Mikrofonen bis zu weit über 60 (Stütz-) Mikrofonen, und alle von edelster Qualität. Dazu braucht der Tonmeister samt seinem Chef (dem Dirigenten) ganz extrem gute "Nahfeld-Monitoren", um das Ergebnis mit (oder auf) seinem Mischpult zusammen zu mixen. "Er" macht also dieses "Stereo".
Der Tonmeister plaziert die einzelnen Instumente, eigentlich wohin er möchte bzw. wohin der Dirigent oder Produzent oder der Auftraggeber es haben möchte. Und das wiederum ist von dem Ohr dieses Mannes oder dieser Frau abhängig. Der Tonmeister ist nämlich (auch nur) ein Dienstleister. Und dieses Ergebnis ist auf unseren CDs oder sonstigen Quellen drauf.
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Es gibt eine Vielzahl von CDs, die - sehr sorgfältig den Ratschlägen des (den) Tonmeister(n) folgend - eine beeindruckende stereophonische Aufzeichnung enthalten.
Ein paar dieser CDs stammen sogar aus der frühen Digital-Zeit von 1981 !!! vom Moskauer Sinfonieorchester (es sind professionelle japanische JVC Digital-Aufnahmen - sie stammen aus einem Moskauer Rundfunkstudio).
Also erst, wenn auf der CD (oder den CDs) außer dem exzellenten qualitativen "High-End Sound" auch eine exzellente Stereo-Aufnahmetechnik drauf ist, dann kommen diese "Superboxen" voll zur Geltung.
Und jetzt sind wir (endlich) bei den Linkwitz Lautsprechern.
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Der Ruf, der Siegfried Linkwitz vorauseilt :
Ich als Gast habe natürlich den Vorteil, daß ich diese besonderen Lautsprecher noch nie gehört hatte und mir so mein eigenes Urteil - völlig unabhängig von irgendwelchen Trends - machen kann und konnte. Die erste "Besichtigung" verblüffte mich schon.
Zwei riesige Langhubtieftöner (je Box) in einem relativ kleinen auf beiden Fronten und Rückseiten "offenen !!!" Gehäuse (eigentlich ist es nur eine Schallwand) sollen einen tüchtigen Bass produzieren. Auch der Mittel-Tieftöner hat kein Gehäuse und nur eine relativ kleine Schallwand. Der konventionelle Ingenieur denkt gleich, das kann ja wohl nicht gehen.
An diesem Problem hatte nämlich der Dipl. Physiker Wolfgang Hasselbach bei der BRAUN AG so um 1960 monatelang geknabbert, bis er bei Mr. Villchur, dem Chef von AR (in den USA) das Prinzip der geschlossenen Box "gezeigt" bekam und natürlich auch vorgeführt bekam. Und jetzt gibt es wieder offene Boxen ohne Schallwand ?? Kann das wirklich funktionieren ?
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Vorweg, es funktioniert. Die Lautsprecher sehen lustig aus, ein Amerikaner würde es als "strange" (befremdlich) bezeichnen.
Auch die Dame dieses Hauses fragte damals beim ersten Anblick der noch unlackierten Prototypen viele Monate zuvor: "Das da" bleibt doch hier nicht etwa so stehen oder ? - Es blieb stehen. ........
Doch der erste klangliche Eindruck straft unser Gefühl der Lüge. Weiterhin fällt mir sofort auf, sie stehen fast mitten im Raum und davor steht ein einsamer Sessel - für 4 Mann ?? Nun, wir wechseln uns natürlich ab, jeder soll mal in der "optimalen" Position sitzen (dürfen).
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Eine beeindruckende Natürlichkeit - und große Ohren ....
Die über einen LINN Wandler vom Medien/Audio-Server gespielten Musikstücke sind klanglich sehr beeindruckend. Mit den richtigen sechs Verstärkern geht es erstaunlich laut, fast schon zu laut.
Aber das alles können andere (große) Boxen bzw. Laut- sprecher auch, vielleicht sogar genauso gut. Neu und beeindruckend ist hier die Räumlichkeit, die diese Lautsprecher "fabrizieren".
Da diese Lautsprecher (hier in Stuttgart) mitten im Raum stehen, wird der plastische Eindruck auch nicht von der (eigenen) Psyche ausgebremst - wenn die Lautsprecher zum Beispiel vor einer Wand stehen und die Musiker und Instrumente psychologisch unnatürlich "von hinter der Wand heraus" spielten. Ohne daß wir es merken, spielt nämlich unser Gehirn verrückt.
Das musikalische Geschehen spielt sich im wahrsten Sinne des Wortes um die beiden Lautsprecher ringsherum ab. Die Instrumente stehen (virtuell) teils vor den Boxen, teils sogar links und rechts daneben, natürlich auch dazwischen und weiter hinter den Boxen im physikalisch und psychisch vorhandenen Raum.
Solch eine räumlich ansprechende Stereopespektive hatte ich bis dahin immer nur teilweise erlebt. Da ich selbst seit Jahren die damals modernsten JBL Boxen, die Ti 250 höre, glaube ich, mir schon eine gewisse Erfahrung "angehört" zu haben. Einen Teil dieser oben genannten Qualitäten haben diese JBL Boxen "in meinem Studio" auch, aber diese Perfektion erreichen sie nicht. Es liegen eben 25 Jahre dazwischen.
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Wie macht Siegfried Linkwitz das mit dem Bass ?
Die beiden Bass-Chassis sind beide sogenannte Langhub-Chassis. Gewaltige Gummiwülste und große Magnete und dann auch noch große Schwingspulen ermöglichen den Membranen gewaltige Auslenkungen. Dabei sind die Rückstellkräfte durch die Sicken vermutlich recht gering. Das muß also die Endstufe bewerkstelligen bzw. übernehmen.
Durch diese weiche Aufhängung sind die Chassis auch sehr effizient. Und mit 400 Watt Sinus (bei dieser Anlage waren es sogar 1.200 Watt pro Box) pro Frequenzbereich, also 2 x 3 Endstufen je 400 (besser sind natürlich diese 1.200) Watt ist mit Sicherheit genügend Kraft da, den Membranen den Willen des Audio-Signales bedingungslos aufzuzwingen.
Nach wie vor irritierte mich (als Hifi-"Opa") aber die extrem kleine (eigentlich gar nicht vorhandene) "Schallwandfläche" der beiden Bass-Chassis. Doch der Bass ist dennoch sehr kräftig. Ganz ganz unten fehlt (mir) etwas, aber das ist meine subjektive Empfindung.
So zum Beispiel gefällt mir von Michael Jackson nur ein einziger "Song", das "Lied von der Erde", der "Earth-Song". Dort kommt schon bei der Introduktion ein Tiefbass mit etwa 38 Hz vor (wir haben das gemessen), der die näherkommende Gefahr der Zerstörung der Erde akustisch drohend "rüber bringen" soll. Bei fast allen kleineren Boxen (sogar bis zu BRAUN L810) ist dieser Bass einfach nicht da, (man sieht viel und hört doch nichts) - bei meinen großen JBL Ti250 "hebt" es das Dach meines ca. 120m² großen Raumes ab. Und meine dortige Hifi-Anlage mit der Accuphase P800 Endstufe hat im C280 Vorverstärker keine Klangregler und "fährt" absolut linear.
Diesen extrem tiefen (grollenden) Bass kann man hier an diesen Baß-Chassis zwar "sehen", jedoch weder hören noch fühlen. Das ist sicher der Tribut an die offene Gehäuse-Bauweise und vielleicht auch des (immer noch) zu kleinen Raumes oder des zu geringen Hörabstandes. Bei mir im Studio sind es fast 7m bis zu den Boxen.
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- Anmerkung / Nachtrag : Schaun Sie mal in den Artikel über den ELEKTOR Dipol rein.
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Vorläufiges Resume - hervorragend
Von meinen mitgebrachten vier CDs (also ganz normale CDs teils aus 1981) habe ich zwar nur eine kleine Auswahl gehört - die Zeit lief uns weg, doch bei fast allen Stücken ist diese fantastische Räumlichkeit zusammen mit einer grandiosen mühelosen Dynamik der Musik sofort aufgefallen. 1.200 Watt (Sinus pro Frequenzbereich = also x 3) sind nun mal 1.200 (=3.600) Watt.
Also ohne stundenlang nach fistelnden Höhen oder säuselnden Stimmen zu gieren ("bis das Blut aus den Ohren tropft"), unterstreicht das meine über Jahre gepflegte Auffassung, Unterschiede muß man auf Anhieb erkennen, sonst gleitet man in Richtung Voodoo ab - und das hier war kein Voodoo.
Wobei wir über Preise überhaupt nicht gesprochen hatten, es ging uns erst mal nur um das Linkwitz Konzept als Solches, der ja behauptet, auf vielen modernen Aufnahmen (digitalen Aufnahmen) sei mehr drauf, als wir normalerweise heraus hören.
Anmerken muß ich natürlich noch einmal, daß wir drei (Gast-) Hörer (Bild siehe oben) seit langem höchstwertige Hifi-Anlagen besitzen und hören und wir uns hier bei unserem Gastgeber auch in den allerhöchsten qualitativen und !!! preislichen Sphären bewegen.
In dem gemeinsamen (kühlblechlosen) schwarzen Endstufengehäuse befanden sich zusammen zwei mal 3 Stück 1.200 Watt Sinus Class D Verstärker, die von einem noch weiter verbesserten (geht das überhaupt ?) LINN Stereo D/A Wandler gespeist wurden. Also von dieser Seite gab es überhaupt keine Einschränkungen.
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Eine deutsche Bezugsquelle werden wir hoffenltlich bald benennen können.
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Peter Burkowitz war einer dieser wenigen Tonmeister, der sehr viel Erfahrung mit höchstwertigen Stereo-Aufnahmen gesammelt hatte - und er hat das ganze Drumherum - als einer der Wenigen - aufgeschrieben.
Die Branche dieser Menschen, die das können sollten, ist klein und fast alle sind Mitglieder im Tonmeister-Verband VDT. Burkowitz war einer der bekanntesten und auch renomiertesten Klassik-Spezialisten.
Seine 100 Seiten (hier auf den Museen-Seiten hinter dem obigen Link) sind anschaulich erklärt, lesefreundlich und überaus erhellend.
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