Herbst 1969 - Probleme der modernen Schallplattenwiedergabe
Artikel 2 (von 4) - herausgegeben von EMT
Hier kommen Sie zurück zur Einführung dieser 4 Artikel. In Artikel 1 (über die Rille) wurden allgemeine Dinge und Abtastprobleme behandelt.
Im hier folgenden Artikel II werden neben den technischen Anforderungen an hochwertige Abspielgeräte wie Gleichlauf, Rumpeln, Trittschall, akustische Rückkopplung, Frequenzgang-Verzerrungen, Übersprechen, auch Fragen der Konstruktion und physikalischen Eigenschaften der Abspielgeräte aufgegliedert in die Baugruppen
- a) Laufwerk,
- b) Tonarm,
- c) Tonabnehmer-System,
- d) Verstärker
besprochen. Der letzte Artikel 4 der Arbeit wird die Messtechnik erläutern sowie Hinweise über Pflege und Wartung von Abspielgerät und Platten bringen.
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Anforderungen an hochwertige Abspielgeräte
Die Wiedergabe von Klangereignissen sollte durch die Eigenschaften der Abspielgeräte nicht beeinflusst werden, wobei die maximal zulässigen Störgrössen im wesentlichen durch ihre Wahrnehmbarkeit durch das menschliche Gehör bestimmt werden.
Von der mechanischen Seite her werden heute im wesentlichen die folgenden (mechanischen) Anforderungen an einen Plattenspieler gestellt. Dazu kommen die elektrischen Bedingungen für Frequenzgang, Verzerrung und Übersprechen.
Gleichlauf Schwankungen
Es sollten möglichst geringe Abweichungen von der Nenndrehzahl der Platte entstehen, es ist also eine gleichförmige Drehgeschwindigkeit gefordert ohne kurzzeitige Änderungen.
Die Fehler in der Praxis sind bedingt durch Fertigungstoleranzen oder mangelnde mechanische Präzision (Exzentrizitäten oder Unwuchten). Sie äussern sich in sogenannten Tonhöhen- oder Gleichlauf Schwankungen, wobei Schwankungen mit Frequenzen um 5 Hz als „Jaulen" (wow) und über 5 bis 100 Hz als ..Wimmern" (flutter) bezeichnet werden.
Abweichungen von der Tonhöhe (Drehzahlabweichungen) einer Musikaufnahme von 1/8 Ton = 1,5% sind nach akustischen Untersuchungen schon hörbar [10]. Bei Störfrequenzen von 4 Hz liegt die grösste Empfindlichkeit hinsichtlich der Wahrnehmbarkeit von Tonhöhenschwankungen durch das menschliche Ohr. Hier sind bei kritischem Programmaterial, zum Beispiel Klavier, schon Schwankungen von etwa ±0,2% hörbar [11].
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Auf Grund dieser und anderer Untersuchungen hat man wegen der Ohrempfindlichkeit eine Bewertungskurve für die Störfrequenzen festgelegt (DIN 45 507).
Spitzenlaufwerke sollten, bewertet gemessen, keine grösseren Gleichlaufschwankungen als ±0,1% haben. - Die HiFi-Norm DIN 45 500 lässt einen Wert von ±0,2% zu.
Was dies für die Präzision in Konstruktion und Fertigung bedeutet, sei an zwei Beispielen erläutert:
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Ein Zentrierfehler am Plattenmittelloch von 0,2 mm (ist nach DIN-Norm und IEC-Publikation 98 zulässig) ergibt bei einem Abtastradius R = 100m eine Gleichlauf Schwankung von :
Bei 33 1/3 U/min ist dies eine Schwankungsfrequenz von etwa 1Hz (genau 0,55 Hz), die zwar nicht bei kritischen 4 Hz, dem Maximum des Empfindlichkeitsbereiches liegt, aber auch bewertet gemessen in Verbindung mit anderen Störfrequenzen den zulässigen Grenzwert erreichen kann.
Bei einem Antrieb des Tellers über ein Reibrad mit 50mm Durchmesser darf bei einem maximalen Gleichlauffehler von ±0,1% dieses Rad nur einen Schlag von 25um haben.
Der Fehler, in der Praxis bei etwa 3 Hz Schwankungsfrequenz, liegt schon an der physikalisch-technischen Grenze.
- Anmerkung: Später hat der Wettbewerber Dual herausgefunden, daß das angeblich Erbsenpubserei sei und noch nicht einmal meßbar sei, wenn das Mittelloch leicht exzentrisch sei.)
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Schütterspannungen (Rumpeln)
Jeder Antrieb erzeugt zwangsläufig Erschütterungen. Diese werden vom Abtastsystem aufgenommen und ungewollt in elektrische Störspannungen beziehungsweise Geräusche umgewandelt.
Das Verhältnis zwischen dem Nutzpegel bei Vollaussteuerung und dem Pegel der Störspannung wird Rumpelspannungs- abstand genannt. Es kennzeichnet die Qualität eines Laufwerkes. Hierbei gibt es zwei Messwerte. Die Rumpelfremd- spannung ist der linear bewertete tieffrequente Teil der Störspannung, und die Rumpel- geräuschspannung ist die über ein Filter gehörrichtig bewertete Störspannung.
Die Lästigkeit der in erster Linie tieffrequenten Rumpel- störungen hängt sehr vom subjektiven Gehöreindruck ab, ist also, wie Untersuchungen ergaben, frequenz- und schalldruckabhängig [12].
Weitere Prüfungen ergaben, dass unter Berücksichtigung einer mittleren Maximal- Abhörlautstärke von etwa 70 Phon und eines mittleren Rumpelabstandes der Laufwerke von 40dB entsprechend der sogenannten „Kurven gleicher Lautstärke" von Fletscher-Munson die 30-Phon-Ohrkurve mit ihrem Anstieg der Laustärkeempfindung bei steigender Frequenz für physiologische Bewertung herangezogen werden muss [13] [14].
Für die Praxis hier ein Beispiel: Da hochwertige Platten heute eine Dynamik von etwa 50dB haben können und minimale Abhörlautstärken von etwa 25 Phon erforderlich sind (wegen Raumgeräusch sind 0 Phon nicht möglich), ergibt sich daraus eine maximale Lautstärke von etwa 75 Phon.
Wenn nun die durch das Laufwerk entstehenden Störungen in keinem Fall grösser als das Raumgeräusch sein dürfen, dann muss entsprechend dem Verlauf der 25- und 75-Phon-Ohrkurven, Bild 9, bei 100 Hz der Rumpelspannungsabstand mindestens 40dB betragen und bei 40Hz mindestens 33dB! Dazu würden bei den genannten Frequenzen schon maximale Schallpegel von etwa 80 beziehungsweise 93dB gehören.
Selektive Messungen der Rumpelstörungen an guten Laufwerken zeigten, dass in der Praxis diese Werte tatsächlich erreicht werden können [15] [16]. Daraus muss rückwärts wieder gefolgert werden, dass unter Umständen reklamierte Rumpelstörung an hochwertigen Laufwerken nur auf falsche Einstellungen der Tiefenregler durch zu starke Bassanhebung bei grosser Lautstärke zurückzuführen sind.
Aus den zuvor gemachten Angaben ergeben sich nun die Forderungen: Rumpelfremdspannungsabstand: > 40 dB und Rumpelgeräuschabstand: > 60 dB. (Die HiFi-Norm DIN 45500 lässt 35dB beziehungsweise 55dB zu.)
Das folgende Beispiel soll zum Ausdruck bringen, mit welcher mechanischen Präzision heutige Laufwerke gebaut werden müssen:
Bei einem Laufwerk mit 30Hz Hauptstörfrequenz im Rumpelspektrum und gefordertem 40dB Fremdspannungs- abstand würde unter Berücksichtigung der Schneidkennlinie 75/318/3180 us und der Vollaussteuerung V = 10 cm/s bei 1 kHz schon eine Störamplitude von ~ 1um an der Abtastspitze den Grenzwert erreichen!
Rechts ein präzise geschliffenes Reibrad aus einem EMT 930
Trittschall und akustische Rückkopplung
Es wird auch verlangt, dass ein Laufwerk gegen Trittschall und akustische Rückkopplung weitgehend unempfindlich ist. Optimale Werte sind unter anderem sehr von der Aufstellung des Gerätes abhängig, wobei sich also unter Umständen störende Resonanzen von Lautsprechern und vom Wiedergaberaum ungünstig auf die genannten Forderungen auswirken können.
Frequenzgang, Verzerrungen, Übersprechen
Auch durch die elektrischen Eigenschaften des Abtast- systems dürfen keine Verfälschungen des Klangbildes entstehen. Neben dem Übertragungsbereich von etwa 30Hz bis 15kHz mit den Toleranzen von etwa +2dB im Bereich von 40Hz bis 12,5kHz sollen die nichtlinearen Verzerrungen einen Wert von Frequenzintermodulation (FIM) = 0,5% nicht überschreiten und das Übersprechen bei 1kHz mindestens 25dB betragen.
Diese Werte sind etwas strenger als die in der Norm für Heim-Studio-Technik 1967 genannten, können aber heute von Spitzengeräten erreicht werden [17].
Da heute bei neueren Platten unter anderem wegen der stark impulshaltigen Information bei moderner Musik und grösserer Dynamik die Aufzeichnungen die in Normen genannten Schnelle-Werte übersteigen, wird von einem hochwertigen Abtaster ebenfalls die Abtastmöglichkeit dieser impulsförmigen Klänge gefordert.
Eine gute Rechteck-Abtastung in Messplatten gewährleistet die zuvor genannte Forderung. Dies heisst mit anderen Worten aber auch, dass der Frequenzgang eines Abtasters möglichst weit über den Hörbereich hinaus linear ohne störende Resonanzen verlaufen sollte.
Konstruktion und physikalische Eigenschaften
der Abspielgeräte : Das Laufwerk
Um die im vorigen Absatz genannten Daten, wie Gleich- laufschwankungen und Rumpelstörungen, nicht zu überschreiten, ist es erforderlich, eine bestimmte Antriebsart zu verwenden.
Es wird heute ein teilweise bis zu 3,5kg schwerer, also mit grosser Massenträgheit behafteter Plattenteller von einem relativ schwachen, langsam laufenden Motor über einen Riemen angetrieben.
Dies bringt mehrere Vorteile mit sich:
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- Der einmal auf seine Sollgeschwindigkeit gebrachte Teller hat das Bestreben, bei kleinster Änderung vom Motor her seine Drehgeschwindigkeit nicht gleich zu ändern (die erreichten Werte der Tonhöhenschwankungen sind heute deutlich kleiner als die der existierenden Schallplatten).
- Die vorwiegend vom Motor kommenden Rumpelstörungen sind bei einem relativ schwachen und langsam laufenden Motor an und für sich schon klein und werden bei der Übertragung auf den Plattenteller zusätzlich noch durch die Filterwirkung des Riemenantriebes gedämpft. Bei Spitzenlaufwerken wurde festgestellt, dass die Hauptstörungen nur noch vom Hauptlager der Maschine kommen.
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Es soll hier kurz erwähnt werden, dass man sich schon an physikalisch fertigungstechnischen Grenzen bewegt und ein relativ grosser Messaufwand für die Bestimmung dieser Grössen getrieben werden muss.
Die eben genannten Massnahmen werden noch unterstützt durch weitere konstruktive Details [18]. Zwischen dem Plattenteller und seinem Hauptlager und der Tonarm-Montagefläche besteht eine starre Verbindung, so dass ungewollte Relativbewegungen zwischen Platte und Tonarm möglichst ausgeschaltet sind.
Diese Einheit auf einem Zwischenchassis ist elastisch gegenüber dem Hauptchassis aufgehängt. An dem starren und mit dem Gehäuse identischen Hauptchassis sitzt meist der Antriebsmotor und sind auch die Bedienungselemente angeordnet. Letzteres hat natürlich Vorteile in Bezug auf die Erschütterungsunempfindlichkeit.
Durch optimale Abstimmung der Aufhängung in Bezug auf die Resonanzfrequenz und Dämpfung ergibt sich ein günstiges Verhalten gegenüber dem Antriebsrumpeln und auch gegenüber Störungen von aussen, wie Trittschall oder akustische Rückkopplung.
Die verschiedenen heute üblichen Drehzahlen bei Plattenspielern werden bei elektronisch geregelten Motoren auch durch elektrische Umschaltung erreicht, somit entfallen die früher erforderlichen mechanischen Zwischenradgetriebe, die ja auch zusätzliche Gleichlauf- oder Rumpelstörungen hervorrufen.
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