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Ein Interview mit dem LINN Chef in 1976 über die Entwicklung des Plattenspielers LP12

Von LINN wissen wir, daß die Firmenphilosophie seit Jahrzehnten unverändert in den oberen Hifi- Sphären verweilt und auch nicht geändert wurde, als es mal (so um 1980) eng wurde. In der KlangBild 01/1977 haben wir ein Interview mit dem Gründer von LINN Ivor S. Tiefenbrunn gefunden, in welchem er dem KlangBild Redakteur Franz Schröder seine Ziele und seine Gedanken erzählt hatte. Zwischen den Zeilen kommt heraus, daß er bereits damals wußte, wo die Grenzen der Schallplatte lagen und liegen.

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HiFi on the Rocks (Magazin KlangBild Januar 1977)
TECHNIK UND KLANG-QUALITÄT DES LAUFWERKS

Ein Interview mit dem Plattenspieler-Entwickler I. S. Tiefenbrunn
Von Franz Schöler

Einleitung

Die Entwicklung immer besserer Plattenspieler hat in den letzten Jahren ganz erhebliche Fortschritte gemacht. Entsprechend umfangreich ist mittlerweile die Literatur über Probleme von Laufwerken und Tonarmen, die sich mit kniffligen Detailfragen der Konstruktion befaßt.

Spitzenlaufwerke kosten heute bis zu 2000,- Mark
, gute separat lieferbare Tonarme zwischen 300,- und 1400,-Mark. Die Entwickler dieser Produkte kennen die Probleme und Vorzüge der von ihnen benutzten Konstruktionsprinzipien sehr genau. Sie müssen neben mechanischen Problemen auch solche der Schwingungstechnik berücksichtigen.

Als einführenden Aufsatz zum Thema Plattenspieler bringen wir ein Interview, das „KlangBild"-Mitarbeiter Franz Schöler auf der Düsseldorfer „hifi 76" mit dem Laufwerk-Entwickler Ivor S. Tiefenbrunn machte. In diesem Gespräch kamen eine ganze Reihe von Detailproblemen auf, von denen sich der an High-Fidelity-Wiedergabe interessierte „Laie" kaum eine Vorstellung macht, die aber auch in Testzeitschriften selten mit der eigentlich nötigen Ausführlichkeit behandelt werden.

In der nächsten „KlangBild"-Ausgabe werden wir die technischen und klanglichen Aspekte des Laufwerks umfassend erläutern und zu diesem Zweck auch Spezialliteratur von Plattenspieler-Konstrukteuren heranziehen.

Zur Biografie von Mr. Tiefenbrunn :

Er studierte Physik an der Universität Glasgow (England) und arbeitete im Anschluß insbesondere an Problemen der Schwingungsmechanik. Seinen ersten Plattenspieler konstruierte er vor sieben Jahren, serienmäßig wird das von ihm entwickelte riemengetriebene Laufwerk "Linn Sondek LP-12" seit vier Jahren hergestellt.

Tiefenbrunns Ziel war, ein Laufwerk zu liefern, das wegen seiner Resonanzunterdrückung und der äußerst exakten Lagerung der Plattenteller-Achse „die Wiedergabe hörbar verbessert". Seine Firma Linn Products Ltd. fertigt pro Jahr nur etwa 8.000 Laufwerke und garantiert ein hohes Maß an Qualitätskontrolle.
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(1) Frage : Franz Schöler

Gibt es jenseits von Gleichlaufschwankungen und Rumpel Probleme, die dazu führen, daß das Laufwerk eines Plattenspielers die Wiedergabe der Schallplatte beeinträchtigen und den Klang verfärben kann?

Tiefenbrunn fürt weiter aus :

Den absolut perfekten Plattenspieler, der keinerlei Klangbildverfärbungen hat, gibt es meiner Meinung nach nicht. Nichts in der Wiedergabekette einer HiFi-Anlage ist so vollkommen, daß man im idealen Sinne von völliger Klangtreue sprechen könnte. Bei der Konstruktion unserer Laufwerke, die wir in kleiner Stückzahl und in sorgfältiger Handarbeit herstellen, habe ich darauf geachtet, daß konventionelle Fehlerquellen der in großen Serien gefertigten Plattenspieler weitestgehend beseitigt werden.

Viele Laufwerke „klingen" ziemlich ähnlich. Der Konsument achtet beim Kauf fast nur auf Faktoren wie Gleichlauf und Rumpelgeräusch-spannungsabstand. Bei einem gut konzipierten Laufwerk fallen gute Meßwerte für diese Laufwerk-Eigenschaften eigentlich als Nebenprodukt ab.

Ich würde die Funktion des Laufwerks so definieren: Es soll die Platte unter Bedingungen abspielen, die mit denen des Schneidvorgangs der Platte so weit wie möglich identisch sind.

Drei Voraussetzungen muß man beachten.

  1. Erstens ist die Plattenrille sehr, sehr klein.
  2. Zweitens ist die Rillenmodulation vergleichsweise noch viel winziger.
  3. Drittens werden bezüglich der Verzerrung des Signals während des Schneidprozesses Probleme akut, wie es sie meines Wissens von solcher Bedeutung in keinem anderen Gebiet für einen Ingenieur gibt.


Schon beim Schneidprozeß wird jede relative, also auch unerwünschte Bewegung des Schneidstichels auf die Lackfolie übertragen. Ortofon und Neumann haben interessante Versuche unternommen, den Rumpeleffekt während des Schneidens zu eliminieren, aber vollkommen gelungen ist es nicht.

Weil der Plattenspieler, als ein Konsumprodukt, nicht mit der Perfektion professioneller Schneidmaschinen arbeitet, geht beim Playback-Vorgang wiederum eine Menge an Information verloren.

Es amüsiert mich, wenn Konstrukteure behaupten, ihr Plattenspieler- oder meinetwegen auch Verstärker oder Lautsprecher - sei zu 99,5% perfekt für die Aufgabe, Musik zu reproduzieren. Ich würde das Maß an Perfektion weit tiefer ansetzen. Bedenken Sie beispielsweise den Feedback-Effekt zwischen Plattenspieler und Lautsprecher.

Wenn man einen Sinuston über Schallplatte abspielt, wird das Verzerrungsprodukt relativ gering sein. Der Ärger mit der Musik ist aber, daß wir es mit einem ganz komplexen Gemisch zu tun haben, bei dem die während des Abspielvorgangs entstehenden Verzerrungsprodukte nur äußerst schwierig zu messen und noch schwieriger zu beseitigen sind. Ich glaube, daß das Problem des „Transient feedback" zwischen Lautsprecher und Plattenspieler, also der rückgekoppelten Schwingungen, in ihrem Effekt auf die Arbeitsweise von Verstärkern meist noch gar nicht erkannt werden. Aber man kann das „Transient feedback" in seiner Wirkung hörbar machen, wenn man die Unterschiede zwischen verschiedenen Plattenspielern unter ansonsten identischen Bedingungen untersucht. Erst seit kurzem haben sich Entwickler von Verstärkern über dieses Problem von Rückkopplungseffekten Gedanken gemacht.

(2) Frage : Franz Schöler

Glauben Sie, daß Platten von vornherein so schlecht geschnitten sind, daß ein Plattenspieler um so stärker die Mängel der Platte zur Geltung bringt, je besser er ist?

Tiefenbrunn

Ich möchte nicht mit der ganzen Welt streiten, aber ich bin der festen Meinung, daß die Platte ein extrem gutes Medium ist, um Musik zu reproduzieren - auch in ökonomischer Hinsicht. Wenn ich behaupte, daß auch eine gute Tonarm-Tonabnehmer-Kombination nur etwas mehr als die Hälfte der aufgezeichneten Information reproduziert, übertreibe ich vielleicht etwas. Aber was man verliert, sind meist die feinsten Details, die subtilsten Dinge.

Man muß auch die psychoakustischen Vorgänge des Gehörs verstehen. Das Ohr ist keine Membrane, auch kein Mikrofon, eher ein mit einem Muskel und einem denkenden und interpretierenden „Apparat" verbundenes Mikrofon. Das Ohr wurde vom Allmächtigen, von der Evolution oder was immer Sie wollen dazu „entwik-kelt", Sprache - nicht so sehr Musik und schon gar nicht HiFi-Anlagen - einschätzen und beurteilen zu können.

Bekanntlich identifiziert es Klang und Sprache sehr stark, indem es die Anstiegscharakteristik von Schwingungen und Schwebungen erkennt und sofort interpretiert. Um Musik nun exakt reproduzieren zu können, muß ein Plattenspieler garantieren, daß der erste Einschwingimpuls jeder Note des komplexen Klanggemischs mit der Genauigkeit des Instruments selber kommt. Andernfalls wäre der Klang nicht so exakt definiert, sondern in den feinsten Nuancen verschwommener.
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Bei der Konstruktion des Linn Sondek LP-12 habe ich offenkundig Kompromisse machen müssen - nur aus musikalischen Gründen. Ich habe das Laufwerk so gut wie perfekt gegen akustisches Feedback isoliert, aber nicht gegen Trittschall und Schock, also muß man ihn trittschallsicher aufstellen.

Ich habe nur eine einzige Geschwindigkeit, um allen Problemen bei mehrfachen Geschwindigkeiten auszuweichen. Ich liefere keinen selbstkonstruierten Tonarm, weil ich noch keinen entwickelt habe, der gut genug wäre oder besser als die besten derzeit erhältlichen.

Und ich möchte am Ende, daß der Kunde den „Klang" beziehungsweise den fehlenden Eigenklang meines Plattenspielers so vergleicht mit anderen, als handele es sich dabei um einen Lautsprecher. Das klingt nun wirklich für viele absurd. Aber wer den Unterschied in der Resonanzfreiheit hört, wird wissen, was ich meine.
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(3) Frage : Franz Schöler

Kann man diese Unterschiede auch meßtechnisch erfassen?

Tiefenbrunn

Ja, durchaus. Und zwar mit Hilfe eines Wellen-Analysators, indem man alle Veränderungen untersucht, die das auf dem Mutterband aufgezeichnete Signal während des Abtastvorgangs erfährt. Zu diesem Zweck muß man natürlich auch sämtliche Eigenschaften der Wiedergabeapparatur - also des Tonarms und des Tonabnehmers - kennen.

Aber das Ohr ist sowieso ein so gutes Testinstrument, daß es bei längeren Vergleichen den Unterschied hört. Leider werden oft die falschen Parameter als die wichtigsten gemessen und für die Qualität als entscheidend herausgestellt.

Das Problem ist aber, daß alle Teile zusammen stimmen müssen. Beispielsweise die Frage, ob sich auftretende Resonanzen addieren oder gegenseitig aufheben. Dieses Problem könnte ich Ihnen anhand von Messungen in der Fabrik demonstrieren. Nur haben wir uns bei der Entwicklung immer gefragt, ob bessere Meßwerte auch tatsächlich ein besseres Klangverhalten mit sich brachten.

Wenn das nicht der Fall war, haben wir neue Design-Konstruktionen ausprobiert. Das kostete mich Jahre und Jahre, in denen ich manchmal fast verzweifelte.

(4) Frage : Franz Schöler

Glauben Sie, daß der Konsument das Problem von Rumpel und Gleichlaufschwankungen überbewertet, wenn er vor dem Kauf eines Plattenspielers Meßwerte vergleicht?

Tiefenbrunn

Ja. Andererseits wird den höherfrequenten Oszillationen des „Flutter" beim Gleichlauf des Laufwerks zuwenig Bedeutung zugemessen.

Diese durch Resonanzen erzeugten Oszillationen verfälschen das Klangbild insgesamt doch ziemlich: Es ist nicht mehr so sauber und durchsichtig. Die Datengläubigkeit ist ein Problem geworden, nachdem bestimmte Richtwerte (Anmerkung : sicher sind unsere deutschen DIN Normen gemeint) zunächst nur dazu dienten, den Konsumenten vor Schundware zu schützen, und von den Norm-Ausschüssen der verschiedenen Industrienationen auch als solche gedacht waren.

Der Irrtum auf dem Gebiet der High-Fidelity-Wiedergabe war leider, daß manche besseren Spezifikationen und Meßwerte auch notwendigerweise eine naturgetreuere Wiedergabe bedingen. Das ist nicht in jedem Fall so. Ich muß Ihnen ganz klar sagen, daß es Hersteller gibt, die ehrlich ihre recht guten Meßwerte als Kaufargument anführen können, andere dann weit bessere vorweisen können, während das Produkt der letzteren Gesellschaft objektiv schlechter klingt, obwohl die Meßwerte besser sind.

(5) Frage : Franz Schöler

Wie wirkt sich hochfrequentes „Flutter" aus?

Tiefenbrunn

Es hat einen gewissen Kompressionseffekt, den man mit Worten nur ungefähr beschreiben kann. Die Bässe klingen, etwas mehr nach oben verlagert, etwas „bumsiger", während die Höhen nicht so durchsichtig-sauber sind, sondern etwas „zischiger" klingen und auch nicht so weit hinaufreichen, wie sie sollten.

(6) Frage : Franz Schöler

Wie wichtig ist das Resonanzproblem bei der Kombination bestimmter Laufwerke mit Tonarmen in Hinsicht auf das Tonabnehmersystem, das man benützen will? Es gibt doch eine ganze Reihe von Tonarmen, Laufwerken und Tonabnehmersystemen, die man auf keinen Fall miteinander kombinieren sollte.

Tiefenbrunn

Da muß ich Ihnen zustimmen. Ich persönlich glaube, daß es momentan noch nicht einen einzigen Tonarm gibt, der alle Qualitäten von Tonabnehmern nach dem Prinzip der „bewegten Spule" wirklich perfekt zur Geltung bringen würde. Das mag sehr spinnig klingen. Tatsache ist, daß bei der Entwicklung von Tonarmen in letzter Zeit viel zuviel an Tonarme mit geringer statischer Masse gedacht wurde, die sich für Tonabnehmer mit hoher Nadelnachgiebigkeit eignen sollen.

Die Probleme, die mit einem Tonarm großen Gesamtgewichts verbunden sind, der mit einem dynamischen System geringer Nadelnachgiebigkeit kombiniert werden soll, sind völlig unterschiedlicher Natur. Auch ist das Problem der Klangverfälschungen durch Tonabnehmer, die nicht ungeheuer fest und resonanzfrei oder gut bedämpft mit dem Tonarm verbunden sind, noch längst nicht genau genug untersucht.

Wenn ein spitzenpunktgelagerter Tonarm beispielsweise nicht ungeheuer genau verarbeitet ist, wird er ziemliche Probleme verursachen und im Zweifelsfall schlechter funktionieren als ein durchschnittlicher Tonarm, der nicht so problematisch im Aufbau ist.

(7) Frage : Franz Schöler

Wie sehen Sie das Problem der „Dämpfung" von Resonanzen eines Tonarms? Gibt es da eine Universal-Lösung - Flüssigkeitsdämpfung oder Masse-Dämpfung ?

Tiefenbrunn

Ich glaube, daß die Bedämpfung eines Tonarms in seinem Lager durch Silikon usw. nicht effektvoll genug ist. Man sollte entweder den Nadelträger des Tonabnehmers in seinen Schwingungen durch plastische Materialien perfekt bedämpfen oder einen Tonarm entwickeln, der perfekt zu dem dazugehörigen Tonabnehmer paßt.

Der EMI-Konzern hat das schon vor 25 Jahren versucht, Decca mit ihrem Tonarm vor 15 Jahren, und Ortofon arbeitet an einer solchen Entwicklung. Ich bewundere Gesellschaften wie Ortofon, die kompromißlos eine solche Lösung anstreben, damit das Ergebnis auch in der Kombination stimmt. Aber man muß auch verstehen, daß solche Perfektion einen kleiner werdenden Markt von Verbrauchern mit sich bringt, die dafür das entsprechende Kleingeld hinlegen.

Man kann die Masse- und Schwingungseigenschaften eines Tonarms perfekt denen des Tonabnehmermodells X anpassen, aber man grenzt dadurch auch den Markt von potentiellen Verbrauchern ein. Man kann mühelos einen superleichten Tonarm für Tonabnehmer hoher Nadelnachgiebigkeit konstruieren, aber der muß nicht notwendigerweise hervorragend klingen. Man hat dann vielleicht dem Prinzip die Klangtreue geopfert!
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(8) Frage : Franz Schöler

Gibt es grundsätzliche Unterschiede, die ein direktgetriebenes Laufwerk einem riemengetriebenen Plattenspieler überlegen machen würden? Sie werden selber wissen, daß der „Normalverbraucher" heute glaubt, ein sogenannter Direktläufer müsse prinzipiell besser und auf Dauer problemloser sein als ein Riemenläufer.

Tiefenbrunn

Ich glaube nicht an Prinzipien als solche! Aber ich muß gestehen, daß ich immer noch Anhänger des Riemenantriebs bin, weil bestimmte Probleme des Direktantriebs doch sehr kritisch sind. Die Motorresonanzen des Direktläufers werden direkt auf Plattenteller und Platte übertragen. Wenn der Plattenteller des Direktläufers sehr schwer ist, um Feedback-Effekte auszulöschen, wird die Resonanz im Baßbereich vielleicht sehr groß in ihrer Amplitude, während die Plattenteller-Achse in den hohen Frequenzen nur geringe Resonanzamplituden aufweist. Umgekehrt können andere Probleme auftreten, die die Langzeit-Qualität eines solchen Plattenspielers beeinträchtigen.

So muß die Lagerachse ungeheuer genau ausbalanciert und verarbeitet sein, damit sie nicht wegen des Gesamtgewichts von Motor plus Plattenteller zu Verschleißerscheinungen führt. Am Ende ist es wirklich eine Frage von möglichst exakter Verarbeitung, die bei allen Details zu berücksichtigen ist.

(9) Frage : Franz Schöler

Gibt es notwendige Plattenspieler- Tonarm-Kombinationen aufgrund der Aufhängung des Laufwerks und anderer Konstruktions-Details?
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Tiefenbrunn

Meiner Meinung nach gibt es da theoretische Probleme, die man erklären kann und die zu der theoretischen Schlußfolgerung führen, daß ein bestimmter Tonarm nicht auf einem Laufwerk des Herstellers X oder Y oder Z benutzt werden sollte. Die Frage ist, wie die Kombination in der Praxis funktioniert.

Um ein Beispiel anzuführen: Viele Kritiker verdammten den (in Deutschland nicht importierten, Anm. d. Red.) Vestigal-Tonarm von Transcriptors in Irland, englische Kritiker mehr noch als amerikanische. Der Arm hat seine Probleme, aber jeder hat Probleme. Was diese Kritiker so negativ reagieren ließ, war die Tatsache, daß er mechanisch nicht ganz so stabil für den Durchschnittskonsumenten ist. Aber der Blindtest zeigte, daß sie herausfanden; daß der Vestigal-Tonarm eine bessere Abtastung der Rille gewährleistete, obwohl er vom Prinzip her grundsätzlich problematischer war.

(10) Frage : Franz Schöler

Würden Sie sagen, daß der Plattenspieler generell noch ein recht problematisches Glied in der HiFi-Übertragungskette ist?

Tiefenbrunn

Um ehrlich zu sein: ja, wenn er nicht sehr gut verarbeitet ist! Die meisten glauben immer noch, daß es sehr einfach zu erreichen sein muß, daß Rille und Abtastdiamant perfekten Kontakt zueinander haben. Als sei das die einfachste Sache der Welt.

Vom Standpunkt des Entwicklers ist es fast die schwierigste Sache innerhalb der ganzen HiFi-Anlage und kann die Wiedergabe viel stärker beeinträchtigen als der Verstärker. Jeder Informationsverlust am Anfang der Übertragungskette kann nie wieder ersetzt oder kompensiert werden. Insofern ist die Kombination von Plattenspieler-Laufwerk, Tonarm und Tonabnehmersystem eigentlich die wichtigste Frage.

Aber wenn Sie mich jetzt fragen, was wirklich das wichtigste Glied der ganzen Anlage ist, muß ich Ihnen sagen: die Schallplatte!

Und wenn Sie mich fragen, was der wichtigste Aspekt des Plattenspielers ist, muß ich Ihnen antworten: Er muß wirklich sämtliche in der Rille gespeicherten Informationen herausholen und zweitens total immun gegen alle im Abhörraum auftretenden Schallsignale sein. Schade, daß noch keiner den perfekten Plattenspieler erfunden hat.

Viele Händler, die ihren Kunden beeindrucken wollen, führen Kopien von Mutterbändern an, wenn sie die Qualität von Verstärkern und Lautsprechern demonstrieren wollen, und die Kunden sind mehr beeindruckt, als wenn sie Platten derselben Aufnahme hören. Aber das heißt ja, die praktischen Bedingungen, unter denen man Schallplatten hört, zu vernachlässigen. Die Entwickler von Tonabnehmern und Lautsprechern haben ein sehr komplexes Verständnis von dem, was sie erzielen wollen, aber oft entwickeln sie ihre Geräte unter Laborbedingungen und benutzen Meßaufbauten, die nicht den tatsächlichen Abhörbedingungen entsprechen.

(11) Frage : Franz Schöler

Wie sinnvoll sind Messungen an Plattenspielern?

Tiefenbrunn

Darüber kann man endlos diskutieren, denn es kommt darauf an, wie man die Meßergebnisse am Ende interpretiert und überhaupt psychoakustische Untersuchungen dazu in Beziehung stellen kann. Messungen stellen zumindest in vieler Hinsicht negative Abgrenzungen dar, die man benutzen kann, um Besseres zu konstruieren. Das Problem ist, daß man mit Sinustönen und überhaupt jeder gleichmäßigen Wellenform einer Schwingung eigentlich nur wenig über die tatsächliche Klangtreue einer Wiedergabeapparatur aussagen kann.

Bei einem Tonabnehmersystem sind nur die wenigsten Meßdaten wirklich bedeutsam für den Klang eines solchen Geräts. Wenn man endlich Geräte hätte, die besser sind als das menschliche Ohr, hätte man auch keine Probleme, all die Fehler und Unvollkommenheiten zu messen.

Die Tendenz läuft doch nur darauf hinaus, Messungen als Bestätigung der eigenen Meinung ersatzweise zu benutzen. Statt dessen sollte man die Meßmethoden verbessern und die Meßapparaturen verfeinern, um sie der Empfindlichkeit des Ohres anzunähern und Wege zu finden, Geräte wie einen Plattenspieler meßtechnisch exakter beurteilen zu können!

Ich möchte das noch einmal an einem plastischen Beispiel erklären. Wenn ich Ihnen ein wunderschönes Mädchen zeige und sage: Ist das Mädchen nicht schön?, werden Sie sagen: Es ist sehr schön, ihr Lächeln ist bezaubernd, und eigentlich möchte ich es gern kennenlernen. Überhaupt liebe ich es.

Der HiFi-Experte würde in einem solchen Fall ganz anders reagieren. Er würde sagen: Ich bin nicht ganz sicher - Kann ich es mit nach Hause nehmen und mit dem Standard-Modell vergleichen, das ich habe? Denn das ist anerkanntermaßen ein Maßstab für Schönheit. Ist diese Betrachtungsweise nicht lächerlich? Die quantitative Beurteilung einer Sache, wie sie in HiFi-Dingen üblich ist, würde als total absurd in jeder anderen Art künstlerischer Rezeption betrachtet werden. Klangqualität, die man hört, ist alles.

Diese Interview wurde von Franz Schöler im Herbst 1976 aufgenommen

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