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FUNKSCHAU 1948 / Heft 9

FUNKSCHAU 1948 - Heft 9 / Seite 90

Interessante historische Artikel aus der Nachkriegs-FUNKSCHAU aus der Zeit, als diese Technik aktuell war.
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Titel : "Der piezoelektrische Effekt"

"Seignettesalz-Kristalle und deren Anwendung"
(Allgemeines über die Piezoelektrizität des Seignettesalz-Kristalls) von Paul Beerwald (im Sommer 1948).
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Eine Entdeckung der Brüder P. und J. Curie im Jahre 1880

Die Eigenschaft einiger Kristalle, bei ihrer mechanischen Verformung elektrische Ladungen aufzuweisen, ist von den Brüdern P. und J. Curie im Jahre 1880 entdeckt und als piezoelektrischer Effekt bezeichnet worden.

P. und J. Curie haben sehr viele Kristallarten untersucht und auch bei vielen den piezoelektrischen Effekt festgestellt. In der Technik werden fast ausschließlich Quarz und Seignettesalz verwendet. Quarz ist ein in der Natur sehr oft vorkommender Kristall.

Die für technische Zwecke brauchbaren Quarzkristalle werden fast nur aus Brasilien eingeführt. Seignettesalz ist ein künstlich gezüchteter Kristall - Kalium-Natrium-Tartrat *1).

  • *1) In der englischen und amerikanischen Literatur trägt das Seignettesalz den Namen Rochellesalz, genannt nach dem Ort der Erfindung : La Rochelle.

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Die Vorteile des Quarzes

Zu den Vorteilen des Quarzes gehört seine verhältnismäßig kleine Temperaturabhängigkeit. Er hat sich in der Hochfrequenztechnik als Stabilisator der Senderfrequenz eingeführt. Seignettesalz dagegen ist wegen seiner größten piezoelektrischen Wirkung der piezoelektrische Kristall der Elektroakustik geworden und wird mit Erfolg z. B. für Tonabnehmer, Mikrofone, Hochton- lautsprecher verwendet.

Ein Kristall unterscheidet sich von anderen Körpern dadurch, daß seine physikalischen Eigenschaften in verschiedenen Richtungen unterschiedlich sind. Dieses bezieht sich nicht nur auf mechanische Eigenschaften, wie z. B. bei Glimmer, der sich in einer Richtung vorzüglich spalten läßt, in anderen aber nicht, sondern auch auf die elektrischen Eigenschaften.

Die Achsen des Seignette-Salzkristalls

Bild 1. Schematische Darstellung eines Kristall-Tonabnehmers

Um über die verschiedenen Richtungen in einem Kristall zu sprechen, denkt man sich durch jeden Kristall ein Achsensystem gelegt und bezieht auf dieses System alle Richtungsangaben. Auf Bild 1 ist ein Seignette-Salzkristall dargestellt mit dem zu ihm gehörenden Achsensystem, bestehend aus drei senkrecht zueinander stehenden Achsen a, b und c. Diese Achsen behält auch ein aus dem Kristall herausgeschnittenes Stück bei.
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Bild 2. Ein Seignettesalz-Kristall mit dem zu ihm gehörenden Achsensystem

Für technische Zwecke werden fast ausschließlich in einer bestimmten Richtung aus dem Kristall ausgeschnittene Platten verwendet, bei Seignettesalz solche, bei denen die Achse a senkrecht zur Plattenebene verläuft.

In dieser Richtung ist der piezoelektrische Effekt bedeutend größer als in anderen Richtungen, d. h. die Ladungen auf den Flächen der Platte sind die größten. Für die Abnahme der Ladungen wird die Platte auf ihren Flächen mit Elektroden, z. B. Belegen aus Metallfolie, versehen, zu denen aus dünner Folie bestehende (meistens aus Silber) Kontaktfahnen führen.

Durch die Kontaktfahnen werden die Spannungen zugeführt bzw. abgeführt. Zur Erzielung der größten Ladungen muß die Platte in der Richtung der Winkelhalbierenden des zwischen den Achsen b und c eingeschlossenen Winkels gedrückt bzw. gezogen werden (siehe Bild 2).

Solange Druck oder Zug "wirken"

Bild 3. Eine aus dem Seignettesalz-Kristall ausgeschnittene Platte

Die elektrischen Ladungen bleiben bestehen, so lange der Druck bzw. Zug wirkt, falls sie sich nicht durch den äußeren Stromkreis oder durch eine schlechte Isolation ausgleichen. Die Änderung der Richtung der Kraft (Druck auf Zug) hat als Folge die Änderung der Vorzeichen der Ladungen auf den Plattenseiten.

Der direkte piezoelektrische Effekt

Wenn also die Platte mit einer bestimmten Frequenz abwechselnd gedrückt und gezogen wird, entstehen auf den Plattenbelegen Ladungen, die In einem äußeren Stromkreis Wechselstrom von derselben Frequenz erzeugen. Die Entstehung von Ladungen als Folge von ausgeübtem Druck oder Zug (Dehnung) nennt man direkter piezoelektrischer Effekt.

Der reziproke piezoelektrische Effekt

Das Anlegen einer elektrischen Spannung an die Beläge der beschriebenen Platte bewirkt je nach dem Vorzeichen der Spannung eine Dehnung oder eine Zusammenziehung der Platte in der Richtung 45 Grad zu den Achsen b und c. Da diese Erscheinung eine Umkehrung des direkten piezoelektrischen Effektes ist, nennt man sie reziproker piezoelektrischer Effekt.

Piezoelektrische Biegungselemente

Für praktische Zwecke werden meistens statt einzelner Seignettesalzplatten aus zwei Platten zusammengekittete Biegungselemente verwendet. Das Biegungselement ist auch von den Brüdern Curie erfunden worden und besitzt gegenüber der Einzelplatte, besonders für die Anwendung in elektroakustischen Geräten, eine Reihe verschiedener Vorteile.

Im Biegungselement sind die Platten kristallographisch so orientiert, daß bei einer angelegten Spannung die eine Platte sich ausdehnt und die andere sich zusammenzieht, wodurch eine Verbiegung des Elementes zustande kommt (reziproker Effekt).

Spannung erzeugen durch "Verbiegen"

Um elektrische Spannungen von dem Biegungselement zu bekommen, muß es verbogen werden (direkter Effekt). Gegenüber der Einzelplatte hat ein solches System den Vorteil, daß die benötigten Kräfte geringer sind, dafür aber der Weg größer. Dieses Verhältnis ist bei Anwendung des Kristalls in elektroakustischen Geräten günstiger als das bei der Einzelplatte, da in der Elektroakustik meistens nur sehr kleine Kräfte zur Verfügung stehen; die Weglängen sind jedoch, im Vergleich mit dem Schwingungsweg der Einzelplatte, verhältnismäßig groß.

Die Dielektrizitätskonstante des Seignettesalzkristalls in der a Richtung ist sehr hoch und hat einen Wert von etwa 750. Da im Biegungselement die beiden Platten elektrisch parallel verbunden sind, addieren sich ihre Kapazitäten.

Zwei Typen von Biegungselementen

3a) Biegungsstreifen
3b) Sattelbieger

Nach der Art der auszuübenden Schwingungen unterscheidet man zwei Typen von Biegungselementen: Biegungsstreifen und Sattelbieger. Der Biegungsstreifen, der oft eine Trapezform besitzt, ist schematisch auf dem Bild 3a dargestellt, der Sattelbieger auf dem Bild 3b. Der Unterschied in der kristallographischen Orientierung ist aus der Zeichnung zu ersehen, ebenso die Form der Biegung.

Der Biegungsstreifen verbiegt sich bei einer angelegten Spannung ähnlich einem Bimetallstreifen, d. h. wenn er an einem Ende fest gelagert, z. B. geklemmt ist, beschreibt das gegenüberliegende Ende einen Bogen. Die Biegungsstreifen werden praktisch auch so, d. h. an einem Ende, gelagert. Ein Biegungsstreifen verbiegt sich also bei angelegter Spannung und liefert eine Spannung, wenn er verbogen wird.

Der Sattelbieger

Der Sattelbieger ist quadratisch und führt eine Schwingung aus bei welcher sich zwei diagonal gegenüberliegende Ecken in einer Richtung und die zwei anderen Ecken in entgegengesetzter Richtung bewegen, d. h. daß die Diagonalen des quadratischen Elementes sich gleichzeitig in entgegengesetzten Richtungen verbiegen, wodurch das Element die Form eines Sattels annimmt.

Ein Sattelbieger verbiegt sich also sattelförmig beim Anlegen einer Spannung und liefert eine Spannung, wenn er sattelförmig gebogen wird. Wegen der anderen Schwingungsform eines Sattelbiegers im Vergleich mit dem Biegungsstreifen muß er auch anders gelagert werden, üblicherweise werden die Sattelbieger entweder an drei oder an zwei diagonal gegenüberliegenden Ecken gelagert.

Zur genaueren Betrachtung der Lagerung der Bieger kommen wir bei der Besprechung ihrer Anwendung in den einzelnen Geräten.

Der Torsionsbieger

Sehr ähnlich dem Sattelbieqer ist der Torsionsbieger. Er ist seiner kristalloqraphischen Orientierung nach dem Sattelbieqer gleich, jedoch ist die Plattenform eines Torsionsbiegers meistens ein langgestrecktes Rechteck, wodurch die sattelförmige Verbiegunq nicht so auffallend ist wie beim quadratischen Sattelbieger. Bei einer angelegten Spannung verdreht sich ein solches Element oder es liefert beim mechanischen Verdrehen eine Spannunq.

Ein Torsionsbieger wird auf der schmalen Seite des Rechteckes gelagert. Wie wir weiter sehen werden, haben alle drei Typen von Biegern in elektroakustischen Geräten eine Verwendung gefunden, und die Wahl des Typs ist nur durch die Konstruktion des Gerätes bedingt.
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Piezoelektrische Tonabnehmer / Kristalltonabnehmer

Zu den ersten elektroakustischen Geräten, in denen der piezoelektrische Effekt verwendet worden ist, gehört der piezoelektrische Tonabnehmer, der Einfachheit halber meistens Kristalltonabnehmer genannt.

Die ersten Kristalltonabnehmer erschienen vor etwa 14 bis 15 Jahren in den USA und fanden wegen ihrer Vorteile gegenüber dem magnetischen System sehr bald große Verbreitung.

Einige Jahre später wurden sie in den europäischen Ländern hergestellt und seit etwa 11 Jahren auch von einigen deutschen Firmen. Bei den meisten Tonabnehmersystemen wird ein Biegungsstreifen verwendet, seltener ein Torsionsbieger.

Der Biegungsstreifen

Die Biegungsstreifen besitzen in fast allen Fällen eine Trapezform (ähnlich der auf dem Bild 3a). Die Höhe des Trapezes ist etwa 17 bis 20 mm. An der breiten Parallel-Seite ist ein solches Kristall-Element zwischen zwei Stückchen aus einem dämpfenden Material wie Gummi, Filz, Kork gelagert (eingeklemmt); an der schmalen Seite ist der als zweiarmiger Hebel ausgebildete Nadelhalter aus Leichtmetall angebracht.

Das eine Ende des Nadelhalters ist gabelförmig ausgebildet; das Kristallelement wird mit einer Gummizwischenlage in die Gabel eingeklemmt.

Die Preßstoffkapsel (Patrone) - (der Abtaster)

Bild 4. Frequenzkurve eines Kristall-Tonabnehmers bei verschiedenen Belastungswiderständen

Das ganze System ist in einer Preßstoffkapsel (Patrone) untergebracht. Die Achse des Nadelhalters ist mit Gummizwischenlagen in der Kapsel befestigt. Bei den meisten Tonabnehmern ist die Patrone auswechselbar im Tonarm eingebaut.

Die Schwingungen der an dem einen Ende des zweiarmigen Hebels befestigten Nadel verbiegen das Kristallelement, wodurch auf seinen Plattenbelegen elektrische Wechselspannungen derselben Frequenz auftreten, die durch die Kontaktfahnen an die zum Verstärker führende Leitung übertragen werden (Bild 4).

Im Mittel werden 1 Volt "erzeugt"

Ein Kristalltonabnehmer gibt beim Abspielen einer normalen Schallplatte (gemeint ist die 78er Schellackplatte) Durchschnittsspannungen von etwa 1 Volt, wobei bei den tiefen Frequenzen Spannungen bis etwa 5 Volt und mehr entstehen. Der Anstieg der tiefen Frequenzen ist beim Abspielen einer Schallplatte sehr günstig, da er die absichtliche Unterdrückung der tiefen Frequenzen bei der Aufnahme korrigiert *2).

  • 2*) Bei der Aufnahme der Schallplatten werden die tiefen Frequenzen (bis 250 Hz) wegen der Gefahr des Überschneidens der benachbarten Rillen durch die großen Amplituden der tiefen Frequenzen absichtlich unterdrückt.


Die Amplituden, mit denen der Biegungsstreifen verformt werden muß, um die nötigen Spannungen zu liefern, betragen einen Bruchteil der auf der Schallplatte aufgezeichneten Amplituden. Der größte Teil der Schwingung wird durch das Dämpfungsmaterial, in dem der Kristall gelagert ist, aufgefangen. Dieselben Lagerungsstückchen dienen gleichzeitig als Dämpfung der Eigenresonanz des Kristallelementes, die im Hörbereich liegt und sich beim Abspielen durch Bevorzugung bestimmter Frequenzen unangenehm merkbar machen würde. Um das Kristallelement vor Bruchgefahr zu schützen (z. B. beim Einsetzen der Nadel), werden die Auslenkungen des Nadelhalters durch zwei Anschläge begrenzt.

Ratschläge für den Aufbau und Gebrauch des Abtasters

Zum Abschluß unserer kurzen Beschreibung der Konstruktion geben wir einige wichtige Ratschläge für den Aufbau und Gebrauch eines Kristalltonabnehmers.

Auf dem deutschen Nachkriegsmarkt sind bereits Tonabnehmerpatronen erschienen, und es ist dem Bastler oder dem Radiotechniker überlassen, das übrige selber herzustellen.

Der Tonarm kann aus beliebigem Material hergestellt werden (Metall, Holz, Preßstoff u. dgl.). Zum Vermeiden des Brummens muß die Leitung bis zum Verstärkereingang (Empfängereingang) mit geerdeter Abschirmung versehen sein.

Anmerkung : Das ist jetzt sehr weit her geholt. Für die alten 78er Systeme mag das gelten, auf modernere micorgroove Abtataster ist as nicht zu übertragen.
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Bild 5. Tonabnehmer-Patrone vom Grawor (1940). Technische Werte des trapez- förmigen Biegers: Abmessungen 19 x 13 x 7mm ; C = 2000 ... 30000 pF; Dicke des Biegers 1.3 +0,1mm, Lagerungsmaterial: Filz

Das Ende des Tonarms, an dem die Patrone eingebaut wird, muß genügend schwer sein. Dieses Gewicht kann durch eine Feder oder durch ein Gegengewicht so kompensiert werden, daß der Druck der Nadel auf die Platte etwa 60 !! bis 70 !! Gramm beträgt.

Bei den hohen Spannungen, die der Kristalltonabnehmer liefert, muß meistens ein Lautstärkeregler verwendet werden. Um die Anhebung der tiefen Frequenzen, die der Kristalltonabnehmer besitzt, zur Geltung zu bringen, muß der Widerstand des Potentiometers möglichst hoch gehalten werden, jedenfalls soll er 0,5 Megohm nicht unterschreiten.

Das gleiche gilt auch für den Wert des Gitterableitwiderstandes, wenn der Tonabnehmer direkt an Gitter-Katode einer Röhre angeschlossen wird. Die Kurve auf dem Bild 5 zeigt die Abhängigkeit der abgegebenen Spannung des Tonabnehmers von der Größe des Belastungswiderstandes.

Piezoelektrische Mikrofone

Bild 6. Schematische Darstellung eines piezoelektrischen, zweiseitig arbeitenden Membranmikrofons mit einem Sattelbieger

Die Wirkung der piezoelektrischen Mikrofone beruht ebenso wie die des Tonabnehmers auf der Anwendung des direkten piezoelektrischen Effektes, d. h. der Kristall dient in beiden Fällen zur Umformung mechanischer (bzw. akustischer) Schwingungen in elektrische. Da es in der Natur des Kristalles liegt, die mechanischen Amplituden naturgetreu in elektrische umzuformen, können dabei keine sogenannten nichtlinearen Verzerrungen entstehen.

Eine andere Art von Verzerrungen bilden die linearen oder Frequenz-Verzerrungen, welche zustande kommen, wenn das umformende System nicht für alle vorkommenden Frequenzen gleich empfindlich ist, d. h. wenn bestimmte Frequenzen stärker wiedergegeben oder bevorzugt werden.

Die Eigenresonanz des Kristallelements

Das Kristallelement hat wie jedes schwingende System eine Eigenresonanz, und wenn die umzuformende Frequenz der Resonanzfrequenz gleich ist (oder in der Nähe der Resonanzfrequenz liegt), so wird sie stärker übertragen als die anderen Frequenzen.

Zur Vermeidung der Frequenzverzerrungen gibt es zwei Möglichkeiten: entweder dämpft man die Resonanzfrequenz, wenn sie im Hörbereich liegt, mit verschiedenen Dämpfungsmitteln, so daß sie wenig zum Vorschein kommt (wie es beim Tonabnehmer durch die Lagerung des Kristalls der Fall ist), oder man verlegt die Eigenfrequenz des Kristallsystems in den Bereich der höchsten hörbaren Frequenzen, daß sie kaum störend wirken kann oder, was noch besser ist, in den Bereich der hohen Frequenzen, der außerhalb des hörbaren Bereiches liegt.

Leider ist es nicht zu vermeiden, daß dabei die Empfindlichkeit des Mikrofons fällt. Jedoch werden solche hochwertigen Mikrofone in den Fällen der höchsten Anforderungen den anderen vorgezoqen, da bei dem jetzigen Stand der Verstärkertechnik durch entsprechende Verstärkung die geringere Empfindlichkeit des Mikrofons ohne besonderen Aufwand kompensiert werden kann.

Zwei grundsätzlich verschiedene Gruppen

Ihrer Arbeitsweise nach können die Kristallmikrofone in zwei grundsätzlich verschiedene Gruppen unterteilt werden : in Membran- und Klangzellen- Mikrofone. Das Kennzeichen der ersteren ist eine aus Papier oder aus dünnem, leichten Metall hergestellte Konusmembran, die zur Aufnahme der akustischen Schwingungen dient.

Durch ein Verbindungsstück (z. B. aus Aluminium) werden die Schwingungen der Membran einem Biegunqselement übertraqen, das diese mechanischen Schwingungen in elektrische Stöme umformt. Die Eiqenresonanz eines solchen Systems, bestehend aus Membran. Verbindungsstück und Kristall, liegt im Hörbereich und muß, um ihre störende Wirkung zu unterdrücken, gedämpft werden.

Die Kristallelemente eines Membranmikrofons

Als Kristallelemente für ein Membranmikrofon kommen sowohl Biegunqsstreifen als auch Sattelbieger in Fraqe. Schematisch sind solche Konstruktionen auf den Bildern 6 und 7 dargestellt.

Die zweite Gruppe der piezoelektrischen Mikrofone bilden die Klangzellen-Mikrofone (auch Kristallzellen-Mikrofone genannt). Bei den meisten Mikrofonen dieser Gruppe wirkt das Kristallelement selbst als Membran, d. h. die auffallenden akustischen Schwingungen werden direkt vom Biegungselement aufgefangen und in elektrische Schwingungen umgeformt.

Da in diesem Fall sowohl die Membran, als auch die meisten Verbindungsteile fehlen und die Masse des schwingenden Systems in der Hauptsache nur aus dem Kristallelement besteht, liegt die Eigenfrequenz bedeutend höher, was, wie bereits erwähnt, Voraussetzung zur Vermeidung der Frequenzverzerrungen ist.

Beispiel einer Klangzelle

Bild 8. Klangzelle mit zwei Sattelbiegern

Eine Klangzelle dieser Art ist im Bild 8 dargestellt: in einem Rähmchen aus Isoliermaterial sind zwei Sattelbieger untergebracht, die an zwei diagonal gegenüberliegenden Ecken durch Zwischenstücke verbunden sind. Das Rähmchen ist mit dünnem Papier beklebt, wodurch ein abgeschlossenes Gehäuse gebildet wird. An das Papier sind auch die äußeren Flächen beider Sattelbieger angekittet.

Das Kristallsystem ist also am Papier aufgehängt. Die auf jede Seite herausgeführten Kontaktfahnen beider Bieger sind miteinander verbunden. Nun sind die Sattelbieger so orientiert, daß bei einem äußeren Druck auf beide Bieger an den verbundenen Kontaktfahnen Spannungen gleichen Vorzeichens entstehen.

Da die Schallschwingungen auf beide Seiten der Klangzelle gleichzeitig wirken (in gleicher Phase), addieren sich die Spannungen der Bieger. Es werden auch Klangzellen anderer Arten verwendet, die aus einem oder zwei Biegern bestehen und sowohl einseitig als auch zweiseitig empfindlich sind.

In die Klangzellen-Mikrofone werden oft mehrere Klangzellen eingebaut, wobei durch die Art des Schaltens die Eigenkapazität und die Empfindlichkeit des Mikrofons vergrößert werden kann. Außerdem werden dadurch die kleinen Ungleichmäßigkeiten in dem Verlauf der Frequenzkurven einzelner Klangzeflen ausgeglichen, wodurch ein gutes Kristallzellenmikrofon den höchsten Ansprüchen entsprechen kann.

Keine praktisch merkliche Richtwirkung

Da die Kristallzellenmikrofone meistens von geringen Abmessungen sind, ist ihre Richtwirkungskurve bis auf die höchsten Frequenzen kugelförmig, d. h. daß ein solches Mikrofon sogar bei den höchsten akustischen Frequenzen keine praktisch merkliche Richtwirkung besitzt. Wegen seiner vorzüglichen akustischen Eigenschaften : kleine Abmessungen, geringes Gewicht, Wirkung ohne fremde Stromquelle, hat das Kristallzellenmikrofon in den letzten Jahren große Verbreitung gefunden.

Die richtige Anpassung eines Kristallmikrofons an den Verstärkereingang spielt ebenso wie bei dem Kristalltonabnehmer eine entscheidende Rolle: der Eingangswiderstand des Verstärkers muß möglichst hoch gehalten werden, damit die tiefen Frequenzen nicht benachteiligt werden.

Körperschall-Geräte

Auf der Anwendung des direkten piezoelektrischen Effektes beruht auch die Wirkung der sogenannten Körperschallgeräte, d.h. solcher Geräte, in welchen dem Kristall die Schwingungen auf rein mechanischem Wege zugeführt werden. Zu solchen Geräten gehört z. B. das Kehlkopfmikrofon, welches gegenüber akustischen Schwingungen fast unempfindlich ist und die Schwingungen des unmittelbar anliegenden Kehlkopfes gut überträgt. Es ermöglicht dadurch die Übertragung der Sprache bei umgebenden starken Geräuschen, wie z. B. aus Maschinenräumen, Flugzeugen usw.

Ein ähnlich wirkendes Gerät istdas Herzschallmikrofon, das zur Untersuchung der Herztöne dient und unmittelbar auf den Körper des Zuuntersuchenden aufgelegt wird.

Auf die verschiedenen Möglichkeiten der Anwendung ähnlicher Körperschallgeräte zur Untersuchung mechanischer Schwingungen in der Technik (z. B. Erschütterunqs- Messer) einzugehen, erlaubt der Rahmen dieses Aufsatzes nicht.

Der reziproke piezoelektrische Effekt

Der reziproke piezoelektrische Effekt hat auch in der Technik Anwendung gefunden. Auf seiner Wirkung beruht z. B. die Wirkungsweise des Kristall-Kopfhörers. Letzterer besitzt eine Konstruktion, die im Prinzip der eines Membranmikrofons sehr ähnlich ist. Dem Kristallelement werden elektrische Schwingungen zugeführt, wodurch es in mechanische Schwingungen derselben Frequenz versetzt wird und die mit ihm verbundene Membran strahlt die akustischen Schwingungen aus. Der Kristallkopfhörer zeichnet sich durch geringes Gewicht aus und kann mit Erfolg überall dort verwendet werden, wo es auf besonders gute Wiedergabe höherer Frequenzen ankommt.

Der piezoelektrische Lautsprecher

Zu den auf ähnlichem Prinzip aufgebauten Geraten gehört der piezoelektrische Lautsprecher. Im Handel ist bis heute noch kein piezoelektrischer Lautsprecher erhältlich, der für den gesamten Hörbereich zu gebrauchen wäre, obwohl die in Laboratorien durchgeführten Versuche zu der Hoffnung berechtigen, daß ein solcher Lautsprecher einmal doch verwirklicht wird.

Im Gebrauch befinden sich vorläufiq nur piezoelektrische Lautsprecher, die für die Wiedergabe hoher Tonfrequenzen bestimmt sind und gleichzeitig mit einem Tief- bzw. Mitteltonlautsprecher zu benutzen sind, die sogenannten Hochtonlautsprecher.

Es existieren verschiedene Arten von solchen Lautsprechern, die sowohl als Membran- als auch als Trichterlautsprecher ausgebildet sind. Als Beispiel erwähnen wir eine Konstruktion mit einer Papiermembran, die mit einer Ecke eines quadratischen Sattelbiegers verbunden ist; die anderen drei Ecken sind fest gelagert. Der Lautsprecher gibt von etwa 6000 bis 7000 Hz aufwärts die hohen Frequenzen mit genügender Schalleistung wieder.

Eine originelle Konstruktion

Bild 9. Hochton-Kristall-Lautsprecher mit zwei in Gegentakt arbeitenden Biegungsstreifen
Bild 10. Schematische Darstellung eines piezoelektrischen Membranmikrofons mit einem Biegnngstreifen

Eine originelle Konstruktion stellt ein Hochtonlautsprecher (DRP. Nr. 702 400) dar, bei dem zwei in Gegentakt arbeitende Biegungselemente mit Hilfe eines Hebels auf eine Membran wirken.

Das System ist schematisch auf der Zeichnung (Bild 9) dargestellt und seine Wirkungsweise ist leicht zu verstehen. Da die beiden Biegungselemente gleichzeitig in entgegengesetzten Richtungen schwingen, bildet sich auf der die Elemente verbindenden Strecke automatisch ein Drehpunkt des Hebels, der das praktisch schwer durchführbare Problem eines Hebeldrehpunktes für die kleinen Amplituden löst. Die Hochtonlautsprecher werden parallel zum Tieftonlautsprecher geschaltet, und da der Verlauf der Widerstandskurve des kapazitiv wirkenden Kristallautsprechers das Gegenteil eines dynamischen Lautsprechers darstellt *3), wird die Ausgangsleistung des Verstärkers besser ausgenutzt.

  • *3) Der kapazitive Widerstand des Kristall-Lautsprechers fällt und der induktive Widerstand des dynamischen Lautsprechers steigt mit der Erhöhung der Frequenz.

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Abschluß und Ausklang

Zum Abschluß unserer kurzen Übersicht der piezoelektrischen Geräte erwähnen wir noch den nach dem Kriege besonders aktuellen Knochenleitungshörer, der Menschen mit zerstörten Gehörorganen die Möglichkeit gibt, Schallschwingungen wahrzunehmen, welche direkt auf den Schädelknochen übertragen werden.

Ein Knochenleitungshörer ist im Prinzip die Umkehrung eines Körperschallgerätes: einem Kristall werden Schallschwingungen von einem kleinen tragbaren Verstärker zugeführt und durch ein als Stempel ausgebildetes Teil auf den Knochen hinter dem Ohr oder an der Schläfe übertragen.

Der piezoelektrische Effekt, der erst vor wenigen Jahrzehnten als ein physikalisches Phänomen das Interesse der Wissenschaft erweckte, hat in den letzten Jahren nicht nur in der Elektroakustik, sondern auch auf anderen Gebieten der Technik praktische Anwendung gefunden. Die Zukunft wird zeigen, auf welchen Gebieten er der Technik progressiv dienen wird.

Paul Beerwald (im Frühjahr 1948)
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