Die Vor-Vor-Verstärker und die passiven Übertrager in 1982
Nachdem ich beim jahrgangsweisen Durchblättern der Hochglanz-Magazine jede Menge Unsinn bzw. redaktionellen Müll erblickt bzw. gelesen hatte, ist es mir um so wichtiger, die wenigen fundierten Artikel herauszustellen und hier aufzuführen. Einer dieser Artikel stammt aus der stereoplay Februar 1982 und der wurde von jungen Fachhochschulabsolventen oder Hochschulabsolventen akribisch meßtechnisch durchgezogen. An der Formulierung einzelner Sätze wäre noch etwas zu "feilen" oder aufzuhübschen bzw. besser und verständlicher zu erklären, doch in der Gesamtheit ist die Aussage fundiert - sehr erfreulich.
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stereoplay 2/1980 - Großer Vergleichstest
"Wettkampf der Winzlinge" (Teil 1)
Vor-Vorverstärker und Übertrager können den Klang einer Anlage entscheidend beeinflussen, stereoplay testete in einem aufwendigen Vergleich 15 Vertreter dieser Gattung. Der teuerste kostet 1000 Mark, der billigste nur 150 Mark.
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"Moving Coil"-Systeme - besser als ihre magnetischen Kollegen.
Für Enthusiasten, die auch das letzte Quentchen aus ihren Platten herausholen wollen, ist die Sache klar. Dynamische Tonabnehmer - auch unter der vornehmeren Bezeichnung "Moving Coil"-Systeme bekannt - klingen in aller Regel durchsichtiger, detailgetreuer und angenehmer, mit einem Wort: besser als ihre magnetischen Kollegen.
- Anmerkung : Da hat sich "jemand" (Heinrich Sauer) mit dieser Aussage sehr weit aus dem Fenster gelehnt. Das ist genauso pauschalisiert und falsch (und auch dumm) wie "Röhrenverstärker klingen immer oder sowieso besser als Transistorverstärker", eine ebenfalls ziemlich dumme Aussage.
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Doch keine Medaille ohne Kehrseite. Bei den Moving Coil-Systemen zeigt sich die Kerhseite in der Regel in Form einer winzigen Ausgangsspannung. In extremen Fällen ist sie hundertmal kleiner als bei einem "ordentlichen" ?? Magnetsystem.
Sollen sich die anerkannten Vorteile eines solchen Schwächlings an einem normalen Phonoeingang voll entfalten, muß also zur Anpassung meist ein Verstärker her, der den Pegel um die benötigten ein, zwei Zehnerpotenzen anhebt.
Verstärker oder Übertrager
Diese Aufgabe übernimmt meist ein Übertrager, also ein Transformator.
- Anmerkung : Der Übertrager ist der Oberbegriff über den Transformatoren und nicht umgekehrt.
Dieses altbewährte Verfahren stellt freilich Ansprüche: Im ganzen Audio-Bereich muß der Trafo ohne nennenswerte Verzerrungen und Einbrüche im Frequenzgang arbeiten.
Da Übertrager in dieser Hinsicht nur bei sehr sorgfältiger Konstruktion und natürlich auch Fertigung wirklich befriedigend arbeiten, gesellten sich im Laufe der letzten Jahre auch richtige Verstärker zu ihnen. Im Gegensatz zum Übertrager, bei dem die Leistung am Ausgang, von geringeren Verlusten abgesehen, immer gleich der Eingangsleistung ist, gibt ein Verstärker an den Phonoeingang mehr Leistung ab, als er vom System geliefert bekommt. Er ist niederohmiger und ermöglicht längere Kabel zum Vorverstärker ohne erhöhte Gefahr einer Brummeinstreuung. Die hierzu nötige Energie zapft der Vor-Vorverstärker entweder direkt aus der Steckdose, oder er begnügt sich mit einer kleinen eingebauten Batterie.
Diese Art der Zurückhaltung hat freilich auch ihre Vorteile. Kein Transformator und kein Netzkabel, nicht einmal die Schutzerde kann durch die Hintertür über eine Brummschleife zu lästigem Brummen führen. Bei manchen besonders pfiffig ausgelegten Verstärkern ist die Batterie erst nach etwa 500 Stunden am Ende - zu einem Zeitpunkt, da die Anlage ohnehin schweigt. Der Abtastdiamant muß (Anmerkung : sollte) nämlich alle 500 bis 1000 Betriebsstunden überprüft werden.
- Anmerkung : Wie ich inzwischen (in 2015 und 2016) herausgefunden habe, ist das Überprüfen der Nadelrundung des Diamanten überhaupt nicht trivial und extrem aufwendig und kompliziert.
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Die Tücken der Verstärker-Methode
Doch auch die Verstärker-Methode hat ihre Tücken, denn Halbleiter verrichten ihre Arbeit nie ganz schweigsam. Je nach Aufwand bei der Konstruktion zeugt mehr oder weniger vernehmliches Rauschen von ihrer Tätigkeit. Allerdings rutscht bei Spitzengeräten der Rauschpegel in einen Bereich, in welchem er nicht mehr stört. Auch die Verzerrungen sind oft nur noch mit besonderen meßtechnischen Listen aufzuspüren (Kasten).
Da je nach System unterschiedliche Abschlußimpedanzen (Eingangswiderstand des "Vor-Vor"-verstärkers oder Übertragers) und Übertragungsfaktoren erforderlich sind, gibt es eine ganze Reihe von Geräten, die sich per Schalter einfach dem jeweiligen Fall anpassen lassen.
Mancher Insider freilich ist skeptisch. Da sich die Eigenschaften von Schalterkontakten mit der Zeit verändern können und sich dies (Anmerkung : insbesondere) bei den winzigen Spannungen drastisch auswirkt, schwören sie auf die einfacheren Versionen ohne jeden Schalter-Schnickschnack. Diese wollen allerdings sorgfältig ausgesucht sein, da sich ein Irrtum nicht durch eine einfach Schalterdrehung korrigieren läßt.
Die "Prepre"-Welle nach der "Moving Coil"-Welle
Es ist also kein Wunder, wenn nach der "Moving Coil"-Welle nun eine "Prepre"-Welle in die HiFi-Welt schwappt, die sich durch einen besonderen Artenreichtum auszeichnet.
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Accuphase C-7
Der Accuphase C-7, mit rund 1000 Mark teuerster Teilnehmer am Vergleichstest, ist zugleich einer der schwersten. Zweieinhalb Kilo bringt das stattliche Stück auf die Waage. Dabei hält sich die Ausstattung des netzbetriebenen Verstärkers in engen Grenzen. Lediglich die mit dem Netzschalter gekoppelte Umgehungsstraße (Pass) erlaubt es, zwischendurch auch mal einen Magnetabnehmer zu betreiben, ohne gleich die ganze Anlage umstöpseln zu müssen.
Audio Technica-Übertrager AT-650
Dem Spieltrieb eher entgegen kommt da der Audio Technica-Übertrager AT-650. Mit sanftem Klicken rastet der mattschimmernde Drehknopf in vier Positionen ein: Pass, drei Ohm, 20 Ohm und 40 Ohm. Beim Umschalten der Eingangsimpedanz ändert sich automatisch auch das Übersetzungsverhältnis, es sind 20, 23 oder gar 31 Dezibel (dB) zur Stelle.
Dies liegt in der Physik der Übertrager begründet. Übersetzungsverhältnis und Eingangswiderstand hängen (bei normgerechtem Anschluß an einen Vorverstärker) vom Windungsverhältnis ab. Je kleiner der Eingangswiderstand, umso höher der Übertragungsfaktor.
Audio Technica-Übertrager Signet MK 10 T
Sparsame Audio Technica-Käufer wählen den Signet MK 10 T, einen Übertrager in Form eines kleinen schwarzen Zylinders, vom Durchmesser eines Zweimark-Stücks und der Länge einer Filterzigarette. Er bietet außer den vergoldeten Steckern und Buchsen nichts, was das Auge erfreut. Nachdem es an ihm auch nichts zu schalten gibt, verschwindet er am besten irgendwo unauffällig hinter dem Plattenspieler.
Coral T-100
Bestens aufgehoben ist dort auch der ähnlich aussehende Coral T-100, der mit einem Preis von lediglich 150 Mark den Zugang zur Gilde der Moving coil-Betreiber recht leicht macht.
Dynavector DV 6 A
Eine etwas teurere Angelegenheit (700 Mark) ist der Übertrager Dynavector DV 6 A. Er ist liebevoll aus Silberdraht gewickelt und speziell für die Systeme aus dem selben Hause ausgelegt, mit welchen er auch vorzüglich harmoniert.
Fidelix LN-1
Als besonders vielseitig entpuppte sich der Fidelix LN-1, der freilich seinen Preis hat: 800 Mark sind für ihn fällig. Dafür lassen sich gleich zwei Tonabnehmer anschließen und umschalten, wobei die umschaltbare Verstärkung (26dB und 32dB) und die Pass-Stellung des mit der Batteriekontrolle kombinierten Schalters den Betrieb mit allen erdenklichen Systemen erlaubt. Über die fehlende Vergoldung der Anschlußbuchsen freilich kann selbst die goldschimmernde Frontplatte nicht hinwegtrösten.
Kenwood KHA-50
Ein recht preiswerter Verstärker ist der Kenwood KHA-50. Er bezieht seine Energie aus der Steckdose. Um die Gefahr einer Brummeinstreuung möglichst gering zu halten, spendierten ihm die findigen Kenwood-Ingenieure ein externes Netzteil, das direkt in der Steckdose Platz findet.
Lentek Audio Ltd.
Nicht einmal halb so groß und dafür fast doppelt so teuer ist der batteriebetriebene Prepreamp von Lentek Audio Ltd. im englischen Huntingdon. Die Briten verzichten weder auf Gold an den Buchsen, noch auf eine spezielle Schalterstellung zur Kontrolle der Batterie. Und daß in dem Gehäuse nur eine kleine Batterie Platz findet, stört kaum: Sie hält über 500 Stunden.
Luxman-Übertrager 8020 und 8030.
Über Batterien keine Gedanken machen müssen sich die Besitzer der Luxman-Übertrager 8020 und 8030. Beide werden mittels eines speziellen Adapters (AD 8000) an den Vorverstärker angeschlossen. Für die Übertrager ist Luxman das Beste gerade gut genug: Die Wicklung besteht aus feiner
Litze aus reinstem Silber, als Kernmaterial kommt nur eine spezielle Legierung aus Nickel, Molybdän und etwas Eisen in Frage, die aus Gründen der geforderten Reinheit im Vakuum erschmolzen wird.
Schließlich schützt eine dämpfende Silikonölfüllung den empfindlichen Kern vor harten Stößen. Solcher Aufwand hat natürlich seinen Preis: 823 Mark.
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Ortofon MCA 10
Aus dem Hause Ortofon stammt der batteriebetriebene Verstärker MCA 10. Er ist betont schlicht ausgeführt, verzichtet auf die sonst obligate Goldauflage an den Anschlußbuchsen und erlaubt keinen Betrieb von Magnetsystemen, da in der Ausschaltstellung der Verstärker nicht überbrückt wird. Dafür gibt beim MCA 10 über den Batteriezustand ein richtiges kleines Zeigerinstrument Auskunft, im Gegensatz zu den sonst üblichen stupiden Leuchtdioden.
Ortofon T-30
Ungleich edler gibt sich der T-30, gleichfalls von Ortofon. Er gefällt durch sein gediegenes Äußeres und wartet mit einem vielseitigen Schalter auf. Neben der Pass-Stellung stehen fünf praxisgerecht abgestufte Übertragungsfaktoren von 21dB bis 33dB zur Verfügung.
Auch sonst wurde nicht gespart: Neben den Anschlußbuchsen ist sogar die Erdklemme vergoldet, und selbst die Büroklammer, die das beiliegende Original-Meßblatt mit dem linealglatten Frequenzgang zusammenhält, glitzert golden. Der Preis des Glanzstücks: rund 830 Mark.
Sony HA-55
Auch Sony will in der Prepre-amp-Frage ein gewichtiges Wort mitreden. Daß der ungemein solide wirkende netzbetriebene HA-55 über drei Kilo wiegt, hat freilich andere Gründe.
Da der Netztransformator zusammen mit dem eigentlichen Verstärker in einem Gehäuse sitzt, muß er mit dicken Blechen einer speziellen Legierung sorgsam abgeschirmt werden, um Brummeinstreuungen zu vermeiden. Entgegen dem sonstigen Brauch verändert der Drehschalter, mit dem eine Anpassung an die verschiedenen Tonabnehmer-Systeme möglich ist, nicht den Verstärkungsfaktor, sondern aktiviert unterschiedliche Eingangswiderstände (3 und 40 Ohm).
Supex SDT 1000
Von Supex kommt der Übertrager SDT 1000, der, wie die Modelle vieler anderer Hersteller, speziell auf die hauseigenen Systeme abgestimmt ist. Sein Bedienungskomfort beschränkt sich auf einen Pass-Schalter, dafür scheint Supex direkt an einer Goldquelle zu sitzen. Buchsen, Erdklemme, Gehäuseschrauben und die gesamte Rückwand zeigen den teuren Glanz. Ein dicker Gummipanzer schützt alles.
Technics SU-300 MC
Technics mischt mit dem batteriebetriebenen SU-300 MC mit, der außer mit seinen vergoldeten Buchsen vor allem mit seinem Preis glänzt: Komplett ist er für ganze 178 Mark zu haben.
Thorens PPA 990
Wer sein Bücherregal als bevorzugten Übertragerplatz sieht, sollte den Thorens PPA 990 in die engere Wahl ziehen. Das recht schmal und hoch ausgefallene Gerät kann bequem zwischen zwei Büchern Platz finden, soll es hingegen neben dem Plattenspieler auf eigenen Füßen stehen, besteht auch kein Grund zur Sorge: Die passenden Füße nebst Schrauben werden mitgeliefert.
KS Electronic Übertrager
Außer Konkurrenz lief ein Übertrager der Wuppertaler Firma KS Electronic mit.
Grund: Es handelt sich um einen Prototyp, der später in einem KS-Vorverstärker eingesetzt werden soll.
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- Anmerkung : Und der DENON HA-500 ist auch nicht dabei.
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Es geht zum Messen :
Beim Meßtest belastete stereoplay die Prüflinge mit dem Norm-Widerstand von 47 Kiloohm. Ein parallelgeschalteter Kondensator von 200 Picofarad simulierte dabei die Kabel- und Schaltkapazitäten. Mit einer speziellen Schaltung wurde erreicht, daß der Innenwiderstand des Signalgenerators unter allen Bedingungen konstant 1 Ohm betrug. Dieser Wert entspricht einem typischen Moving Coil-Tonabnehmer.
Obwohl der Weg zu den Meßergebnissen wegen der winzigen Signalspannungen noch mit weiteren Schwierigkeiten (siehe Kasten) gepflastert war, kristallisierten sich allmählich überraschende Resultate heraus.
Ergebnis : jenseits von Gut und Böse
Die Klirrfaktoren lagen jenseits von Gut und Böse; selbst die beiden Ausreißer, die Prepre's von Thorens und Ortofon, erreichten noch Traumwerte.
Gewinner beim Fremdspannungsabstand war der vorzüglich abgeschirmte Dynavector-Übertrager. Ihm folgten die gleichartigen Konkurrenten; die Vor-Vorverstärker hingegen hatten samt und sonders schlechtere Fremdspannungsabstände. Freilich, auch sie liegen weit über der Grenze, die eine Beeinflussung des Klangs markiert.
Beim Rechteckverhalten hingegen gab es erhebliche Unterschiede. Alle (passiven) Übertrager ließen die Rechtecke (25 Hertz, 1000 Hertz und 20.000 Hertz) nur mehr oder weniger stark verformt passieren, die Prepres hingegen schnitten besser ab.
Die besten dieser (aktiven) Gattung beim Rechteckverhalten: der Sony, der 548 Mark kostet - und der Kenwood für 200 Mark sowie der Technics für sage und schreibe 178 Mark.
Der Wettkampf der Winzlinge verspricht also spannend zu werden - und er wird durch den Hörtest entschieden werden, der im nächsten Heft steht.
Heinrich Sauer im Dezember 1979
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Weiter geht es mit :
stereoplay 3/1980 - Großer Vergleichstest
"Wettkampf der Winzlinge" (Teil 2)
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Und jetzt die Kernfrage : Was sagen diese Bilder über den Klang aus ?
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