Die KlangBild Serie 1977 - "HiFi on the Rocks"
Der Vinyl-Nadel-Schliff (KlangBild 08/1977)
Daß die Abtastung einer ganz normalen Vinyl-Stereo-Langspielplatte eine physikalisch ganz diffizile Sache ist, hat sich in den letzten 40 Jahren herumgesprochen. Und daß diese Schallplatte bereits um 1977 für tot erklärt wurde, obwohl die CD noch nicht mal vorgestellt war, hatte auch Wellen geschlagen. Inzwischen hat die Vinyl-Schallplatte so ab 2010 nach einem gigantischen Niedergang auf beinahe 0 ein sogenanntes Revival erlebt, daß es dem Tonmeister die Schuhe auszieht und die Fußnägel rollt. Dieses Wiederaufleben einer über 100 Jahre alten Technologie hat manche Experten überascht und selbst audiophile Fachleute erstaunt. Aber da ist die Psyche der Menschen (allermeißt der Männer ???) der treibende Grund, nicht die absolute Qualität eines Schallträgers.
Die "Nadel" und die Rille bestimmen die Grenzen
In dem nachfolgenden Interview führt der Chef der Diamantschleiferei Weinz in Idar-Oberstein aus, wo die Grenzen und Schwächen dieser Abspieltechnologie liegen und daß man zwei völlig unvereinbare physikalische Tatsachen nie unter einen Hut bekommt. Sondern daß man sich da nur von beiden Seiten her einem mühsamen Kompromiß annähern kann. Dort jedenfalls gab es auch die Mikroskope, mit denen man den Feinheiten des Schliffs auf den Grund gehen konnte. Das im Vergleich primitive DUAL Nadelmikroskop war da wirklich nur für die Abteilung der Kunden-Verdummung geeignet.
Ein bißchen Werbung ist natürlich auch dabei .....
Bei der Abtastung der Schallplatte, selbst der modernsten Version von 2017, treten gewaltige Kräfte auf. Stellen Sie sich vor, sie soll(t)en mit einer Pinzette ihre Alufelgen/Reifen wechseln. Und die Physik läßt sich auch mit der Paroc-Nadel nicht überlisten. Die "Nadel" (also die Diamant-Spitze) muß statische und dynamische Kräfte aushalten und ihre Bewegung an die Sensoren weiter oben im Abtaster übertragen bzw.weiter geben. In den nachfolgenden Antworten von Dr. Weinz werden aber die Feinheiten dieser sensiblen Technik und der Tanz auf "der Schneide der Rasierklinge" ganz ganz deutlich.
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HiFi on the Rocks
Schliff - Politur - Position
Ein Interview mit Dr. Ernst A.Weinz über moderne Abtast-Diamanten
von Franz Schöler in der Augustausgabe 1977 von KlangBild
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Es geht - nur - um wenige Tausendstel Millimeter
Daß man es bei einer Plattenrille mit Modulationen in der Größenordnung von wenigen Tausendstel Millimetern zu tun hat, weiß mittlerweile auch der HiFi-„Laie". Welche komplexen Probleme die unverzerrte und zudem das Material schonende Abtastung einer solchen Rille für den Hersteller von Abtastdiamanten mit sich bringt, darüber macht er sich in den wenigsten Fällen Gedanken.
Um den Eigenschaften der Rille moderner Stereo- und Quadro-Platten Rechenschaft zu tragen, muß der von der Rille bewegte (!) Diamant eine ganze Reihe von Anforderungen bezüglich des Schliffs und der Masse, der Befestigung, der Feinheit der Politur und der Verrundung erfüllen.
In Europa gab es nur wenige Diamant-Schleifereien
Die von Dr. Ernst A. Weinz, Idar-Oberstein, aus rein mechanisch-physikalischen Überlegungen entwickelte Paroc-Nadel, die von namhaften Kritikern im In- und Ausland als die derzeit optimale Abtastnadel für hochwertige Tonabnehmer begrüßt und gefeiert wird, ist eine Weiterentwicklung auf dem Weg zum naturgetreueren Klang, die man gar nicht überschätzen kann. (Anmerkung : Das war der Wissenstand von 1977.)
Hier kommt erst mal die Weisheit der 1970er Jahre
Dieser Diamant erfüllt praktisch alle Forderungen, die der Musikliebhaber und Benutzer einer HiFi-Anlage stellen darf, der die Rillen seiner teuren Platten nicht durch billige Systeme abgehobelt sehen möchte, nämlich
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- a) extreme Reduzierung der Masse auf 0,02 Milligramm (in Worten: zwanzig Millionstel Gramm) zur Vermeidung von Torsionsschwingungen während des Abtastvorgangs
- b) exakteste Lage und Führung in der Plattenrille bezüglich der Auflagezone
- c) geringste Abtastfehler durch die parabolisch-ovale Form der Verrundung, die sich in der Praxis als problemloser erweist als der Shibata-Schliff
- d) exakte Montage auf dem Nadelträger, dadurch optimale Lage in der Rille
- e) geringstmöglicher Verschleiß von Diamant und Rille wegen der größeren Kontaktfläche, auf die die während des Abtastvorgangs auftretenden Kräfte unweigerlich einwirken
- f) impulsfestere, feinere Durchzeichnung des Klangbilds, was sich nicht nur aus der gewählten Schliff-Form, sondern auch aus der hochfeinen Politur der Fläche (800 bis 1000 Mesh) ergibt, die die Kontaktzone zur Plattenrille bildet.
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- Anmerkung : Oben der erste Satz von Herrn Schöler ist sehr ungenau und mißverständlich. "Der Diamant erfülle praktisch alle Forderungen .... usw." .... Laut Herrn Brüggemann vom Schneidstudio Brüggemann in Frankfurt hobelt der Diamant jeglicher Bauart und mit jeglichem Schliff die "hochfrequenten" Rillenkanten der Schallplatte mehr oder weniger schnell ab, egal wie vorsichtig und fachgerecht der Bediener damit umgeht. (wobei hier "hochfrequent" nichts mit echter Hochfrequenz im Megahertz-Bereich zu tun hat, es geht um die sinnbildlich maximalen 18 bis 20kHz.)
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(1) Frage Schöler:
Würden Sie uns einen kurzen Abriß der Geschichte der Abtastnadel von Edisons Phonograph bis heute geben?
Dr. Weinz:
Edison verwendete eine reine Tiefenschrift; mit der Nadel wurden Eindrücke in eine Walze gemacht. Dazu hat man eine Art Glaskugel genommen, die eine autoreifenähnliche Form aufwies, im Grunde also ein Vorläufer der elliptischen Nadel war, obwohl sie nur für reine Tiefenschrift verwendet wurde.
Nach der Erfindung des Plattenspielers benötigte man andere Nadeln, zunächst die Stahlnadel, die natürlich einem hohen Verschleiß unterworfen war. Sie schliff sich nämlich sehr schnell in die Rille ein. Man überlegte, was man an härteren Materialien verwenden könnte, und hat daraufhin Osmium ausgewählt.
Diese Osmium-Nadeln waren wirklich super für den alten Phonographen. Viele Nadeln durften nur einmal benutzt werden, weil sie nach dem ersten Gebrauch schon so angeschliffen waren, daß sie beim zweitenmal die Platte zerstört hätten. Die Nadeln nahmen nämlich die Form der Plattenrille an, wie das heute bei der Bildplatte relativ rasch auftritt. (Anmerkung : Bei welcher Bildplatte bitte ???)
Zusammen mit den leichteren Tonarmen, die später kamen, entwickelte man auch die Möglichkeit einer elektrischen Abtastung. Die erfolgte durch einen Wandler, so daß nicht mehr nur eine Membran bewegt wurde. Angesichts des geringeren Auflagegewichts konnte man noch härtere Materialien für den Abtaststift verwenden, nämlich Saphire.
Um 1949 wurden die ersten Diamantnadeln eingeführt, die als Vierkantstäbchen geschliffen wurden und an der Spitze mit einem Konus versehen wurden, damit sie in die Rille paßten.
Damit die Spitze die Rille nicht zerstörte, wurde ein Radius „angetrommelt", d. h., man bewegte den Diamanten mit Diamantpulver, Olivenöl und Bleikugeln in einer Trommel gegenseitig und rüttelte ihn, so daß die Spitze wie Steine im Fluß durch die ständige Bewegung "verrundet" wurde.
Die Diamantnadel war schon damals „orientiert", weil man sie nichtorientiert nicht schleifen konnte. Die Vierkantstäbchen konnten nur in der weichsten Richtung geschliffen werden. Die dabei gewählte „Orientierung" des Diamanten hat sich später als technologisch richtig erwiesen, obwohl sie eigentlich ein reines Zufallsprodukt war.
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(2) Frage Schöler:
Was ist eine „orientierte" Nadel?
Dr. Weinz:
Sie müssen sich vorstellen, daß ein Diamantkristall eine bestimmte Anordnung von Kohlenstoffatomen hat. Je nachdem wie die Atome zueinander angeordnet sind und wie die Bindekräfte zwischen den Atomen sind, gibt es beim Diamanten sehr harte und weiche Richtungen.
(Insgesamt ist Diamant zwar das härteste Material, das wir kennen, aber innerhalb des Diamanten gibt es halt ganz gewaltige Härteunterschiede, die man bis zu einem gewissen Grade messen kann.)
Die harten und weichen Richtungen werden vom Diamantschleifer automatisch richtig gewählt: Er kann gar nicht in der harten Richtung schleifen, denn er schleift die Diamantnadel-Spitze ja nur mit Diamant. Mit dem Diamantpulver auf der Schleifscheibe, das eine mittlere Härte besitzt, kann er nur in der weichen Richtung schleifen.
Diese weichste Richtung wäre für eine Abtastnadel ungünstig, da die Lebensdauer zwangsläufig geringer wäre. Man will, daß die Nadel möglichst lange abtastet und sich möglichst wenig während des Abspielvorgangs an der Rille verschleift. Darum „orientiert" man die Nadel so, daß die härteste Richtung parallel zur Laufrichtung der Platte liegt, also parallel zur nichtmodulierten Rille.
Bei einer starken Modulation treten Schwankungen und Winkelabweichungen bis zu 40 Grad auf, was dazu führt, daß man aus der härtesten auch in weichere Richtungen des Diamanten kommt. Statistisch ist es aber doch so, daß die härteste Richtung am meisten beansprucht wird. Durch korrekte Orientierung des Diamanten kann man also die Lebensdauer dieser Diamantspitze, an der die Rillenflanken sich entlang bewegen, beträchtlich erhöhen (s. Bild)
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(3) Frage Schöler:
Sind Taumelbewegungen des Diamanten in der Rille nicht kritisch?
Dr. Weinz:
Richtig. Es darf natürlich nicht so sein, daß der Diamant sich an irgendeinem Punkt während des Abtastvorgangs von der Rille löst, also zwischen Diamant und Rille - wie kurz auch immer - kein Kontakt mehr besteht.
(4) Frage Schöler:
Wie wurde die Abtastung weiter verfeinert?
Dr. Weinz:
Da man kein härteres Material als Diamant fand, hat man nicht nach neuen Materialien gesucht, sondern die Geometrie geändert. Ursprünglich hatte man eine sphärische Spitze, bei der die eigentliche Abtastzone die Form einer Kugel besitzt.
(Die Bezeichnung „konische Nadel" ist ein wenig irreführend; es handelt sich zwar um einen Konus, der dient aber nur dazu, die Spitze so schmal zu machen, daß sie in die Rille paßt. Die eigentliche Abtastzone ist eine Kugel, und der Kugelausschnitt ist genau in den Konus eingeblendet. Der Konus hat keine Funktion und kommt nicht mit der Platte in Berührung.)
Um die hohen Frequenzen moderner Platten besser abtasten zu können, hat man die Nadel elliptisch verschliffen, also den Querschnitt des Diamanten verringert in Richtung senkrecht zur Plattenoberfläche, damit in der Laufrichtung die hohen Frequenzen besser abgetastet werden konnten. Das war wichtig, weil im hohen Frequenzbereich Interferenzen auftreten, die für das Klangbild wichtig sind. Die einzelnen Frequenzen hört man vielleicht nicht mehr, wohl aber die Interferenzen, die zum Klangcharakter der Instrumente gehören.
(5) Frage Schöler:
Stellte die Einführung von Seitenschrift und Tiefenschrift auf Stereo-Platten neue Probleme für den Diamantschliff dar ?
Dr. Weinz:
Ja, beim Anheben des Diamanten (Anmerkung : anheben durch die Rillenmodulation) konnte es zu einem „Klemmeffekt" kommen, den man vermeiden kann, indem man die elliptische Schliff-Form wählt.
Der elliptische Diamant verläuft während des Anhebens mehr oder weniger parallel zu den Spuren, die der Schneidstichel erzeugt hat. Beschädigungen der Rille und Abtastverzerrungen sind dadurch erheblich reduziert.
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(6) Frage Schöler:
Beim Abtastvorgang „steht" ja der durch den Tonarm gehaltene Diamant an der Nadelspitze in den Rillen (besser : in "der" Rille, es gibt ja nur eine Spiral-Rille), deren Flanken sich mit unterschiedlichen "Schnelle"- Auslenkungen am Diamanten vorbei bewegen. Welche Probleme treten dabei auf ?
Dr. Weinz:
Der Diamant wird von der Rille hin und her und auf und ab bewegt. Da der Diamant eine bestimmte Masse hat, muß die Rille diese Masse beschleunigen und abbremsen. Dazu muß man bestimmte Kräfte aufwenden, die gleichermaßen auf Diamant wie Rille einwirken.
Im Extremfall können sie so groß sein, daß die Rille zerstört wird. Und sie beeinflussen natürlich auch die Lebensdauer des Diamanten. Es gibt statische Kräfte, die durch das jeweilige Auflagegewicht bedingt sind, und dynamische Kräfte, die je nach Auslenkung unterschiedlich sind.
Je stärker die Modulation und je höher die Frequenzen, um so größer sind die wirksam werdenden dynamischen Kräfte.
Dämpfung und Nadelnachgiebigkeit spielen hier eine große Rolle. Bei zu geringer Nadelnachgiebigkeit würde die Nadel bei stärker modulierten Passagen aus der Rille springen, beispielsweise bei einem lauten Paukenschlag in der Aufzeichnung.
Erhöhung des Auflagegewichts würde das vermeiden, aber auch zu einer viel höheren Belastung der Rille führen. Denn die Fläche, die einem Druck unterworfen wird, kann in ihrer ursprünglichen Form deformiert und zerstört werden.
Die Frage ist also, wie kann man den Druck pro Flächeneinheit verringern.
Ganz einfach: Indem man die Auflagefläche(n) der Abtastzone(n) vergrößert, also die einwirkenden Kräfte auf eine größere Fläche verteilt. Daraus resultierte die Nadel mit einem parabolischen Schliff. Hier wurde in einer Richtung die Auflagefläche vergrößert, in der Richtung senkrecht dazu, also in der Laufrichtung, ist sie nach wie vor klein, so daß man auch die höchsten Frequenzen abtasten kann.
Mit der größeren Auflagezone nähert man sich ideal der Form des Schneidstichels. Man kann bei diesem Schliff auch mit höherem Auflagegewicht abspielen, was für CD-4-Platten unbedingt nötig ist, da die dort aufgezeichnete Trägerfrequenz sonst dazu führen könnte, daß die Nadel aus der Rille springt.
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(7) Frage Schöler:
Warum haben wir keine Abtastnadel, die mit der Form des Schneidstichels absolut identisch ist?
Dr. Weinz:
Das wäre nur in einem Sonderfall möglich! Man könnte einen Schneidstichel herstellen und die Kanten verrunden. (Ohne eine Kantenverrundung geht es nicht, sonst würde man die Platte zerschneiden.) Dieser Schneidstichel müßte ganz exakt justiert werden, damit er in die Plattenrille reinpaßt.
Da aber die Platten auch wegen des Preßvorgangs Toleranzen aufweisen und nicht alle Platten in Geometrie und Winkeln hundertprozentig identisch geschnitten sind, würde die nächste Platte schon nicht mehr genau justiert liegen, ganz zu schweigen von Verwellungen oder Exzentrizitäten der Platte. Das heißt, man hätte die schlimmsten Probleme mit Abtastverzerrungen und Verschleifen der Rille, weil man unmöglich so geringe Toleranzen einhalten könnte, wie das nötig wäre.
(8) Frage Schöler:
Welches sind die technischen und klanglichen Vor- und Nachteile von
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- a) sphärischem Schliff,
- b) elliptischer Schliff-Form,
- c) Shibata-Nadel und
- d) dem parabol-ovalen Schliff der von Ihnen entwickelten Paroc-Nadel?
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Dr. Weinz:
Gehen wir einmal davon aus, daß alle dieselbe Masse hätten, weil sonst alle Vergleiche unsinnig wären. Dann kann man sagen, daß der sphärische Diamant wie ein mechanisches Filter wirkt; er überbrückt zum Teil die höchsten Frequenzen, die in der Rille als Modulationen eingeschnitten sind, und vollzieht dort nur noch eine Sägezahnbewegung nach, wo eigentlich ein schön geschwungener Kurvenbogen war.
Der elliptisch verschliffene Diamant wird den feinen Modulationen wesentlich besser folgen. Bei allerhöchsten Frequenzen wird er allerdings durch die Massenkräfte die Platte beschädigen. Die tastet dann auf jeden Fall die Shibata-Nadel und die parabolisch verschliffene Diamantspitze wesentlich besser und plattenschonender ab.
(9) Frage Schöler:
Bei einem Tonabnehmersystem, das erstens eine relativ geringe Nadelnachgiebigkeit (Compliance ) besitzt und zweitens mit höherem Auflagedruck gefahren werden muß, sollte man also besser keinen elliptischen Diamanten verwenden?
Dr. Weinz:
Die Nachteile liegen auf der Hand. Die geringe Compliance führt sofort zu einer Bildung von Eigenresonanzen. Wenn bei höheren Frequenzen große Amplituden auftreten, kann die Nadel aus der Rille geschleudert werden.
Durch hohe Compliance, wie sie viele Magnetsysteme aufweisen, ergibt sich andererseits nicht automatisch ein besseres, exakter und feiner durchgezeichnetes Klangbild.
Die Einschwingvorgänge werden von Compliance und Bedämpfung beeinflußt. Ein schnelleres Einschwingen kann man durch geringere Nadelnachgiebigkeit erzielen. Der Effekt ist ja von Musikinstrumenten her bekannt. Die Barock-Geige, die tiefer gestimmt war, schwingt langsamer und schwieriger an als eine moderne, höher gestimmte Geige, bei der die Saite unter einer höheren Spannung steht.
Der Entwickler eines Tonabnehmers muß also im Interesse von Diamant- und Rillenschonung einerseits und möglichst exakt durchgezeichnetem Klangbild andererseits bezüglich Compliance und Dämpfung einen optimalen Kompromiß finden.
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(10) Frage Schöler:
„Nackte" Diamantnadeln bringen erfahrungsgemäß einen glatteren Frequenzgang, besseres Klangbild und längere Lebensdauer mit sich als sogenannte metallummantelte Diamanten. Wie erklären Sie das?
Dr. Weinz:
Der Begriff „metallummantelt" ist technisch gesehen nicht korrekt. Bei dem sogenannten „bonded tip" macht man mittels eines Stahl- oder Titan-Stifts eine Verlängerung des Diamanten, spart also Rohmaterial, indem man ein kleines Diamantkügelchen mit dem Gewicht von 1/5ooo Gramm auf einen Stahlstift auflötet und dann entsprechend die Spitze schleift. Diese Nadeln haben den Nachteil eines wesentlich höheren Gewichts und damit der größeren Masse, bei einer Stahlspitze etwa 200 Mikrogramm. Bei einer „nackten" Nadel aus einem Diamant-Vierkantstäbchen liegt sie etwa bei 100 Mikrogramm.
Bei der Paroc-Nadel, bei der nur noch ein Kegel übrig ist, liegt sie bei 20 bis 30 Mikrogramm. Wer am Rohmaterial spart, will natürlich seine Kosten senken, und das dann auf Kosten des Benutzers. Was die Lebensdauer dieser aufgelöteten Diamantkügelchen betrifft, so ist sie schon deswegen gering, weil man die Kügelchen nicht orientieren, also in Richtung der größten Härte auf dem Stift auflöten kann.
Theoretisch kann man eine solche Kugel mit einem Röntgengerät ohne weiteres orientieren. Dazu müßte man die Kugel ungefähr zwölf Stunden röntgen. Wer will das bezahlen?
(11) Frage Schöler:
Wird seitens der Tonabnehmerhersteller bei Diamanten zu sehr gespart? Aus leidvoller Erfahrung weiß "man" doch, daß es beträchtliche Unterschiede bezüglich der Abtastung und der Lebensdauer eines Diamanten gibt, so daß bis heute kaum ein Hersteller verläßliche Angaben über die Lebensdauer des von ihm verwendeten Diamanten macht. Das hängt auch damit zusammen, daß der jeweils verwendete Tonarm und die Preßqualität diese Lebensdauer beeinflussen können. Aber irgendwie müßte man dem Verbraucher doch eine Mindest-Lebensdauer garantieren können, oder nicht?
Dr. Weinz:
Sicher wird zuviel gespart, weil der Hersteller eine möglichst günstige Kalkulation machen will. Er kauft große Mengen von Diamanten ein, und jede eingesparten 10 Pfennig pro Diamant summieren sich für ihn rasch. Das ist betriebswirtschaftlich gesehen verständlich, zumal heute die Preise für komplette Systeme schon sehr niedrig sind, jedenfalls die der Standard- und Mittelklasse. Die teureren orientierten Diamanten müssen zwangsläufig das Endprodukt verteuern.
(12) Frage Schöler:
Schon bei minimaler Fehlpositionierung des Diamanten, zu breitem Schliff am oberen Ende des Stäbchens, Verkantungen und erst recht mangelhaftem Einbau des Tonabnehmers in den Tonkopf des Arms treten doch mechanische und klangliche Probleme auf.
Dr. Weinz:
Sicher. Der Diamant muß so geschliffen sein und so in die Rille eintauchen, daß seine Berührzone etwa in der Hälfte der Rille zu liegen kommt, damit er nicht unten am Boden im Schmutz (Staub) rührt, wie das manchmal bei der Shibata-Nadel der Fall sein kann, und damit der nicht auf der Oberkante der Plattenrille reitet, wo dann Schneidfehler mit abgetastet werden. Die korrekte Positionierung ist eine Sache höchster Präzision.
(13) Frage Schöler:
Sind denn die Klebefläche und der Kleber, mit dem der Diamantkegel auf das Aluminium-, Beryllium- oder Bor-Stäbchen aufgelötet werden, wirklich völlig plan und gleichmäßig?
Dr. Weinz:
Eine berechtigte Frage. Die Klebefläche des Diamanten ist tatsächlich plan poliert und ganz ebenmäßig. Die Klebefläche des Röhrchens ist im allgemeinen nicht so gut, aber ausreichend bei einem Aluminiumröhrchen. Besser kann man mit einem Bor- oder Beryllium-Stäbchen arbeiten, weil die Fläche dort gefräst oder geschliffen werden kann.
Bleibt die Frage des Klebers. Er hat, auch wenn er ausgehärtet ist, eine gewisse Elastizität. Es können also zeitliche Verschiebungen zwischen dem Eingang des Signals an der Diamantspitze und dem Ausgang des Signals am Nadelträger-Ende nicht nur durch die jeweilige Geschwindigkeit der Schall-Fortpflanzung im verwendeten Nadelträger-Material (Aluminium, Beryllium, Bor usw.) auftreten, sondern auch durch die Elastizität des Klebers.
Diese Verschiebungen haben oft die Größenordnung von bis zu 1µ. Dabei handelt es sich also um eine mechanische Phasenverschiebung.
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(14) Frage Schöler:
Wäre es dann nicht optimal, den Diamanten in den Nadelträger fest einzuklemmen?
Dr. Weinz:
Das hat - in Verbindung mit dem Kleben des Diamanten - sicher seine Berechtigung, weil man damit die Phasenverschiebung vermeiden kann. Noch besser wäre ein Auflöten des Diamanten, wie das bei Nadelträgern aus Bor möglich ist. Das Löten ist allerdings sehr schwierig, denn auch das Lot hat eine bestimmte endliche Dicke wie der Klebstoff, und dadurch können unter Umständen Fehlpositionierungen auftreten.
Zur Frage der Dicke ist noch hinzuzufügen, daß der Kleber beim Aushärten an Volumen abnimmt und den Diamanten regelrecht auf die Unterlage aufschrumpft. Wenn der Kleber dünn aufgetragen wird, bekommt der Diamant einen sehr guten Kontakt zur Unterlage.
(15) Frage Schöler:
Eine wesentliche Rolle für die Lebensdauer eines Diamanten spielt doch sicher die Oberflächenpolitur seiner Auflagezone?
Dr. Weinz:
Ja, für den Diamanten aber auch für die Lebensdauer der Platte. Mit Recht wird behauptet, daß viele Platten durch die mineralischen Beimengungen, Ruß und alle möglichen Farbstoffe den Diamanten sowieso polieren würden. Das stimmt.
Wo Verschleiß ist, ist bei entsprechend feiner Korngröße der Platte auch eine Politur des Diamanten zu erwarten. Aber bis die Politur erfolgt ist, sind auch schon ein paar Platten(rillen) kaputt. Das sollte man vermeiden, indem man schon vorher eine so feine Politur anbringt, daß mit Sicherheit keine Schleif- oder Schmirgelwirkungen durch den Druck des Diamanten auf die Rille entstehen können.
(16) Frage Schöler:
Wenn man den Schliff und die Politur der Platte überläßt, ist das doch ein zufälliger und jeweils mit unterschiedlichen Ergebnissen endender Vorgang! Wie polieren Sie den Diamanten?
Dr. Weinz:
Mit Diamantpulver, weil es mit jedem anderen Material viel zu langsam ginge. Wir nehmen ein Diamantpulver von 0,25u, das mit das feinste ist, das es gibt.
Dieses Diamantpulver wird auf eine harte Trägerscheibe aufgebracht, und während diese Scheibe und der Diamant rotieren, wird die gesamte Kontaktzone säuberlich poliert.
Tonabnehmer, deren Diamanten in der Kontaktzone mit der Rille nicht sehr gut poliert sind, beschädigen auf jeden Fall immer die ersten Rillen einer Platte. Es dauert schon einige Plattenseiten, bis sich am Diamanten eine gewisse Politur zeigt. Was sich da nämlich zeigt, ist keine richtig saubere Politur, sondern gleich die Verschleißflächen.
Dieser Verschleiß nimmt zwar später ab, je größer die abgeschliffene Fläche ist, auf die sich der Druck verteilen kann. Aber der unregelmäßig verschliffene/verschlissene Diamant wird seinerseits auch brandneue Rillen einschleifen.
Mit mikroskopischen Aufnahmen haben wir festgestellt, daß immer parallel zu den Rillenwänden kleine Flächen angeschliffen sind, die eigenartigerweise nicht genau parallel zu den Rillen liegen, sondern gegeneinander keilförmig geneigt sind. Das kommt durch die Modulation.
(17) Frage Schöler:
Wie haben Sie errechnet, daß die von Ihnen entwickelte Paroc-Nadel die optimale Schliff-Form für die heute übliche mechanische Abtastung der Plattenrille ist?
Dr. Weinz:
Zunächst wollten wir mit der Paroc-Nadel eine CD-4-tüchtige Nadel schaffen. Später sahen wir, daß diese Nadel auch für Stereo-Abtastung ihre Vorteile hat. Wir gingen davon aus, daß wir eine verlängerte Auflagezone brauchen, daher die parabolische Form, daher auch das „par" im Paroc. Dann wollten wir eine ovale Form im Querschnitt senkrecht zur Nadelachse haben - daher das „o" für „oval" in der Bezeichnung Paroc.
Dann haben wir die Masse reduziert, um auch höchste Frequenzen sauber abtasten zu können. Die Trägerfrequenz von 30kHz wird bei CD-4-Platten nämlich wesentlich sauberer abgetastet, wenn man die Nadelmasse minimiert.
Das konnten wir erzielen, indem wir von der Nadel alles an überflüssiger Masse abgeschnitten haben, so daß nur noch ein Kegel übrigbleibt, der flach aufgeklebt wird, und nur ein winziger Konus, der mittels Kleber mit dem Nadelträger verbunden wird. Das reine Diamantteil wird orientiert und superfein poliert.
Zur Orientierung des Diamanten möchte ich noch etwas sagen, das ich vorher nicht erwähnt habe: Zusätzlich ist eine Orientierung zur Spaltrichtung des Diamanten gegeben! Die Paroc-Nadel ist wesentlich spaltfester und bruchunempfindlicher als jede andere Nadel, auch unempfindlich gegen Abplatzen von der Bindung. Ein Übel, das vor allem bei den „steel-bonded tips" auftritt, den sogenannten metallumhüllten Nadeln.
Die Berechnungen sind - wie in jedem Fall bei Abtastnadeln! - ein Kompromiß gewesen. Die ideale Form wäre, wie gesagt, die Imitation des Schneidstichels gewesen.
Das geht eben nicht, weil eine unheimlich exakte Montage Voraussetzung wäre und unheimlich exakte Platten, die man aber nicht kaufen kann. Deswegen mußten wir eine gewölbte Auflagezone nehmen, die so schwach gewölbt war, daß eine möglichst große Auflagezone übrigblieb.
Die schwache Wölbung, wie sie beispielsweise bei der Shibata-Nadel verwendet wird, führt dazu, daß die Nadelspitze sehr tief in die Rille hineinragt und bei einer nicht sehr gut gepflegten Platte im Schmutz des Rillengrundes herumrührt.
Also mußte die Nadelspitze gekappt werden, was zur Entwicklung der Parabolform führte, die oben eine längere Auflagezone hat und zur Spitze hin einen gewissen Freiraum, der zwischen Rillengrund und Diamantspitze bleibt.
Der kleine Radius liegt zwischen 6u und 8u wie auch bei der Shibata-Nadel
- (theoretisch wäre er 7,6u bei einer Trägerfrequenz von 30 kHz, aber bei dem gewählten Radius sind die Toleranzen genügend minimal und damit unkritisch; allerdings würde der Diamant bei einem Radius von kleiner als 6u und einem Auflagegewicht von 2,5 Pond schon die Rille einschneiden und vor allem die hohen Frequenzen, die wie Fischgräten bei CD-4-Platten aussehen, abhobeln), -
der große Radius liegt bei rund 50u und ist damit viermal so groß wie bei einer elliptischen Nadel.
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(18) Frage Schöler:
Ist die geringe Masse der Paroc-Nadel für jeden Tonabnehmer kompatibel?
Dr. Weinz:
Für die meisten hochwertigen Systeme ist sie ein eindeutiger Vorteil. Es gibt aber auch minderwertigere Systeme, bei denen eine größere Nadelmasse nötig ist. In dem Fall könnte durch extreme Reduzierung der Masse wie bei der Paroc-Nadel sogar eine Verschlechterung des Abtastvorgangs insgesamt auftreten. Für den Käufer von Billig-Tonabnehmern, deren Diamantnadeln in der Herstellung ganze 28 Pfennig kosten, habe ich die Paroc-Nadel aber auch gar nicht entwickelt.
(19) Frage Schöler:
Wie groß sind die Toleranzen bei der Fertigung der Paroc-Nadel? Bei billigen Abtastnadeln gibt es doch bekanntlich beträchtliche Exemplarstreuungen.
Dr. Weinz:
Ich möchte einen ganz bestimmten Käuferkreis ansprechen, der auf höchste Qualität bei der Abtastung und ein Maximum an Plattenschonung Wert legt. Da die Zahl der HiFi-Konsumenten, die auch bei der Wahl von Tonabnehmer und hochwertiger Nadel qualitätsbewußt denken, noch nicht so groß ist, fertige ich die Paroc-Nadel momentan in relativ kleinen Stückzahlen und mit extrem geringen Toleranzen.
Der kleine Radius liegt in der Kontaktzone zwischen 6 und 8u, der große Radius beträgt auf jeder Seite 50u mit einer Toleranz von ±5u, die Spitze ist mit 10u verrundet, um zu verhindern, daß die Spitze in den Schmutz der Plattenrille eintaucht.
Die Höhe des Abtastdiamanten beträgt 0,35mm. Das ist extrem wenig, aber zur Reduzierung der Nadelmasse nötig. Darum sollte man aber auch die Platte vor dem Abspielen gut reinigen und auch immer darauf achten, daß der Diamant sauber ist. Denn die geringe Höhe kann dazu führen, daß sich ein Schmutzpolster bildet, welches den Tonabnehmer zum Abheben bringt.
Neben der Massereduzierung hat die geringe Höhe noch einen weiteren Vorteil: Bei größerer Länge des Diamanten wäre der Abstand zwischen Diamantspitze und der Achse des Nadelträgerröhrchens natürlich größer, und dadurch treten Torsionsschwingungen auf, die das Klangbild verschlechtern würden.
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(20) Frage Schöler: (nass spielen ?)
Sind die alkoholischen Reinigungsflüssigkeiten für den Abtastdiamanten problemlos?
Dr. Weinz:
Der Diamant wird durch den Alkohol nicht angegriffen. Da der Alkohol sehr schnell verdunstet, wird der Kleber auch sehr rasch wieder so fest wie vorher. Bei der Schallplatte selber können sich durch alkoholische Reinigung gewisse Rückstände bilden, die stören.
(21) Frage Schöler:
Es gibt sehr unterschiedliche Auffassungen bezüglich der Lebensdauer eines Diamanten. Die Art der Schnellauslenkungen (Stereo-, Quadro-, Bildplatte) spielt eine Rolle, ebenso Beschleunigungen und Bremswirkungen, denen der Diamant kräftemäßig ausgesetzt ist, die Reibung zwischen Diamant und Rille und die Erhitzung während des Abtastvorgangs.
Dr. Weinz: (Kommentar zur mechanischen Bildplatte)
Sie haben im Moment alle Punkte erwähnt, die das Abtasten einer Bildplatte so schwierig machen. Die Bildplatte ist ja eine rein frequenzmodulierte Platte, wobei die Frequenz sehr hoch ist, nämlich 50 kHz. Dadurch ergibt sich eine stark reduzierte Lebensdauer des Diamanten. Die Bildplatte zeigt also alles, was man am Diamanten falsch machen kann, noch krasser.
Selbst bei einem ausgezeichneten Naturdiamanten, der noch dazu sehr gut ausgesucht und orientiert montiert ist, beträgt die Lebensdauer bei der Abtastung einer Bildplatte nur 80 Stunden, bei einem bestens ausgesuchten synthetischen Diamanten nur 40 Stunden, mit einem schlecht orientierten Diamanten sogar nur sieben oder acht Stunden.
Die Paroc-Nadel wurde ursprünglich für die Abtastung von CD-4-Platten konzipiert, zeigte aber auch bei Stereoplatten ganz gewaltige Vorteile. Wir haben über Jahre hinweg jetzt Langzeit-Tests durchgeführt, um Aufschlüsse über die Lebensdauer der Paroc-Nadel zu erhalten. Die Art der Modulation, die Masse des Tonarms, die Frage des Naß- oder Trockenabspielens, sogar die Qualität des Plattenmaterials spielen da natürlich eine Rolle.
Statistisch gesehen beträgt die Lebensdauer der Paroc-Nadel mit Sicherheit mindestens tausend Spielstunden. Bei den billigeren Diamanten dagegen streut die Lebensdauer sehr stark, da keine kristallografische Orientierung vorgegeben ist.
Sie ist weitgehend davon abhängig, wie die Diamantkugel aufgelötet wurde, in der härtesten, der weichsten oder irgendwelchen Zwischenrichtungen. Bei einer nichtorientierten Nadel sollte man nach Abspielen von 200 Plattenseiten schon einmal den Diamanten überprüfen lassen; wenn man häufig wechselt zwischen Singles und Langspielplatten, lieber noch eher.
Wenn man weiß, daß der Diamant aus einer orientierten Stäbchen-Nadel besteht, wird man nach 500 Plattenseiten noch keinen Verschleiß feststellen, bei der Paroc-Nadel wie gesagt haben wir bei Betrieb an guten Tonarmen und einem normalen „Gemisch" an Platten verschiedenster Art noch nach tausend Spielstunden keine meßbaren Verschleißerscheinungen feststellen können.
Leider sind eine Menge falsch orientierter Stäbchennadeln auf dem Markt, die diagonal eingesetzt sind, also in der weichsten Richtung, damit der Nadelhersteller möglichst viele Nadeln verkauft.
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(22) Frage Schöler:
Namhafte Hersteller warnen ausdrücklich vor Imitationen ihrer Nadelträger. Gibt es „Piraten" in diesem Geschäft?
Dr. Weinz:
Selbstverständlich. Sie stellen billige Nadelträger her oder kaufen sie und fassen billige Diamantnadeln ein. Ich würde mich als Hersteller von Tonabnehmern auch davor verwahren, daß mein System durch billige Imitationen verschlechtert wird. Wir rüsten den Tonabnehmer auf jeden Fall mit einem besseren Diamanten aus, der in der Fertigung ein Vielfaches von den in Massenproduktion hergestellten Diamanten kostet.
(23) Frage Schöler: (nochmal übers Naßfahren)
Schont Naßabspielen den Diamanten? Löst sich eventuell der Kleber bei längerem Naßfahren?
Dr. Weinz:
Sicher schont das Naßabspielen den Diamanten, denn sie haben eine Art hydrodynamische Schmierung. Die feste Reibung zwischen Diamant und Rille ist unterbunden. Die Flüssigkeitsreibung ist weniger belastend für den Diamanten.
Sie nehmen dabei aber ein nicht ganz so exaktes Impulsverhalten und eine gewisse Phasenverschiebung in Kauf. Der Diamant verliertdurch diese Form von „Aquaplaning" an Führungsgenauigkeit. Die Impulstreue wird sehr negativ beeinflußt. Bei sorgfältiger Klebung wird sich beim Naßabspielen der Kleber nicht auflösen, wenn man dem Diamanten die Möglichkeit gibt, daß der Kleber immer wieder austrocknet. Man kann also nicht pausenlos stundenlang naßfahren.
(24) Frage Schöler:
Glauben Sie, daß dieZukunft der optoelektronischen Abtastung gehört, Diamantnadeln für Tonabnehmer also einmal überflüssig werden?
Dr. Weinz:
Es klingt fast so, als würde ich pro domo sprechen, wenn ich diese Frage verneine. So schön das Konzept theoretisch auch aussehen mag, es wird mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden sein. Lichtwellen sind trägheitslos, das wäre der große Vorteil dieser Abtastung. Der große Nachteil ist die unvermeidliche Verschmutzung der Rille, die genaue Ausrichtung der Optiken, die ihrerseits recht aufwendig sein müßten, wenn man nur an die Schwierigkeiten der Bildplatte von Philips/ MCA denkt.
In jedem Fall müßte man wahrscheinlich auf eine frequenzmodulierte Aufzeichnung übergehen und die Amplitudenmodulation vergessen. Wer diese neue Art von Abtastung einführen möchte, müßte wirtschaftlich eine Alternative zu den heute vergleichsweise billigen Technologien bieten.
Technisch wären die Probleme wohl zu meistern, aber ob man die neuen Abtastsysteme zu einem Preis herstellen kann, der vom Markt akzeptiert wird, ist fraglich. Denn am Ende müßte die Schallplattenindustrie ja auch ihre ganze Software - und damit die Art der Aufzeichnung und Pressung - ändern. Ich halte das für sehr schwierig.
Franz Schöler im Herbst 1977