aus der FUNK-TECHNIK Nr. 10/1949
Lautsprecherbau bei Isophon Berlin 1949
Ein Bericht von Dr. E. N e s p e r
Bis 1949 gab es fast nur Mittelwellen-Radio - dann kam UKW
Fast nur Mittelwelle bedeutet, da war nur noch die qualitativ äquvalente Schellack-Platte. Darum achten Sie bitte beim Lesen dieses Artikels mal auf die genannten Frequenzen und Frequenbereiche, denn bei 6.000 Hertz war Schluß. Unser heutiges UKW anfänglich mit bis zu 12.500 Hz, später dann 15.000 Hz kam sehr zögerlich ab 1951/52. Und ernsthaftes Hifi (im Wohnzimmer) fing vielleicht so um 1958 an, als die ersten englischen und amerikanischen Tuner, Verstärker und Boxen zusammen mit den wenigen Edelpltatenspielern (Thorens TD 124) und der neuen 33er Vinyl Langspielplatte einlandeten. Im fonoforum vor 1960 finden Sie die ersten Testberichte über solche "Super-" Anlagen.
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Ein neuer Qualitäts-Tiefton-Orchesterlautsprecher
(von Isophon 1949 !!)
Bereits bei der Vorgängerin des Rundfunks, der älteren draht- losen Telefonie (ab 1906) wurde die Lautsprecherwiedergabe als besonders mangelhaftes Glied zwischen Aufnahmemikrofon und Wiedergabe empfunden. Die nun folgende Entwicklung der Lautwiedergabegeräte, die übrigens die Entwicklung der Elektroakustik maßgeblich beeinflußte, hat in den vergangenen 43 Jahren hinsichtlich der Schallumformer (Antrieb) und der Membran nebst deren Halterung recht verschiedenartige Wege, Formen und Ausführungen durchlaufen, wobei ständig verbesserte Materialien eine nicht unwesentliche Rolle spielten; aber eigentlich hat man trotz einiger Versuche, statische Kristall- und andere Systeme zu verwenden, doch an der magnetischen Anordnung festgehalten bzw. ist auf diese immer wieder zurückgekommen.
Frequenzbereich jetzt von 30 ... 10.000 Hz
Das anfangs schmale Frequenzband von etwa 300... 2.500 Hz konnte allmählich bis auf ungefähr 30 ... 10.000 Hz, bei alleiniger Niederfrequenzverstärkung sogar bis annähernd an die obere Hörbarkeitsgrenze von 16.000 Hz gesteigert werden. Aber hierauf allein kommt es nicht an. Man mußte versuchen, andere Störerscheinungen zu beseitigen oder wenigstens auf ein erträgliches Maß herabzudrücken.
Vor allem waren die Interferenzbereiche praktisch unschädlich zu machen, die höchst lästige Kombinations- tonbildung, die sog. Rauhigkeitsbereiche (Modulation der höheren Tonfrequenzen durch tiefe Töne) usw. Mit anderen Worten: es waren die nichtlinearen Verzerrungen herabzudrücken, aber auch die linearen Verzerrungen abzuschwächen.
Es war seit langem, wenn nicht von allem Anfang her klar, daß das gesteckte Ziel mit einem einzigen Lautsprecher mindestens so lange nicht zu erreichen war, wie die übliche magnetische Anordnung beibehalten wurde. Schon bei meinem ersten Rundfunk-Werbevortrag in Wien, April 1919, benutzte ich daher zwei verschieden bemessene Dosentelefone, auf deren Mundstücke Trichter unterschiedlicher Abmessungen aufgesetzt waren. So gewann, nachdem erst einmal einigermaßen leistungsfähige Endröhren zur Verfügung standen, der Gedanke, zwei oder mehr Lautsprecher einzusetzen, rasch an Ausbreitung: ein Wiedergabegerät für die tiefen und mittleren Tonfrequenzen und ein zweites für die höheren Töne.
Die Idee der mehrwege Lautsprecher
Nun wurde aber viel über den vorteilhaftesten Überlappungs- bereich diskutiert, der z.B. beim Kammermusikgerät von Siemens auf kaum mehr als 100 Hz bemessen wurde. In der Praxis haben sich diese und übrigens auch andere ähnliche Anordnungen nicht durchweg bewährt, da u. a. der Hochtonkonus zu wenig Energie zugeführt erhielt, um so weniger, als die Frequenzkurve des Empfangsteils bereits ab etwa 4.500 Hz eine zu geringe Dezibelzahl aufwies und daher Klirrerscheinungen kaum vermeidbar waren.
Man suchte durch besondere Einbaugestaltung der Chassis und andere Mittel das Klangbild zu verbessern, jedoch ohne nachhaltigen Erfolg, da nun einmal die hohen Tonfrequenzen, soweit sie überhaupt merklich waren, in einem Gemisch tieferliegender Töne, und Klänge untergingen. Lediglich einer der ersten deutschen Musikschränke von Staßfurt ließ einen neuen Weg vermuten, der aber in der Folgezeit nicht konsequent weiterverfolgt wurde.
Lange Zeit war Stillstand
Etwa ein Jahrzehnt waren in dieser Hinsicht die Fortschritte gering, aber bedeutsam mit Bezug auf immer leistungsfähigere Magnete (Oerstit, Alnico), die bis zu etwa 16.000 Gauß im Spalt der Schwingspule ergaben, besonders leichte nahtlose Membranen aus ständig geeigneterem Faserstoff und deren immer nachgiebiger ausgeführten Halterung, Verbesserung der Spinnen, der Schwingspule usw.
Als letzte Etappe dieser Entwicklung ist der Breitband- lautsprecher von Eckmiller (etwa 1942) anzusehen, der eine recht bemerkenswerte Tonfrequenzkurve im Bereich zwischen 30 ... 10.000 Hz aufwies. Bei diesem war in einen Tieftonkonus achsial ein Hochtonchassis eingebaut, wobei der verhältnismäßig umfangreiche und dementsprechend schwere Feldmagnet beiden gemeinsam war. Dieser, verbunden mit der nicht einfachen Montage beim Zusammenbau, bedingte verhältnismäßig erhebliche.
Der Lautsprecher mußte billiger werden
Unter Herabsetzung dieser Herstellungskosten auf ein tragbares Maß, Vereinfachung des Zusammenbaues und Vermeidung anderer Nachteile, hat Ing. Goericke von der bekannten Berliner Lautsprecherfirma „Isophon" (E. Fritz und Co.) nun auf Grund seiner Erfahrungen eine neuartige Tiefton-Hochton- Lautsprecher-Kombination geschaffen, die mit Recht die Bezeichnung „Orchester-Läutsprecher" erhalten hat, die indessen auch ein ausgezeichnetes Wiedergabegerät für Sprache darstellt, da mit ihr, selbst die hohen Formanten der Zischlaute und Konsonanten naturgetreu abgestrahlt werden.
Die Musik macht nicht der Lautsprecher alleine.
Es muß aber bereits an dieser Stelle bemerkt werden, daß seine großen Vorteile nur dann voll herauszuholen sind, wenn die sprach- und musikmodulierten Impulse bis zu den sehr hohen Tonfrequenzen hinauf vom Verstärker her auch tatsächlich mit der erforderlichen Dezibelzahl zugeführt werden. Bei Anschluß an Niederfrequenzverstärkung ist das stets der Fall.
Daher kann die Verwendung des Orchester-Lautsprechers allen Interessenten an Schallplatten- und Magnetofon-Wiedergabe empfohlen werden und selbstverständlich auch für Lichttonaufzeichnungen, wobei noch der weitere Vorteil hinzukommt, daß die Frequenzkurve im Bereich von etwa 5.000 bis 6.000 Hz eine Einsattelung (etwa 10 Dezibel) aufweist, so daß das sog. Nadelgeräusch eine Abschwächung erfährt.
Wie ein "Orchster-" Lautsprecher aufgebaut ist
Er ist aber auch, unter Verwendung der üblichen Empfänger, die einen Frequenzbereich bis zu höchstens 6.000 Hz im Ausgang aufweisen, in der Lage, seine hochqualitative Wiedergabe zu zeigen bei breit ausgesteuertem, stark einfallendem Sender, sofern dieser etwa die Qualitäten des bisherigen Berliner Senders in elektroakustischer Hinsicht aufweist. Der Aufbau des Orchester-Lautsprechers geht aus den Aufnahmen hervor.
Am Rand des großen Korbes ist durch mehrere Querrillen, sehr weich gehaltert, eine Nawi-Membran angebracht. Eine Nawi-Membran, die eine einfacherere Herstellung ergebende andere Ausführung der älteren Sektor-Membran von Wurl (Graß und Worff) darstellt, wurde gewählt, nicht nur, weil sie auch bei großen Amplituden formgetreu den zugeführten Impulsen zu folgen vermag, sondern auch, weil bei ihr die Rauhigkeitsbereiche abgeschwächt sind.
Daher kann dieser Teil der Kombination sehr hoch, und zwar bis zu etwa 10 Watt ohne merkliche Steigerung des Klirrfaktors belastet werden. Im Gegensatz zu den bisher bei hochwertigen größeren Lautsprecherchassis üblichen großen und schweren Permanentmagneten wirkt der von Isophon verwendete Alnico-Magnet beinahe zierlich. Trotzdem wird im Luftspalt eine Induktion von mehr als 10.000 Gauß erzielt.
Der Wirkungsgrad von etwa 7% im mittleren Tonfrequenzbereich liegt recht hoch. Die Wickelbreite der Antriebsspule ist geringer als die Stärke der oberen Magnetplatte bemessen, so daß auch bei großen Amplituden (Fortissimostellen) die Antriebsspule stets im homogenen Kraftlinienfeld verbleibt, wodurch zusätzlich nichtlineare Verzerrungen unterdrückt werden. Durch die gewählte Anordnung erfahren die Membran und die Antriebsspule eine vorteilhafte Dämpfung, wobei die Eigenresonanz der ersteren günstig vermindert wird.
Neu: zwei Chassis in einem
Eingeschlossen von der Tieftonmembran ist das Hochtonchassis axial eingebaut, also mit durchgehender Achse des Magneten. Letzterer hat Topfform und besteht gleichfalls aus einer Alnico-Legierung, so daß in dem engen Luftspalt von nur 0,6mm etwa 12.000 Gauß vorhanden sind. Durch ausgedehnte Versuche wurde der richtige Steigungswinkel des Hochtonkonus für den Bereich von 4.000 bis 15.000 Hz ermittelt.
Der Hochtonkonus beginnt ab 3.000 Hz wirksam zu werden, und da der Tieftonteil bis zu etwa 6.000 Hz arbeitet, ist eine Überlappung der Frequenzen von 3.000 ... 6.000 Hz vorhanden. Im Bereich von etwa 5.000 Hz sind die Schalldruckamplituden beider Membranen praktisch gleich groß. Immerhin benötigt der Hochtonkonus, wie bereits bemerkt, eine Ausgangsfrequenz, die wesentlich über 6.000 Hz liegt.
Noch in zwei anderen Maßnahmen unterscheidet sich der Orchester-Lautsprecher von früheren Konstruktionen, und zwar einmal hinsichtlich des Ausgangsübertragers, und ferner mit Bezug auf die Ankopplung des Hochton- und Tiefton- Lautsprechers.
Einige technische Finessen (in 1949 !!)
Um auch die tiefsten und höchsten Tonfrequenzen zu erfassen, war eine feste Kopplung bei tunlichst geringer Streuung von Primär- und Sekundärwicklung erforderlich. Hierzu wurde auf den Kern eine mehrfach „verschachtelte Wicklung" aufgebracht, bei besonders kräftig bemessenem Eisenquerschnitt.
Wenn der Anschluß so erfolgt, daß die Primärwicklung vom Anodengleichstrom durchflossen ist, wird der Übertrager mit Luftspalt versehen. Dann entstehen auch bei den Tiefen nur geringe Verzerrungen ohne einen merklichen Amplitudenabfall, da praktisch im gesamten Bereich die erforderliche Leerlaufinduktivität der Primärwicklung gewährleistet ist.
An Stelle der bisher üblichen Ankopplungs-Energieweiche wurde beim Orchestersystem für die Ankopplung des Tiefton- und Hochtonteils nur eine Kapazität (4uF) verwendet, um dem Tiefton noch bei Frequenzen bis zu etwa 6.000Hz hinreichend Energie für dessen Abstrahlung zuzuführen. Hierdurch wird die Abstrahlung des Hochtonteils nicht beeinträchtigt.
Es "klänge" fast schon nach Hifi
Bei Zuführung höherer und höchster Tonfrequenzen vom Verstärker ist deren Wiedergabe auch mit dem Ohr deutlich wahrnehmbar, indem die sonst kaum hörbaren hochliegenden Formanten gewisser Musikinstrumente naturgetreu abgestrahlt werden und neben großer Brillanz und Dynamik von Musikwiedergabe auch eine bisher kaum erreichte Silben- und Wortverständlichkeit erreicht wird.
Das ist auch einwandfrei aus einem der zahlreichen Schalldruckdiagramme (s. obige Abbildung) zu ersehen, welches den sehr bemerkenswerten Schalldruckverlauf für die Kombination beider Lautsprecher, die in einer Schallwand von 2 x 1m exzentrisch angeordnet waren, und wobei die Entfernung vom Aufnahmemikrofon 1m betrug, zeigt.
Die Impulsabgabe erfolgte von einem Schwebungssummer (Siemens), dessen Sprechleistung 2 Watt betrug, und der mit einem Neumannschen Dämpfungsschreiber gekuppelt war. Letzterer wurde auf 0 ... 50 Dezibel eingestellt und die primär dem Ausgangsübertrager zugeführte Spannung wurde praktisch konstant gehalten.
Dr. E. N e s p e r - 1949
Zum Bild 15:
15. Das Herz einer Lautsprecherfabrik ist wie bei allen anderen Fabrikationszweigen der HF-Technik das Entwicklungslabor. Unser Bild zeigt einen kleinen Ausschnitt eines elektroakustischen Untersuchungsraumes. Im Vordergrund links ein Meßmikrofon, rechts Magnetofon und Schalldruck-Meßplatz.
Alle Sonderaufnahmen für die FUNKTECHNIK von E. Sehwahn zu diesem Bericht