Die Lautsprecherentwicklung mit vielen Höhen und Tiefen
von Gert Redlich in 2014 - Bei der Entwicklung der Boxen bzw. der Lautsprecher waren den Konstrukteuren nahezu keine Grenzen gesetzt. Einige Entwickler konnten sogar die Physik überlisten. Am Ende wollten alle nur Eines, elektrische Schwingungen in Luftschwingungen (man sagt auch Schall dazu) umwandeln.
Früh kristallisierte sich in den 1930er Jahren eine Forschungs- Richtung heraus, die die wesentlichen physikalischen Grundlagen erkannte, erforschte und auch beachtete. Das bewegliche Teil muß so leicht wie möglich sein. Den Übertragungsbereich sollte man in mehrere Frequenz-Bänder aufteilen, sonst funktioniert der gemeinsame Wandler nicht (mit wenigen Ausnahmen).
Bei den hohen und mittleren Frequenzbereichen funktionierte das leidlich. Bei den tiefen Frequenzen kamen ein paar weitere physikalische Grundlagen hinzu. Dort muß wesentlich mehr Luft bewegt werden, um einen ausreichenden Schalldruck zu erzeugen, als bei den anderen Frequenzbereichen. Und dazu braucht man wesentlich mehr Energie oder ganz andere physikalische Konzepte (zum Beispiel Hörner). Auch muß das bewegliche Teil, meist die Membrane, deutlich stabiler sein als bei den Mittel- und Hochtönern.
Betrachtungen bezüglich des Tieftonchassis.
Die erste Erfahrung war, daß elektrostatische Systeme unterhalb bestimmter Grenzfequenzen mechanisch total instabil werden und nicht mehr funktionieren. Es bleiben Konus- lautsprechersysteme übrig, weil man dort die Membrane einigermaßen partialschwingungsfrei gestalten kann.
Der Antrieb setzt sich aus der Kraft des Permanent- magneten und der Kraft der Schwingspule zusammen. Die permanente Kraft des Magneten ist endlich, auch wenn sie sich in den 20 Jahren seit 1990 etwa verzehnfacht hat.
Die zugeführte Kraft des Leistungsverstärkers in die Schwingspule dagegen ist nur theoretisch unendlich. Denn die Schwingspule besteht aus vielen Windungen elektrisch leitenden Drahtes (meist Kupfer oder Alu), die sogar in mehrfachen Wicklungen übereinander geschichtet sein können. Und dieser Draht hat einen ohmschen Widerstand (bzw. eine Impedanz), über den sich die in Wärme umgewandelte Energie genauestens berechnen läßt.
Weiterhin kann man die Spannung vom Verstärker zum Lautsprecher nicht beliebig erhöhen, damit man zum Einen mit dem (von Menschen gemachten) Gesetzt nicht kollidiert. Spannungen über 50 Volt sind nämlich gefährlich.
Zum Anderen würden bei zu hohen Spannungen sogenannte Spannungsüberschläge zu nächsten Windung unausweichlich. Die damaligen Zeilentrafos der alten Röhren- fernseher hatten das Problem des Spannungsüberschlags und sind trotz hervorragender Isolation der Schichten immer wieder durchgebrannt.
Neben der Dimensionierung des Drahtes der Schwingspule ist auch der Durchmesser limitiert, da eine zu große Schwing- spule mechanisch instabil wird. Dazu muß die Schwingspule so stabil und fest wie möglich mit der zu bewegenden Membrane verklebt sein. Sie darf nicht abreißen.
Ab einer gewissen Verstärkerleistung muß man bei dem Material für den Spulenkürper der Schwingspule von getränkter Pappe auf Aluminiumfolie oder noch teueres Material übergehen, um auch auf dieser Seite der Wicklungen die Wärme abzuführen.
Die technischen Daten noch etwas genauer betrachtet
Im Laufe der Zeit haben sich bei der Gestaltung der Schwingspulen Impedanzen von 2 über 4 bis weit über 16 Ohm als sinnvoll herauskristallisiert. Bei den Röhrenverstärkern hätte es auch noch mehr sein können, denn dort wird die erzeugte Leistung im Ausgangsübertrager sehr gut an die jeweilige Lautsprecherimpedanz angepaßt.
Bei den Transistorverstärkern setzte die Spannungs- festigkeit der ersten Leistungs-Transistoren enge Grenzen. Kollector-Emitter Spannungen von maximal 40 Volt (also +-20 Volt) ließen nur einen kleinen Spielraum, um Leistung zu erzeugen, nämlich für 4 Ohm Schwingspulen. Später ab dem neuen Kraftpaket (ein Silizium Transistor vom Typ 2N3055) waren das 110 Volt (und etwas mehr) und so konnte man Verstärker mit Versorgungsspannungen von +50V bis -50Volt (also 100 Volt insgesamt) herstellen.
Das hatte natürlich wieder Vorteile. Jetzt waren bei gleicher und höherer Leistung Schwingspulen mit 8 Ohm und 16 Ohm realisierbar. Denn die ersten Verstärker hatten einen bescheidenen eigenen Innenwiderstand und so konnten die Lautsprecher gemütlich ausschwingen, wenn mal ein richtiger Wumms kam. Später hatte man im Marketing den Begriff "Dämpfungsfaktor" eingeführt, der eigentlich gar nicht aussagekräftig war.
Wichtig war das Verhältnis des Gleichspannungs- widerstandes des Verstärkers im Verhältnis zum Gleichspannungswiderstand des Lautsprecher-Chassis mit eventuellen zusätzlichen Drosselspulen. Je weiter diese Werte auseinander lagen, desto besser wurde ein mögliches Ausschwingen der Schwingspule abgebremst.
Mit dieser verständlichen (physikalisch nicht ganz korrekten) Beschreibung kann man das recht gut verstehen.
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Ein Beispiel aus der (Schul-) Physik - vom Auto
An der Fachhochschule mussten wir 1969 an einem der ganz frühen "Analogrechner" das Verhalten eines Rades mit seinem Reifen (Aufhängung, Felge und Reifen ergaben die Masse (1)), dazu (dem Luftdruck(2)) mit dem Federbein (dem Weg(3)), und der Feder (die Gegenkraft(4)) und dem Stoßdämper (das Dämpfungsglied(5)) simulieren, das gerade virtuell (dazu mit richtig Schmackes) auf einen Bürgersteig drauf donnert.
Die Frage war: Wie lange würde es dauern, bis das Federbein samt Reifen und Felge ausgeschwungen haben bzw. wie optimiere ich den kürzest möglichen "Nachschwingvorgang" ? (Es war eine sehr komplexe mathematische Gleichung mit diesen 5 Werten, die heute jeder Autokonstrukteur aus dem FF beherschen muß.)
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Also fast wie beim Lautsprecher
Ähnlich kann man sich des Ausschwingen (oder Nach- schwingen) einer Tieftonmembrane vorstellen, die ja doch selbst einiges wiegt und die Luft bewegen soll und dazu auch noch von den Sicken gebremst wird. Und wir mußten damals die mathematischen Formeln (für den Stoßdämpfer) entwerfen. Auch beim Lautsprecher geht das damals wie heute recht genau zu berechnen.
Die Schwingspule
Diese Spule setzt die elektrische Energie in mechnische Bewegung um. Je enger der (runde) Luftspalt des Magneten ist, desto höher ist die verfügbare magnetische Kraft. Also soll die Schwingspule möglichst saugend in diesen Spalt passen. Doch in der Schwingspule wird ein großer Teil der zugeführten elektrischen Leistung in Wärme umgesetzt und damit verformt sich diese Spule zunehmend.
Das ist natürlich auch abhängig von Material und Form des Drahtes sowie des Spulenkörpers. Ein Alu-Spulenkörper sogar mit Löchern drinnen ermöglicht eine bessere Wärmeabfuhr als Pappe oder Kunststoff. Ein zu enger Magnetspalt birgt die Gefahr der Berührung, des Reibens und Schepperns und läßt fast keine Kühlung zu. Ein zu weiter Magnetspalt nutzt die magnetische Energie oft unzureichend aus.
Wickelt man die Spule mit normalem runden Kupferdraht, so sind zwischen jeder Windung sowie zwischen jeder Wicklung diverse (Luft-) Lücken. Dort kann die Wärme nicht weitergeleitet werden und staut sich. Alternativ kann man die Schwingspule auch mit nahezu recheckigem Flachdraht wickeln. Der ist jedoch ganz erheblich teurer, weil es eine Sonderbauform ist.
Bei aller Theorie darf die Masse der Schwingspule auch nicht überzogen werden, sonst reißt die damit erzeugte (teilweise gewaltige) Kraft die Schwingspule von der Membrane ab. Die renommierten Hersteller wie JBL, Altec Lansing, Electrovoice und Cervin Vega als Beispiele haben riesige 48cm (15") Lautsprecher entwickelt, die sich hart an der Grenze des technologisch Machbaren bewegen.
In den modernen THX zertifizierten "Rampa-Zampa-" Kinos (nach den Vorgaben von George Lukas) wurden Schalldrücke gefordert, die mit Hifi nun gar nichts mehr zu tun hatten. Es sollte einfach nur extrem laut und tief runter gehen. Dort wurden die Schwingspulen der großen Chassis bis an die Grenze der Physik "optimiert".
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Die Frequenzweiche
Diese dort verbauten unsichtbaren Teile, die auf elektrisch passivem Wege die Frequenzbereiche für ein Chassis begrenzen, nehmen einen Teil der zugeführten Energie wieder weg und sind absolut kontraproduktiv.
Etwas überspitzt kann man es so ausdrücken: die nicht benötigten Frequenzen für das jeweilige Chassis werden einfach in Wärme umgesetzt und damit verbraten. Manche sogar sehr großen Drosselspulen im Bassbereich "stehlen" bis zu 20% der Verstärkerleistung. Und damit sinkt der Wirkungsgrad deutlich.
Der Marketing Lautsprecher mit getrennten Anschlüssen
Kluge Marketing-Fachleute haben ihren eigenen Boxenbauern auferlegt, jedes Chassis hinten im Anschlußfeld einzeln an zwei Anschlüsse herauszuführen und dann mit goldenen Brücken deutlich sichtbar zu verbinden.
Bei den meisten Lautsprechern (auch bei meinem Favoriten von JBL) ist das wirkliche Augenwischerei. Es wird so nie eine Aktivbox werden und die große Drossel mit z.B. 0,7 Ohm ist immer noch im Bassbereich eingeschleift. Durch das Auftrennen der Brücken hat man mitnichten einen gesunden Aktivlautsprecher. Die passiven Elemente der Frequenzweiche sind ja immer noch im Stromkreis. Man müsste die Box schon öffnen und neu verdrahten.
Das Klangwunder, die Bose 901 Box
Als die Bose 901 Box Serie 1 und 2 so um 1970/72 raus kam und mit 9 (also insgesamt 18) winzigen (vermeintlich mickrigen) 9cm Langhub-Lautsprechern einen solch gewaltigen Sound produzierte, da staunte die Fachwelt wirklich Bauklötze und fing an, krampfhaft nach Totschlag-Argumenten zu suchen.
Der Bass - nicht nur in normalen Wohnräumen - war atemberaubend. Diese Boxen hatten kein Kupfer in irgendwelchen Drosseln oder Frequenzweichen - außer in den 9 Schwingspulen und davon viel und im Verhältnis zu den kleinen Membranen riesige Magneten. Das war völlig anders und hatte beeindruckende Vorteile, heute noch. Klicken Sie mal weiter oben auf den Link.
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Die Leistungsverstärker
Der Lautsprecher-Entwickler muß Rücksicht auf die Technik der Leistungsverstärker nehmen. Sicherlich hatte oder hat er in seinem Labor das Feinste und Beste, das sich die Firma leisten konnte bzw. kann. Doch draußen beim Kunden sieht das ganz anders aus.
Über die Verstärker geht es weiter in der Rubrik Verstärker.