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Aus der FUNKSCHAU 1950 / Heft 15 (von24) - Seite 225

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1950 Das FÜLLSCHRIFT-Verfahren nach E. Rhein

Bild 1. Die betriebsfertige Auf- nahme einrichtung nach dem Füllschriftverfahren. Links das Magnetophon; in der Mitte das elektrische Gehirn der Anlage, das mit seinen 56 Röhren den eigentlichen Wachsschreiber (rechts) steuert

Ein neues, aussichtsreiches Aufnahmeprinzip.

In den letzten Jahren konnte die Technik der Schallaufzeichnung auf Stahldraht und Magnettonbändern erhebliche Fortschritte verzeichnen, mit denen die Technik der Schallplattenaufnahme nicht Schritt zu halten vermochte.


Pessimistische Stimmen sagten sogar den Untergang der Schallplatte voraus. Zweifellos hat die Stahl- und Magnettontechnik ihre großen Vorzüge technischer Art.

In wirtschaftlicher Hinsicht ist zu sagen, daß der niedrige Preis der Schallplatte und der zugehörigen Wiedergabeapparaturen nach wie vor dazu beitragen wird, dieses volkstümliche Verfahren am Leben zu erhalten, besonders wenn es technische Verbesserungen erfährt, wie sie jetzt in Deutschland gelungen sind.

Lautstärkeabhängige Steuerung des Rillenabstandes

Bild 2. Wie das Rheinsche Füllschrift-Verfahren arbeitet, zeigt dieses Bild. Bei der Aufnahme werden die Tonrillen in exakter Anpassung an die wechselnde Lautstärke wie von unsichtbarer Hand so nebeneinander gelegt, daß kein Raum mehr verschwendet wird. Der Raumgewinn kommt je nach Bedarf der Spieldauer, der Qualität oder dem Preis der Platte zugute

In achtjähriger Entwicklungsarbeit hat Eduard Rhein sein „Füllschrift - Verfahren" so vervollkommnen können, daß es heute fabrikationsreif geworden ist.

Bei den bisher üblichen Schallplatten liegen die Tonrillen in gleichmäßigem Abstand nebeneinander. Betrachtet man eine nach dem neuen Prinzip aufgenommene Schallplatte unter der Lupe, so sieht man deutlich, wie sich die Rillen mit dem kleinsten zulässigen Abstand stets und über die Gesamtfläche der Platte aneinander anschmiegen.

An leisen Stellen, wenn nur geringe seitliche Rillen-Auslenkungen auftreten, befindet sich Rille dicht neben Rille. Bei einem Musikstück mit ständig wechselnder Lautstärke streben diese Rillen im Rhythmus der Lautstärke immer wieder auseinander und zusammen.

Selbst ein sehr großer Lautstärkezuwachs, z. B. ein Paukenschlag, läßt sich bei diesem Verfahren zuverlässig aufnehmen. Etwa eine zwanzigstel Sekunde vorher vergrößert sich der Rillenabstand genau um das vorausberechnete Maß, um dann wieder auf den kleineren Abstand zurückzugehen.

Wesentlicher Raumgewinn

Bild 3. Prinzipschema des Rheinschen Füllschrift-Verfahrens. Die Mikrofonströme führt man dem Tonschreiber S über ein Verzögerungsglied zu. Sie gelangen aber auch zu einem Regelorgan, das den Schneidkopf S schon etwas vor dem Eintreffen der verzögerten Tonfrequenzen über die Welle A - je nach Lautstärke der aufzuzeichnenden Rille - mehr oder weniger schnell vorwärts oder zeitweilig auch rückwärts bewegt. Da jede neue Rille sich der vorher geschnittenen eng anschmiegen muß, werden z. B. von einem Tonabnehmer Lage und Lautstärke der vorhergehenden Rille bei 1 und 2 elektrisch gemessen und ebenfalls dem Regelorgan mitgeteilt. Es errechnet und bestimmt dann aus den ihm zufließenden drei Werten auf Tausendstel Millimeter genau die endgültig richtige Lage des Schneidkopfes

Durch  die  (Anmerkung : vorausschauende) laut- stärkeabhängige  elektrische Steuerung des Rillenabstandes ist es möglich, auf der Schall- platte wesentlich Raum zu gewinnen, der sich zur Vervollkommnung der Schallplatte in verschiedener Hinsicht ausnutzen läßt.

Die 25cm-Platte reicht in Zukunft in allen Fällen aus, in denen bisher eine 30cm-Platte erforderlich war. Es lassen sich so viele Musikstücke, die bisher auf zwei Plattenseiten angeordnet waren, auf einer einzigen Plattenseite unterbringen. Tanz- und Schlagerplatten normaler Spieldauer können z. B. auf  einer  21cm-Platte untergebracht werden.
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  • Anmerkung : Der Redakteur präferiert immer noch die 78er Schellackplatte mit unüblichen 21cm Durchmesser, die er aber weiter unten imText dann doch relativiert.

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Diese Platte fällt nicht nur kleiner, leichter und dünner aus, sondern läßt sich auch billiger herstellen. Selbstverständlich hat man die Möglichkeit, bei Beibehaltung bisheriger Plattengrößen die Spieldauer zu verlängern. Da die 21cm-Platte viele Verkaufsargumente für sich beanspruchen kann, wäre im Interesse der zahlreichen Plattenfreunde zu wünschen, daß die Schallplattenindustrie dieses Format zu volkstümlichem Preis herausbringt.

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  • Anmerkung : In dem Text unter dem Bild 3 lesen sie etwas vom Tonschreiber. Das waren die AEG-Magnetophon Militärgeräte, die auch nach 1945 immer noch zum Einsatz kamen.

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Steigerung der künstlerischen und technischen Qualität

Bild 4. Die nach dem bisher üblichen Aufnahmeverfahren hergestellten Schallplatten verwenden einen gleichmäßigen, mechanisch erzeugten Rillenabstand, den man nur bei den verhältnismäßig selten vorkommenden großen Lautstärken voll ausnutzt. Bei mittleren und kleinen Lautstärken wird wertvoller Plattenraum verschwendet. Links sieht man sieben Rillen ohne Musik
Bild 5. Schallplatten nach dem Rheinschen Füllschrift-Verfahren besitzen einen ungleichmäßigen, elektrisch gesteuerten Rillenabstand, den das elektrische Rechengerät der wechselnden Lautstärke feinnervig anpaßt. Es ergibt sich ein Raumgewinn bis zu 70 %. Links: Sieben Rillen ohne Musik

In allen Fällen, in denen eine Verlängerung der Spieldauer nicht ausgenutzt werden soll, ermöglicht das Füllschriftverfahren eine beachtliche Steigerung der künstlerischen und technischen Qualität der Schallplatte.

Das neue Aufnahmeverfahren eröffnet dem Tonmeister eine Reihe technischer Möglichkeiten. Je nach Erfordernissen kann man z. B. größere Lautstärken-Unterschiede zulassen und durch Dynamiksteigerung eine naturgetreuere Wiedergabe erreichen.

Die Aufnahme läßt sich ferner mit größerer Lautstärke schneiden, wenn es darauf ankommt, das lästige Nadelrauschen zu verringern. Schließlich hat man es in der Hand, eine bessere Baßübertragung zu erzielen, ein wertvolles Mittel zur Steigerung der Wiedergabequalität.

Der Tonmeister kann also in Zukunft den zur Verfügung stehenden Raum einer Platte restlos für die Aufnahme ausnutzen und bei einer festliegenden Spieldauer des Musikstückes den Raumgewinn ganz nach Belieben zur Verbesserung der Dynamik, zur Hebung des Lautstärke- Niveaus, zum Anheben leiser Musikstellen oder zum Verstärken der Bässe heranziehen.

Auf den nach dem neuen Verfahren aufgenommenen Platten findet man daher keinen leeren Rillenraum mehr. Mit Hilfe einiger Regelknöpfe ist der Tonmeister in der Lage, die angegebenen Möglichkeiten der Qualitätssteigerung anzuwenden.

Aufzeichnungsapparatur mit 56 Röhren

Die Verwirklichung des neuen Gedankens brachte erhebliche technische Schwierigkeiten mit sich. Die Aufnahmeapparatur muß nicht nur rechtzeitig und auf Tausendstel Millimeter genau den Raum für die zu erwartende Lautstärke vorbereiten, sondern auch Lage und Lautstärke der vorhergehenden Rille genau berücksichtigen.

Nur so ist es möglich, alle Rillen aneinander anschmiegen zu lassen und das Ineinanderschreiben der Rillen zuverlässig zu verhindern.
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Bild 6. Wie dieses Bild zeigt, ist es gelungen, den starren mechanischen Rillenvorschub durch ein feinnerviges elektrisches Steuergerät zu ersetzen. Der Rillenabstand ändert sich mit der Lautstärke. Die Schneidapparatur muß den Raumbedarf für die zu schneidende Pdlle vorausberechnen und jedem Punkt der vorher geschnittenen Kurve mit deren Aus-Ipnkunaen auf tausendstel Millimeter aenau anschmiegen. Wie dieser Plattenausschnitt zeigt, berücksichtigt die Apparatur auch die kleinsten Lautstärkeänderungen. Für den Paukenschlag in Rille 12 von links wurde rechtzeitig Raum geschaffen

Die Steuerungsanlage ist in einem großen, mehrteiligen Gestell untergebracht und arbeitet mit insgesamt 56 Röhren. An das elektronische Gehirn dieser umfangreichen Anlage müssen außerordentlich hohe Genauigkeitsanforderungen gestellt werden, wie sie in der Hf- und Nf-Technik nur selten vorkommen.

Dieser verhältnismäßig große Aufwand hat für die Praxis der Schallplattenfabrikation kaum wesentliche Bedeutung, da nur wenige Apparaturen benötigt werden und die Schallplattenindustrie aus einer Reihe von Gründen ihre Aufnahmen zunächst auf Magnetofonband herstellt und der Umschnitt auf Wachsplatten erst später geschieht. Aus diesem Grunde ist das Verfahren auf diese Methode abgestellt.

Für die deutsche Schallplattenindustrie genügt beispielsweise eine einzige Apparatur. Sie vermag täglich bis zu fünfzig derartiger Umschnitte auszuführen.

Keine Änderung des Herstellungs- und Wiedergabeverfahrens

Bei fast allen wichtigen Verbesserungen der Schallaufnahme- und Wiedergabetechnik war bisher eine grundsätzliche Änderung der bereits vorhandenen Einrichtungen auf der Aufnahme- und Wiedergabeseite notwendig.

Es darf daher als besonderer Vorzug des neuen Verfahrens betrachtet werden, daß auf Änderungen der Aufnahmeeinrichtungen in den einzelnen Schallplattenstudios verzichtet werden kann. Umgekehrt läßt sich jede mit dem Füllschreiber umgeschnittene Platte auf jedem handelsüblichen Plattenspieler abspielen, wobei alle beschriebenen Vorzüge erhalten bleiben.

Die Füllschriftplatte läuft mit der normalen Drehzahl von 78 Umdrehungen je Sekunde, beansprucht keine Sonderbehandlung, verzichtet auf Spezialnadeln und ist schließlich genau so haltbar wie jede andere Platte.

(Das ganz neue) Mikrorillen-Verfahren

Die neue Columbia Langspielplatte mit 33 1/3 U/min und Microgroove Rillen

In diesem Zusammenhang ist ein Vergleich mit der in USA. verbreiteten Mikrorillenplatte von Interesse. Ein neues, rauscharmes Schallplattenmaterial ermöglicht es, kleinere Lautstärken als bei der allgemein üblichen Schallplatte aufzuzeichnen und auf diese Weise den dynamischen Umfang zu vergrößern.

Dieser Fortschritt ist in USA dazu benutzt worden, die Gesamt-Lautstärke der Platte zu verringern, was ein geringerer Rillenabstand ermöglicht und die Spieldauer entsprechend verlängert.

Diese Mikrorillenplatte läßt sich nur in Verbindung mit besonderen elektrischen Geräten verwenden, da das normale Radiogerät keine ausreichende Lautstärke liefert.

In diesem Falle bedarf es auf der Wiedergabeseite besonderer technischer (Zusatz-)Einrichtungen, die das Füllschriftverfahren nicht erforderlich macht. Übrigens kann der Rheinsche Füllschreiber auch auf das Mikrorillen-Verfahren angewandt werden, denn die Mikrorillenplatten besitzen gleichbleibenden Rillenabstand. Eine Kombination des Mikrorillenprinzips und des Füllschriftverfahrens ergibt eine beträchtliche Qualitätssteigerung und eine weitere erhebliche Verlängerung der Spieldauer.

Erfindung großer wirtschaftlicher Tragweite

Die Schallplattenindustrie ist auf Erfindungen der beschriebenen Art dringend angewiesen, seit andere Schallaufzeichnungsverfahren erfolgreich weiterentwickelt werden konnten. Das Rheinsche Verfahren wird dazu beitragen, der Schallplatte neuen Auftrieb zu verleihen und sie auf Jahre hinaus wettbewerbsfähig zu machen.

Wenn man berücksichtigt, daß der Schallplattenumsatz in Deutschland in den Jahren 1927 bis 1938 ca. 16 Millionen Schallplatten pro Jahr betragen hat und 1948 wieder 6 Millionen Stück erreichen konnte, daß ferner der deutsche Schallplatten-Export auf jährlich ca. 5,7 Millionen Stück (1927 bis 1938) angestiegen ist, erhält man einen Maßstab für die volkswirtschaftliche Bedeutung der neuen Erfindung.

Die hohen Produktionsziffern des Inlandsmarktes lassen schon eine erhebliche Kostenersparnis errechnen. Für den Schallplattenexport ergeben sich noch günstigere Aussichten der Füllschrift-Schallplatten, die eine bisher noch nicht erreichte maximale Ausnutzung des Schallträgers zulassen.

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