Tonabnehmerprüfungen mit "Rechtecksignalen" (1968 !!)
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- Anmerkung : In der Funk-Technik 1968 Heft 20 hat H.-J. HAASE den damaligen Stand des Wissen bezüglich der Prüfung von Abtastern aller Art mit Hilfe von Rechecksignalen auf einer Meßschallplatte beschrieben. Das ganze Drumherum mit diesen Rechecksignalen ist dermaßen unglücklich erklärt, daß ich den 1968er Artikel nur kommentiert einbringen kann.
- Es gibt keine Recheck-"schwingungen", auch wenn es hier öfter so benannt wird. Eine Schwingung ist immer eine dem Sinus ähnliche Kurve. Eine Kurve hat keine Ecken. Also auch das "Dreiecksignal" ist keine "Dreieckkurve" oder Schwingung. Es sind alles - von der Sinuskurve abweichende - "Signale".
- Weiterhin wichtig zum Verständnis ist, daß alle Abtaster auf magnetischer Basis nur dann einen Strom bzw. eine Spannung erzeugen können, solange sich etwas bewegt. Das gilt aber nicht für Piezo-Kristalle (Kristall-Tonabnehmer), die eine Widerstandsänderung auch dann behalten, wenn die Nadel einfach nur ausgelenkt wird (und sich nicht mehr weiter oder gar nicht bewegt).
- Weiterhin ist absolut logisch, daß eine Abtastnadel - egal welcher Form und welchen Materials - eine irgendwie rechteckige oder auch nur leicht rautenförmige eckige Rille NICHT abtasten kann. Stellen Sie sich vor, Sie fahren mit dem Fahrrad auf eine plötzlich quer vor Ihnen stehende Wand zu und sollen abrupt rechtwinklig abbiegen. Und die Nadel kann diese Wand ja nicht mal vorher sehen, sie würde sie ja erst "fühlen", wenn sie bereits aufprallt. Also das geht prinzipiell nicht. Darum ist das unsinnige und verwirrende Gerede vom Abtasten von Rechteck-"schwingungen" (die Amerikaner nennen das "Square-Wave") absoluter Humbug.
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Hier geht es los :
Tonabnehmerprüfungen mit "Rechtecksignalen"
Überarbeitet von Gert Redlich im April 2017 - geschrieben von H.-J. HAASE in der FUNK-TECHNIK 1968 Nr. 20.
Frequenzgang- und Verzerrungsmessungen sowie die Ermittlung des günstigsten Belastungswiderstandes von Tonabnehmer- systemen und der optimalen Tonarm-Auflagekraft erfordern - neben den dazu benötigten Meßgeräten und einer gewissen meßtechnischen Erfahrung - einen nicht unerheblichen Zeitaufwand, so daß diese Messungen fast ausschließlich in den Entwicklungslaboratorien der Industrie durchgeführt werden.
Es war deshalb naheliegend, zu prüfen, ob für Service-Werkstätten die Möglichkeit besteht, Tonabnehmer bei einem kurzzeitigen Abtastvorgang ohne spezielle Meßapparaturen so zu testen, daß grobe Funktions- und Anschlußfehler sofort erkennbar werden und bei intakten Systemen eine vergleichende Qualitätsbewertung erfolgen kann.
Der Tonabnehmertest mit der neuen CBS-Testplatte STR 111
(Frühe) Tests mit der Sweep-Platte (1968) : Über die Möglichkeit, derartige Tests mit der Sweepplatte durchzuführen, wurde bereits berichtet *1).
*1) Haase, H. J.: Tonabnehmerprüfung mit der Sweepplatte. Funk-Technik. Bd. 21 (1966) Heft Nr. 7, S. 241-242
Ein weiterer recht interessanter Tonabnehmertest läßt sich mit der neuen CBS-Testplatte STR 111 durchführen. Diese Platte enthält unter anderem die Aufzeichnung einer symmetrischen 1kHz "Rechteckschwingung" (Wichtig: das ist Unsinn !! - es ist eine Dreiecksform !!! der Rille), und zwar unterteilt in laterale, vertikale und 45°/45°-Aufzeichnung. Damit können also Mono- und Stereo-Abtaster, letztere in allen drei möglichen Bewegungsrichtungen, getestet werden.
- Anmerkung : Daß es keine Rechteck-"schwingungen" gibt, steht weiter oben, es sind eben Rechteck-"signale" !!! Hier werden bereits die Kenntnisse der Stereotechnik von der seit etwa 1958 neuen 33er (Stereo-) Langspiel- platte vorausgesetzt.
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In die Rille ist also eine dreieckförmige Auslenkung / Modulation "geschnitten"
Die der "Rechteckkurve" zugeordneten interessierenden Größen wie Schnelle "v" Beschleunigung "b" und Amplitude "a" sind im Bild 1 dargestellt. Die Ausgangsspannung des Abtastsystems soll der Kurvenform nach Bild 1a entsprechen. Der abrupte Polaritätswechsel mit steilem Spannungsanstieg zur Bildung der Rechteckflanken (auf nur auf der Bildröhre !!! ) entsteht durch die Richtungsumkehr der Nadelbewegung bei der Abtastung einer dreieckförmigen Rillenmodulation (Bild 1c).
- Anmerkung : Mal richtig, mal falsch. Der Autor war sich nicht schlüssig. Hier spricht er aber völlig korrekt von einer dreieckförmigen Rillenmodulation. Das mit der "Rechteckkurve" ist genauso falsch wie das mit der "Rechteckschwingung". Es sind mäanderförmige "Signale" und keine "Kurven".
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Auch der Begriff der "Schnelle" wird vorausgesetzt
Die Schnelle der 1kHz-Dreiecks-((schwingung)) -Modulation auf der STR 111 ist bei Seiten- und Tiefenschrift 5cm/s, bei Flankenschrift 3,54cm/s (etwa die halbe Vollaussteuerung).
- Anmerkung : Die Abtast-Nadel kann sich prinzipell in 2 Dimensionen bewegen, rauf und runter (Tiefenschrift) oder links-rechts bzw. rechts-links (Seitenschrift).
Bei einwandfreiem Nadel-Rillen-Kontakt tritt eine auf die Nadelspitze wirkende Beschleunigung von
Wegen dieser hohen Beschleunigung von etwa 1400g (1g ist die Erdschleunigung) treten nach dem Newtonschen Gesetz "F=m•b" (Die Kraft ist die Masse x der Beschleunigung) ganz erhebliche "Beschleunigungskräfte" an der Nadelspitze auf, die nur durch eine möglichst geringe effektive dynamische Masse der bewegten Anordnung klein gehalten werden können.
Bei einer auf die Nadelspitze bezogenen effektiven Schwingmasse von 1mg (nach DIN 45.500 sind 2mg zulässig) ist die Kraft etwa 1,4p. (Diese Rechnung bzw. dieser Zusammenhang erschließt sich mir überhaupt nicht und gehörte genauer erklärt.)
Dabei müßte für Flankenschrift-Abtastung die Tonarm-Auflagekraft mindestens
sein, wenn die Abtastnadel den Kontakt mit der Rille nicht verlieren soll.
Da aus dem Beschleunigungswert durch Division mit
die Amplitude errechnet werden kann, läßt sich mit der Rechtecksignal- Prüfplatte (eigentlich der Dreiecksignal-Prüfplatte) auch eine Spurprüfung und eine besonders einfache dynamische Compliance-Bestimmung durchführen, und zwar für Seiten-, Tiefen- und Flankenschrift. Die Amplitude im Umkehrpunkt ist
Die Compliance C des Abtasters errechnen
Erhält man zum Beispiel bei 2p Tonarm-Auflagekraft eine optimales Rechtecksignal (auf dem Oszilloskop), so kann aus dem Quotienten aus Amplitude und Auflagekraft die Compliance C des Abtasters bestimmt werden
Eigenheiten des elektromechanischen Wandlers
Eine der Beschleunigung proportionale Spannung gibt keiner der üblichen elektromechanischen Wandler unmittelbar ab. Magnetische Systeme erzeugen eine Spannung, die der Schnelle proportional ist. (Anmerkung : Stromerzeugung durch Bewegung !)
Da bei der Abtastung einer symmetrischen Dreiecksmodulation eine gleichbleibende, nur an den Umkehrpunkten spontan gestoppte Änderungsgeschwindigkeit des Magnetflusses vorliegt, muß die Ausgangsspannung bei einwandfreiem magnetischen Abtaster mit dem Schnelleverlauf nach Bild 1a übereinstimmen.
Es gibt mehrere Abhängigkeiten für das Optimum
Die Abweichungen der (auf dem Bildschirm des Oszilloscops angezeigten) System-Ausgangsspannung von der idealen Rechteck-Signalform hängen weitgehend von der Tonarm-Auflagekraft, der effektiven dynamischen Schwingmasse, der Dämpfung der Schwingbewegung (das ist korrekt) in der Rille (Platten-Elastizität) und der Nadelträgereinspannung ab.
Und es ist alles noch recht ungenau (im Jahr 1968 !!)
Wie Bild 2 zeigt, liegt die Folgefrequenz des symmetrischen Rechtecksignals der STR 111 mit 1 kHz ungefähr in der Mitte des Ubertragungsbereichs jedes üblichen Abtastertyps. Ausreichende Frequenzgangbewertungen sind deshalb kaum möglich.
Abweichungen von der idealen Signalform der Ausgangsspannung lassen sich ohne Erfahrungen nur schwer in eine ausreichend differenzierte Systembewertung übertragen, es sei denn, der Abtaster würde nicht so betrieben, wie es der Hersteller vorschreibt.
Der Einfluß des Spurwinkelfehlers
Zum Beispiel läßt sich bei Vergrößerung des vertikalen Spurwinkelfehlers demonstrieren, daß dann infolge der dabei in verstärktem Maße auftretenden Phasenmodulation geradzahlige Harmonischen in die Ausgangsspannung hineinkommen, was sich im Oszillogramm durch unsymmetrische Rechtecksignale bemerkbar macht.
Zu geringe Tonarm-Auflagekraft und elektrischer Systemabschluß
Für eine vergleichende Systembewertung unter variablen Betriebsbedingungen eignet sich der Rechtecktest aber recht gut. Sofort zu erkennen sind zu geringe Tonarm-Auflagekraft und ungünstiger Systemabschluß.
Tips für den idealen Oszillografen (1968 !!)
Zur Darstellung der Ausgangsspannung eines magnetischen Abtasters auf dem Oszillografen ist ein Y-Eingang mit einem Ablenkkoeffizienten von wenigstens 2 mV/cm erforderlich, wenn man die bei der Abtastung erzeugte Ausgangsspannung ohne zusätzlichen Meßverstärker direkt auf den Oszillografen geben und ein auswertbares Oszillogramm erhalten will.
Steht ein Zweistrahl-Oszillograf oder ein elektronischer Umschalter zur Verfügung, so lassen sich bei Überprüfung eines Stereo-Abtasters die Ausgangsspannungen beider Kanäle gleichzeitig sichtbar machen. Dann ist auch eine Verpolung durch die Gegenphasigkeit der beiden Signale sofort erkennbar (Bild 3).
Oszillogramm der Seitenschriftabtastung
Bild 4 zeigt das Oszillogramm der Seitenschriftabtastung, das man erhält, wenn der zum Magnetsystem gehörende Entzerrer-Vorverstärker nicht überbrückt, also in den Test einbezogen wird.
Nach Bild 2 muß hierbei im Wiedergabeweg ein erheblicher Höhenabfall auftreten, der bei einem Entzerrer zur reziproken Schneidkennliniennachbildung ja auch tatsächlich vorhanden ist.
Zu einer Systembewertung reicht ein so zustandegekommenes verformtes Rechtecksignal verständlicherweise kaum aus; es kann höchstens bei einem direkten Systemvergleich (in derselben Meßanordnung!) zu einer Aussage führen.
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Darstellung der Flankenschriftabtastung
Bild 5 stellt die Spannung des rechten Kanals bei Flankenschriftabtastung dar. Gleichzeitig tritt im linken Kanal eine Übersprechspannung (untere Kurve) auf.
Wird das Magnetsystem direkt an einen hochohmigen Y-Eingang angeschaltet, so zeigen sich im Oszillogramm auf dem Rechteckdach erhebliche Überschwinger, die sich wegen des praktisch fehlenden Abschlußwiderstandes so stark der Leerlaufspannung überlagern (Bild 6).
Die Frequenz dieser durch die Nachgiebigkeit der Plattenmasse mechanisch und den Belastungswiderstand elektrisch gedämpften Welle entspricht der Nadel-Platten-Resonanz. Sie hängt weitgehend von der effektiven Nadelmasse und der Plattenelastizität ab. Aus Bild 6 läßt sich diese Resonanzfrequenz durch Vergleich der Wellenlängen (1 kHz: 20 Teilstriche, Resonanzfrequenz: 1 Teilstrich) zu etwa 20 kHz ermitteln.
Der Einfluß des Abschlußwiderstandes
Die Oszillogramme im Bild 7 zeigen den Einfluß des System-Abschlußwiderstandes Rb. Frei von Überschwingern ist das Rechteckdach auch bei optimaler Belastung (Rb - 39 kOhm, Bild 7b) nicht.
Die leicht konvexe Verrundung des Rechteckdaches läßt darauf schließen, daß im Frequenzgang des Abtasters der Frequenzbereich um 1 kHz gegenüber den höheren Frequenzen eine leichte Überhöhung aufweist. Wird die Auflagekraft zur Erhöhung der mechanischen Dämpfung gesteigert, so beginnt - wegen des einsetzenden Höhenverlustes - das Rechteckdach vorn abzufallen (Bild 8).
Abtastung mit 16 2/3 U/min
Im Bild 9 ist das 1-kHz-Rechtecksignal bei der Abtastung mit 16 2/3 U/min dargestellt. Auch bei einer so geringen Rillengeschwindigkeit bleibt die Steilheit der Rechteckflanken erstaunlich gut erhalten.
Um den Einfluß des Rillenradius R auf die Kurvenform der Spannung prüfen zu können, ist auf der STR 111 der Rechteck-Test für R = 14 cm (außen) und R = 7 cm (innen) aufgezeichnet. Für das 1 kHz- Rechtecksignal ist die durch den vom Rillendurchmesser abhängenden Höhenabfall bewirkte Signalformänderung jedoch unbedeutend.
Leider steht für Tests mit Rechtecksignalen - nach Wissen des Verfassers - zur Zeit nur die CBS-Platte mit 1 kHz zur Verfügung. Untersuchungen an den Grenzen des Ubertragungsbereichs eines Tonabnehmers (mit zum Beispiel 5 kHz-Rechteckschwingungen) sind daher noch nicht möglich.
Das ist ein (überarbeiteter) Artikel aus der FUNK-TECHNIK 1968 Nr. 20
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Später gab es von Shure und von CBS weitere Meßschallplatten und natürlich die berühmten DHFI Meßschallplatten von Karl Breh.
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