1964 - Tontechnik für Schallplattenhändler - Seite 1 (von 4)

1.0 Die Tontechnik (im Berufsbild des Schallplaffenverkäufers)

von Peter Burkowitz - Im alltäglichen Berufsleben begegnet der Verkäufer von Schallplatten der Tontechnik auf Schritt und Tritt. Das beginnt beim Einschalten einer Vorführeinrichtung und endet bei den unvermeidbaren Gesprächen, bei denen der Kunde vom Händler ein elektroakustisches Salomonsurteil erwartet.

Dazwischen liegen alle denkbaren Stufen von Anerkennung, Verbesserungsvorschlägen und Kritik. Dazu nun soll der Verkäufer sachlich schlagfertig und voll konzilianter Sicherheit in jedem Fall die richtige Antwort parat haben. Das kann er nur, wenn er von der Sache, also von der Technik der Schallplatte, etwas weiß. Es wird derjenige am meisten Erfolg haben, der die Kunden am sachkundigsten zu beraten versteht — auch in der Technik. Es lohnt sich daher, in diese unerläßliche Materie einzudringen. Das sind die beiden „Beine" des Schallplattenverkäufers: Repertoire und Technik.

1.1. Anteil der Tontechnik an der Schallplatte

Die Schallplatte lebt von zwei Faktoren: von der Darbietung und von der Technik. Beide sind nicht uneingeschränkt gegeneinander austauschbar. Aber es gilt doch etwa die Regel, daß das eine um so besser sein muß, je dürftiger das andere ist und umgekehrt. Das klingt zunächst etwas seltsam, aber es ist so.

Und das ist auch gleich eine der wichtigsten Erkenntnisse für den Schallplaftenhändler: Der Inhalt einer Platte, die Güte der Aufführung, die Art des Repertoires und die Güte der technischen Aufmachung sind nicht so streng voneinander zu trennen, wie sich das z. B. der Nur-Musiker oder der Nur-Techniker, d. h. allgemein gesprochen, wie sich das jemand vorstellt, der nur auf einem der Teilgebiete Spezialist ist.

Eine sehr gute Aufführung läßt sich auch auf einer Platte von mittelmäßiger klanglicher und technischer Qualität noch verkaufen, ohne daß die Technik beanstandet werden wird. Eine schlechte Aufführung hingegen kann zur Folge haben, daß die gleiche mittelmäßige Technik auf einmal kritisiert wird.

Andererseits passiert es ebenso häufig,
daß eine gute Aufführung durch eine technisch schlechte Platte in Mißkredit kommt, oder daß eine mit besonderer Sorgfalt technisch hervorragend zurechtgemachte Platte deshalb nicht als technisches Musterbeispiel anerkannt wird, weil das Stück darauf lahm gespielt ist.

Abgrenzung zwischen Technik und Kunst

Es gibt also keine strenge Abgrenzung, etwa in dem Sinne: Soweit geht die Technik, hier fängt die Kunst an. Mit philosophischem Scharfsinn kann man zwar eine ziemlich genaue Soll-Grenze konstruieren, jedoch nützt die einem gar nichts, wenn der Kunde anderer Meinung ist.

Man muß also zunächst einmal wissen, daß die Grenzen fließen, und nun durch eigenes Wissen um die Zusammenhänge herausfinden, was der Kunde eigentlich meint, wenn er sich über die Eigenschaften einer Platte äußert. Speziell der Anteil der Tontechnik offenbart sich nur dem Fachmann. Fangen wir an mit dem sehr wesentlichen Begriff „Klang".

Der Kunde, bzw. der Laie, versteht unter Klang oft alles
, das aus dem Lautsprecher kommt, einschließlich aller Arten von Störgeräuschen samt der des Laufwerkes. Klang ist jedoch streng genommen nur das, das der „Klangkörper" im Studio erzeugt. Alles andere sind bereits parasitäre Attribute.

Zuviel oder zuwenig hohe Töne, Klirren, Scheppern, Rumpeln, Jaulen und Wimmern, Kratzen, Schleifen, Knacken, Knistern oder was der Käufer sonst noch ab und zu feststellt, das alles hat mit dem eigentlichen „Klang" der Aufnahme nichts zu tun. Will man beides auseinanderhalten, muß man schon vom künstlerischen Klang und vom technischen Klang sprechen.

Der Klang

Der allgemeine Begriff Klang reicht also vom Musikinstrument bis zum Ohr des Hörers, stellt jedoch unterwegs auf jeder Station etwas anderes dar. Genau inmitten dieser Kette liegt der Anteil der Tontechnik, die bei der Schallplatte mit dem Mikrophon anfängt und am Schneidstichel aufhört.


Dieser sogenannte Aufnahmekanal vom Mikrophon bis zum Lautsprecher besteht nur aus technischen Teilen, mit denen irgendeine grundsätzliche Einflußnahme auf den künstlerischen Gehalt des Stückes nicht möglich ist, wenn auch gewisse technische Hilfsmittel für die Tonregie eingesetzt werden.

In ihm vollzieht sich lediglich die Umwandlung der Schallschwingungen,
aus denen die Musik besteht, in äquivalente elektrische Signale zwecks Fortleitung oder Speicherung und die anschließende Rückwandlung durch den Lautsprecher wieder in hörbaren Schall. In unserem Fall ist in diesem Weg als Speicher die Schallplatte eingeschaltet. Ihr kommt keine andere Bedeutung zu als die elektrischen Signale in mechanisch umgewandelter Form aufzubewahren oder mit anderen Worten, eine beliebige zeitliche Unterbrechung der Übertragung vom Musiker zum Hörer zu ermöglichen.

In diesem Sinne bezeichnet man sie im Fachsprachgebrauch als „Tonträger". Andere Tonträger sind z. B. das Tonband und der Tonfilm.

Die Zusammenhänge

Obwohl das alles nicht erwähnenswert erscheinen mag, ist es doch ganz nützlich, sich diese nüchternen Zusammenhänge einmal klar zu machen und zwar aus folgendem Grunde: Wenn die Schallplatte nämlich keine andere Aufgabe hat als das künstlerische Ereignis festzuhalten, dann gibt es auch gar keinen Grund dafür, bei der Herstellung der Platten irgendwelche Geheimrezepte für einen „besonderen Klang" anzuwenden.

Der Klang entsteht ja vom Musikinstrument oder von der Stimme bis zur Aufnahmeapparatur und nicht danach. Das aber vermuten auch heute im Zeitalter der praktisch unbegrenzten Registrierbarkeit und Reproduzierbarkeit von Tönen so manche Schallplattenliebhaber. Auf dieser Verwechslung von Ursache und Wirkung beruht auch der Erfolg, den man sich hier und da von einer Aufzählung des technischen Instrumentariums auf den Plattentaschen verspricht.

Sicher ist es durchaus legitim, den Einfluß des Instrumentariums auf den „technischen Klang" besonders hervorzuheben, wenn man das im Verhältnis zum künstlerischen Gehalt des Stückes für angebracht hält. Wichtig für den Schallplattenverkäufer ist die objektive Kenntnis dieser Zusammenhänge, damit er sie in jedem einzelnen Fall sinngemäß berücksichtigen kann.

Zusammengefaßt:

Der Anteil der Tontechnik an der Schallplatte besteht in der Umwandlung von Schall in elektrische Signale und alsdann deren Umwandlung in mechanische Bewegungen des Schneidstichels beim Schneiden der Plattenrille. Bei der Schallaufnahme obliegt der Tontechnik (Tonmeister, Toningenieur) darüber hinaus die Erfassung und Mischung des Klangbildes nach eigenen Fachgrundsätzen und nach den Vorstellungen der Produzenten und Künstler.

Die Tontechnik hat keinen Einfluß auf die Laufeigenschaften der Platten
bezüglich Oberflächengeräusch, Exzentrizität und nur ganz untergeordneten Einfluß bezüglich Rumpeln, Vor- oder Nachechos, Klirren oder Scheppern und Führung des Tonabnehmers. Hingegen ist die Tontechnik zuständig für einwandfreien Frequenzgang des Platten-sch'nittes, richtige Abmessungen der Ein- und Auslaufrillen, richtige Lautstärke, sowie sauberes Einsetzen und Ausklingen der Aufnahmen (nicht musikalisch, sondern akustisch!). Für alle anderen Erscheinungen sind die Musikproduktion, die Fabrikation und die Abspielgeräte zuständig.

Die Lautstärke

Hier muß noch etwas zur „Lautstärke" der Aufzeichnung gesagt werden.

Wie später noch näher auseinandergesetzt wird, kann der technische Pegel — aus dem der Hörer nachher jede gewünschte Lautstärke machen kann — nicht beliebig groß und auch nicht beliebig klein eingestellt werden.

Gegen zu großen Pegel würde der Tonabnehmer durch Klirren und Herausspringen protestieren, zu geringer Pegel verursacht Materialgeräusche.

Wenn für alle Hersteller nur die sachlichen Gesichtspunkte gelten würden, gäbe es keine Schwierigkeiten und Unterschiede. Leider aber wird hier und da die Lautstärke als Verkaufsargument angesehen und so kommt es, daß manche Platten viel sauberer klingen könnten, wenn sie nicht mit so hohem Pegel überspielt werden würden.

Es werden also technische Dinge in den Konkurrenzkampf gezogen
, die dort nichts zu suchen haben. Es wäre das gleiche, wenn in einem Land mit privaten Fernsehgesellschaften ein Sender kommt und sagt: „Meine Bilder sind fürs gleiche Geld aber heller!" Natürlich kann man soetwas technisch manipulieren, aber es ist eine billige Spekulation auf die Laienhaftigkeit des Kunden und immer ein Verzicht auf Qualität.

Nicht von ungefähr gibt es Fachgremien, die in mühsamer Arbeit die physikalischen Grenzen technischer Verfahren ermitteln und Normblätter als Empfehlungen herausgeben. Weil die Tontechnik in diese Dinge also nur vermittelnd oder besänftigend eingreifen kann, sind hier — Anteil der Tontechnik an der Schallplatte — das Klirren und die Führung des Tonabnehmers als Merkmale angegeben, auf die die Tontechnik nur untergeordneten Einfluß hat. Diese Verhältnisse sind bei allen Herstellern annähernd gleich.

1.2.0 Tontechnische Arbeitsverfahren, Bezeichnungen und ihre Bedeutung.

1.2.1. Aufnahme

Man unterscheidet die Direkt(Life)-Aufnahme und die Aufnahme in mehreren Abschnitten mittels Zwischenträger (backing track) und Synchronisation (superimposition). Letztere wird abweichend vom englisch-amerikanischen Sprachgebrauch im deutschen Fachjargon auch manchmal mit dem englischen Ausdruck „Playback"- Verfahren bezeichnet, obwohl man dort unter „playback" lediglich die Wiedergabe einer Aufnahme versteht.

Bei der Direktaufnahme
wirkt das gesamte Ensemble zugleich mit. Dieses Verfahren setzt handwerkliche Beherrschung der Partie sowie gleichzeitige Anwesenheit der Musiker und Sänger voraus. Es war früher sowohl in der Kunstmusik (Klassik, gehobene Unterhaltung, Jazz) als auch in der Gebrauchsmusik (quantitative Unterhaltung, Tanz, Schlager) üblich. Es wird heute noch bei der Kunstmusik grundsätzlich angewendet, und bei beiden Gattungen in den meisten Staaten außer Deutschland.

Hier wurde das Zwischenträgerverfahren, das ursprünglich aus der Filmtechnik stammt, im Gebrauchsmusiksektor etwa ab 1948 populär, in erster Linie wegen der damit erreichbaren akustischen Unabhängigkeit der Balance zwischen Solostimmen und Orchester sowie wegen der zeitlichen Unabhängigkeit zwischen Orchester- und Solistenterminen.

Das Verfahren ist hier so sehr allgemein üblich geworden, daß viele Künstler geradezu darauf bestehen, nicht zuletzt wegen der Möglichkeit, ihre Partie ohne Sorge vor einem kritisch lauschenden Orchester und ohne Zeitnot bis in die letzten Feinheiten ausfeilen zu können. Im Gegensatz zu vielen Mutmaßungen über einen Verlust an lebendiger Wechselwirkung zwischen Orchester und Solist hat sich gezeigt, daß die meisten Solisten dadurch sogar zu noch ungezwungenerer und ungehemmterer Entfaltung gelangen. Nur die vitalsten unter ihnen mit dem meisten Talent zum Artisten — und mit dem besten handwerklichen Können — sind unschlagbar in einer Life-Aufnahme.

Das Zwischenträger-Verfahren

Beim Zwischenträger-Verfahren wird in der Regel zuerst das Orchester aufgenommen, diese Aufnahme später dem Solisten über Lautsprecher oder Kopfhörer zugespielt, während der Solist danach singt und der Tonmeister die Orchesteraufnahme mit der Solostimme zusammenmischt und auf einen weiteren Tonträger aufzeichnet.

Bei modernen Mehrspurverfahren
können alle Zwischenprodukte zunächst nebeneinander auf ein und dasselbe Band aufgezeichnet und zum Abschluß in aller Ruhe und Konzentration zusammengemischt werden. Es sind hierfür heute schon Anlagen mit bis zu 8 Spuren im Einsatz.

Das Mehrspurverfahren hat auch den Vorteil, daß man von einer einmal gespielten Darbietung sowohl für mono als auch für stereo die jeweils beste Balance mischen kann. Mit der Aufzeichnung auf Tonband (im Studio allgemein mit 38,1 cm/s Bandgeschwindigkeit üblich) ist die eigentliche Aufnahme beendet. Was vor den Mikrophonen geschieht hat mit der Tontechnik nur noch mittelbar zu tun.

Der Hauptanteil der Tontechnik besteht hier, trocken gesagt, darin, das Schallfeld in eine günstige Beziehung zu den Mikrophonen und zu den akustischen Eigenschaften des Aufnahmeraumes zu bringen. Dies ist eine der wesentlichen Aufgaben des Tonmeisters.

Die dokumentarische Methode und die interpretierende Methode

Er hat hierbei die Wahl zwischen verschiedenen Möglichkeiten, von denen man nur die beiden Extreme kennzeichnen kann:

1. die „dokumentarische" Methode, bei der im wesentlichen nur ein Hauptmikrophon (oder bei Stereophonie ein Mikrophonpaar) eingesetzt wird, und

2. die „interpretierende" Methode, bei der beliebig viele Mikrophone und beliebige Gestaltungshilfsmittel für den „technischen Klang" angewendet werden.

Wie die hier gewählten Ausdrücke schon andeuten, ist die dokumentarische Methode in erster Linie geeignet und üblich bei Aufnahmen der Gattung Kunstmusik, bei der es meistens darauf ankommt, ein gegebenes Klangbild vom Original bis zur Wiedergabe möglichst unverstellt zu übertragen.

Dagegen ist die interpretierende Methode (im Fachjargon „Polymikrophonie") die meistverwendete in der Gebrauchsmusik, weil es dort überwiegend darum geht, aus isolierten Bestandteilen eines Arrangements mit technischen Mitteln das Ganze zusammenzusetzen. Die Anwendung der technischen Mittel ist nur insofern bestimmten Regeln unterworfen, als die Betriebseigenschaften der Geräte streng beachtet werden müssen.

Jedes Gerät der Tontechnik hat einen unverrückbaren „Arbeitsbereich".
Außerhalb dieses Bereiches richtet es mehr Schaden als Nutzen an. Deshalb muß eine Einrichtung oder ein Erzeugnis nicht allein schon deswegen besonders gut sein, weil der zu seiner Herstellung getriebene apparative Aufwand besonders groß war oder besonders ins Auge fiel.

Entscheidend ist nur die richtige und gekonnte Anwendung der Mittel
. Aus dem gleichen Grunde bedeutet es an sich noch gar nichts, wenn bei einer Musikaufnahme z. B. 16 Mikrophone eingesetzt und auf dem Fußboden 100 Markierungen für den Standort von Solisten waren. Diese Dinge werden jedoch ab und zu für werbliche Zwecke ausgeschlachtet (siehe auch 1.1).

Die Regeln der Tonmeister

Die vorgenannten Regeln schreiben dem Tonmeister u. a. vor, in welchen Grenzen er sich mit dem Mikrophonabstand bewegen kann und wie er Filter, Entzerrer, Begrenzer, Kompressoren und anderes einsetzen darf. Es wird oft verkannt, daß der Tonmeister mit diesen Mitteln nur retouchieren, nicht aber eigenständige Werke schaffen kann.

Einem lispelnden Sänger z. B. ist mit keinem Apparat der Welt zu einwandfreier Aussprache zu verhelfen, ebensowenig wie man durch Retouchieren aus einem Picasso keinen Rembrandt machen kann. Ein Streicherkörper, dessen Klang wegen dürftiger Instrumente und Spieltechnik kein brillantes Kolorit ausstrahlt, kann mit keinem Entzerrer oder Filter oder Hallraum in einen jubelnden Stradivari-Chor verwandelt werden.

Hingegen kann man wohl Unausgeglichenheiten der Lautstärkenbalance in einem Klangkörper durch Aufnahmemaßnahmen korrigieren, oder verschwimmende Konturen durch andere Sitzweise oder Mikrophonaufstellung prägnanter bekommen. Für diese und ähnliche Aufgaben ist das tontechnische Instrumentarium in erster Linie da.

Da die großen Gesellschaften seit Jahren nur noch Stereoaufnahmen machen,
bezieht sich alles Gesagte schon auf die Stereo-Studiotechnik. Technische Einzelheiten davon seien hier kurz gestreift, soweit sie für den Schallplattenverkäufer wichtig sind:

Stereo- Aufnahmeverfahren:

Um eine Stereoaufnahme zu erhalten, muß man einen Klangkörper aus zwei voneinander etwas abweichenden Perspektiven erfassen. Das kann mittels zweier auseinander gestellter Einzelmikrophone oder Mikrophongruppen oder mittels eines zusammengebauten Mikrophonpaares geschehen, dessen zwei Membranen in verschiedene Richtung blicken.

Das erstere Verfahren gibt immer eine mehr oder weniger starke Seitenbetonung und oftmals eine Lücke in der Mitte, die man dann durch gleichmäßiges Hinzumischen der geometrischen Mitte des Klangkörpers auf beide Tonspuren mittels eines weiteren Einzelmikrophons zu schließen trachtet.

Dieses Verfahren — technisch exakt bezeichnet als „Laufzeitstereophonie" — stellt die geringsten Anforderungen an die Apparatur, ergibt aber auch die am wenigsten ausgeprägte Richtungsdeutlichkeit innerhalb des Panoramas. Hierbei sind links-rechts und evtl. die virtuelle Mitte die am deutlichsten wahrnehmbaren Richtungen.

Streng genommen kann man solche Klangbilder nur als „teilstereophonisch" bezeichnen, weil sie das eigentliche Kennzeichen derStereophonie,nämlich die lückenlose Ausfüllung des ganzen Panoramas, nicht aufweisen. Allerdings gebühren ihnen zwei wichtige Pluspunkte: Sie erleichtern die Aufnahmearbeit und sind besonders geeignet für Gebrauchsmusik, und sie kommen der nur wenig ausgeprägten Veranlagung breiter Käuferschichten zum sensiblen Hören sowie den unzulänglichen Wiedergabegeräten mit schmaler Basis entgegen.

Aufnahmen dieses Stils sind überall in der Gebrauchsmusik üblich und überwiegend auch in der Kunstmusik in USA. Die Ansicht, daß man dem Hörer neben dem Werk auch eine simple Hör-Sensation bieten muß, ist dort weit verbreitet.

Die Intensitäts-Stereophonie

Demgegenüber wendet man in Europa, besonders aber in Deutschland mit Vorliebe das andere Verfahren an, die sogenannte „Intensitätsstereophonie", bei der die zwei Schallempfänger in einem Gehäuse zusammengebaut sind und wo folglich der Schall, gleich aus welcher Richtung, immer zur selben Zeit eintrifft und nur je nach der Einfallsrichtung die beiden Empfangssysteme verschieden stark erregt.

Daher der Name „Intensitätsstereophonie". Bereits mit einem solchen Mikrophonpaar erhält man ein lückenloses Klangpanorama von links bis rechts mit scharfer punktförmiger Abbildung des Ortes jeder Schallquelle.

Ein solches lückenloses „vollstereophonisches" Panorama hat natürlich einen ungemein größeren Reiz, kommt aber nur zur Geltung, wenn die einzelnen Wiedergabelautsprecher richtig stehen, also wenn die Basis groß genug ist und wenn der Hörer befähigt ist und besonders danach verlangt, den Klang gerade so und nicht anders zu hören.

Eben diese Voraussetzungen sind in der Praxis leider nicht häufig genug gegeben. Deshalb wendet man nur bei kulturell sehr hochwertigen Aufnahmen das anspruchsvollste Verfahren an und für den breiten Durchschnitt ein Gemisch aus beiden Verfahren, das bei genügender Homogenität des Gesamtklanges doch einzelne Schallrichtungen attraktiv hervorhebt.

Jedoch tut man mit zuviel vordergründigen Effekten der Marktentwicklung der Stereophonie - die ja irgendwann einmal die Standardplatte sein soll - keinen Gefallen. Ein Zuviel an wenigen aber aufdringlichen Effekten stempelt nicht nur diesen, sondern jeden Artikel zur banalen Mode und kürzt damit sein Leben künstlich ab. Erst einmal in die Sackgasse einer schnell vergänglichen Mode gedrängt, ist nicht leicht zu sehen, wie der Stereophonie wieder zu dem Wert einer beständigen Einrichtung verholfen werden sollte. Deshalb wird es wohl auf lange Sicht kluge Politik sein, das Maßvolle zu fördern und nicht die Extreme.

1.2.2. Mischen und Nachbearbeitung

Eine Aufnahme, die gleich im Studio fertiggestellt wird, bedarf normalerweise keiner Nachbehandlung. Hingegen ist die mehr als zweispurige Aufzeichnung zunächst ein Zwischenprodukt. Je nach Bedarf wird daraus eine mono- oder stereo- Version gemischt (englisch = reduction). Oft wird erst in diesem Arbeitsgang der endgültige akustische Raumcharakter des Titels bestimmt. Bei sehr komplizierten Stücken können Aufnahme und Synchronisation schneller erledigt sein als die Mischung.

Das Remastering

Nachbearbeitungen gibt es in erster Linie bei neu zu veröffentlichenden alten Aufnahmen. Falls sich die technischen Normen inzwischen geändert haben, werden die alten Tonträger lediglich korrigiert. Alte Platten kopiert man zunächst auf Tonband, wobei neuerdings automatische elektronische Vorrichtungen zur weitgehenden Ausmerzung von Knack- und Knisterstörungen des alten Materials entwickelt wurden. Es ist auf diese Weise möglich, viele alte Aufnahmen auf neuem Plattenmaterial so zur Geltung zu bringen, wie sie früher nie haben abgespielt werden können.

1.2.3. Überspielung zur Fertigung (Pressung)

Nach Vollendung der Bandaufnahme müssen die Preßwerkzeuge zur Herstellung der Platten erzeugt werden. Dafür bedient man sich eines mehrstufigen galvanischen Prozesses. Ausgangsmaterial hierfür ist eine Lackfolie (früher Wachs), in die das Rillenbild, wie es später auf der fertigen Platte erscheinen soll, eingeschnitten wird.

Während die Schneidmaschine den Schneidkopf mit dem dreieckig spitz-geschliffenen Saphir-Schneidstichel langsam von außen nach innen führt, bewegt das im Schneidkopf angeordnete elektromagnetische Antriebssystem den Schneidstichel im Rhythmus der Tonschwingungen. Dadurch erhält die Rillenspirale ihr charakteristisches Aussehen mit den vielen mikroskopisch feinen Auslenkungen nach beiden Seiten.

Beim Stereo-Schnitt macht der Stichel nicht nur seitliche Bewegungen, sondern auch Bewegungen in allen möglichen vertikalen Richtungen. Es kann also geschehen, daß nur eine Rillenflanke sich schräg zur Plattenoberfläche bewegt, während die andere glatt und unbewegt dahinläuft. In diesem Fall hat das Schneidsystem nur von einer Seite des aufgenommenen Klangbildes einen Antrieb erhalten und es wird später beim Abtasten der Platte auch nur aus dem einen der beiden Lautsprecher etwas zu hören sein.

Das Gleiche kann bei der anderen Rillenflanke geschehen und so in jeder beliebigen Zusammensetzung, je nachdem von welcher Richtung der Schall das Mikrophonpaar bzw. die Mikrophone ursprünglich getroffen hatte. Hierbei ist nun eine internationale Verabredung nötig, damit jede Aufnahme auf jedem Abspielgerät verwendet werden kann, und diese Norm sollte jeder, der beruflich mit Schallplatten zu tun hat, auswendig kennen.

Die Stereo-Schneid-Norm

Sie lautet in einfache Worte übersetzt so:

Wenn Sie eine Schallplatte so betrachten, als ob Sie die Beschriftung lesen wollen und nun auf die rechte Hälfte des Rillenfeldes schauen, dann steckt die Aufzeichnung für den linken Lautsprecher in der linken Flanke der Rille und die für den rechten Lautsprecher in der rechten Flanke der Rille (Einzahl, denn es gibt auf der Platte nur eine Rille!).

Ferner ist verabredet: bewegen sich beide Flanken derart, daß reine Seifenschrift entsteht, dann liefert der Tonabnehmer die Summe beider Kanäle. Dabei erscheint die Wiedergabe in der Mitte zwischen den beiden Lautsprechern.

Reine Tiefenschrift (eine Flanke bewegt sich nach links, zugleich die andere nach rechts, bzw. umgekehrt) gehört nicht zu den Rillenbewegungen, die einen realen Richtungseindruck zwischen links und rechts auslösen. Sie bewirkt vielmehr einen unangenehmen Druck auf den Ohren, da sie, wie man in der Fachsprache sagt, „gegenphasig" aus den Lautsprechern kommt. Reine Tiefenschrift soll daher nicht vorkommen.

Man kann sich also die erlaubten Bewegungen des Schneidstichels und des Abtasters vorstellen als sich bewegende Durchmesser einer Kreisfläche, die senkrecht auf der Plattenoberfläche steht und deren Ebene mit einem Plattenradius zusammenfällt. In der Ruhestellung befindet sich die Spitze des Schneidstichels im Zentrum dieser gedachten Kreisfläche. Von dort aus darf er jede beliebige Bewegung entlang der Kreisfläche machen mit Ausnahme der nach unten und oben gekehrten Sektoren von genau je einem Viertel der Fläche des ganzen Kreises.

Beim Schnitt der Rillen muß sichergestellt sein
, daß keine Auslenkung zu groß und die Rille nie zu flach (schmal) wird. Dazu dienen Kontrolleinrichtungen, mit denen der Schneidtechniker die Vorgänge während des Schnittes überwacht.

Im Laufe der Zeit waren die Normen nicht immer die gleichen
, so daß es schon mal vorkommen kann, daß eine moderne Platte für einen veralteten Tonabnehmer zu laut ist oder der Tonabnehmer zu schwer oder der Saphir zu dick und ähnliches.

In der Regel gelten solche Vorbehalte aber nur für besonders billige oder Außenseiterfabrikate, die sich schon zu ihrer Zeit nur lässig an die Industrienormen gehalten haben.

Nach abschließender sorgfältiger optischer Kontrolle werden die geschnittenen Folien der Galvanik zur Verarbeitung übergeben. Darüber unterrichten Sie die einschlägigen Kapitel.

2.0 Schallplattentechnik in der Theorie

In diesem Kapitel soll nur behandelt werden, was für den ernsthaft interessierten Schallplattenhändler an technischer Theorie nützlich sein kann. Wer darüber hinaus sein Wissen erweitern will, kann auf einige diesbezügliche Fachliteratur zurückgreifen, die im Literaturhinweis am Schluß genannt wird.

2.1. Schwingungsvorgänge als Grundlage der Schallaufzeichnung

Das Hören von Musik ist im Prinzip auch nichts Anderes als die Fortleitung und der Empfang von Signalen.

Jeder Leitungsvorgang setzt einen Träger voraus
, an dem oder in dem sich die Signale fortpflanzen. Im Falle des Schalles ist die Luft der Träger.

Ohne Luft gäbe es keinerlei Schalleitung
(mit Ausnahme der hier nicht interessierenden Körperschalleitung). Der Schall entsteht aus dem Hin- und Herschwingen eines Körpers, einer Membran, einer Fläche, einer Saite oder der Stimmbänder. Diese Bewegungen haben bei Musikinstrumenten und Stimmen eine meist sehr komplizierte Form, wodurch das gleichzeitige Vorhandensein sehr vieler verschiedener Tonhöhen (sogenannter harmonischer Schwingungen") und Lautstärken (sogenannter „Amplituden") zum Ausdruck kommt.

Fachgerecht spricht man auch von „Teiltönen" und „Teiltonamplituden".
Sobald mehrere Teiltöne zusammen auftreten, spricht man von „Klang", wenn die Teiltöne in harmonischer oder auch disharmonischer Beziehung zueinander stehen.

Kommen unendlich viele Töne zusammen, nennt man das ein „Geräusch". Wenn ein Geräusch gleichmäßig und stetig fortbesteht, nennt man das „Rauschen", wenn alle Töne gleichlaut auftreten „weißes Rauschen". Unterdrückt man vom weißen Rauschen Anteile im Tiefton- oder Hochtongebiet, spricht man von „farbigem Rauschen".

Schwingungsbewegungen

Zurück zu den Schwingungsbewegungen. Diese stoßen die angrenzende Luftschicht an, die ihrerseits den entstehenden Druck an die benachbarten Luftteilchen weitergibt und so fort. Die entstandene Druckwelle pflanzt sich nach physikalischen Gesetzmäßigkeiten fort. Ob diese Ausbreitung gradlinig oder mehr oder weniger kugelförmig geschieht, hängt von der Form des anregenden Mediums ab.

Eine „atmende Kugel" z. B. (die es streng genommen nicht gibt)
wäre die ideale Quelle für eine Kugelwelle bei allen Tonhöhen. Man hat versucht, sie anzunähern bei einer bestimmten Bauform eines Rundfunk-Regielautsprechers. Eine schwingende ebene Fläche hingegen strahlt eine nahezu lineare Wellenfront ab, die an ihren Kanten bzw. Begrenzungen wieder in Kugelwellen übergeht.

Diese Gesetzmäßigkeiten
spielen bei der Abstrahlung des Schalles vom Musikinstrument und beim Lautsprecherbau eine entscheidende Rolle. Sie lassen sich nie durch Kunstgriffe verändern.

Allgemein für das Verständnis wichtig ist: Je kleiner die Abmessungen der Schallquelle im Verhältnis zur „Wellenlänge" der Schallschwingungen sind, um so mehr nähert sich die Welle der Kugelgestalt. Daher ist zum Beispiel die menschliche Stimme für tiefe Töne nahezu eine Kugelschallquelle, für die Konsonanten und Zischlaute aber eine Quelle mit ausgeprägter Richtwirkung.

Die Fortpflanzungsgeschwindigkeit

Da die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Schallschwingungen in jedem Medium einen bestimmten festen Wert hat, kann man in Luft die „Wellenlänge" von Druckmaximum zu Druckmaximum leicht bestimmen, wenn man die zeitliche Dauer dieses Ablaufes, die sogenannte „Frequenz" oder auch „Tonhöhe" genau kennt.

In den vom Instrument oder von der Stimme ausgehenden Luftschwingungen
steckt damit also der gesamte künstlerische Inhalt einer Darbietung. Diese Luftschwingungen treffen auf ihrem Weg durch den Aufnahmeraum die Membran des Mikrophons und setzen sie in eine formgleiche Bewegung. Daraus wird nun die formgleiche elektrische Schwingung, die über das Aufnahmesystem dem Schallspeicher zugeführt wird.

Einiges ist noch erwähnenswert:
Breiten sich Schallwellen in einem geschlossenen Raum aus und treffen sie gegen die Wände, die Decke und den Fußboden, so werden sie nur in einem speziell schalltot ausgekleideten Raum vollkommen verschluckt.

In jedem normalen Raum
jedoch werden sie mit mehr oder weniger Verlust reflektiert und laufen so, ständig sich durchschneidend und immer mehr durchmischend, hin und her. Das ergibt den sogenannten „Nachhall".

In einem Raum kann man um so besser hören
und verstehen, je gleichmäßiger diese Durchmischung eintritt. Fachgerecht sagt man: Die „Hörsamkeit" ist abhängig von der „Dispersion". Aber sie hängt nicht nur allein davon ab.

Wichtig ist auch die Dauer des Nachhalls
, d. h. die Zeit, die die hin und her reflektierten Schallwellen brauchen, bis ihre Anfangslautstärke auf den tausendsten Teil abgefallen ist. Wesentlich ist auch dieses Abklingverhalten bei den verschiedenen Tonhöhen. Alle diese Eigenschaften zusammen bestimmen den akustischen Klangcharakter eines Saales in dem Musik aufgenommen wird, überhaupt jedes Raumes.

2.2.0 Die Schallaufzeichnungsverfahren

Es ist auch für den Schallplattenhändler nützlich zu wissen, welche Verfahren zur Schallaufzeichnung man bisher entwickelt und ausprobiert hat.

Das älteste, beständigste und bisher zweifellos populärste Verfahren
ist die Technik der Schallplatte, das sogenannte Nadeltonverfahren, über das im nächsten Abschnitt noch mehr zu sagen ist.

Daneben hat sich die Tonbandtechnik als prädestiniertes Aufnahmeverfahren entwickelt, das seine Vorzüge in der Herstellung und Bearbeitung von Einzelaufnahmen hat. Für die Herstellung und den Verbrauch eines Wiedergabe-Massenproduktes mit beliebigen, also auch kurzen Spielzeiten, ist das Bandprinzip ungeeignet.

Ferner gibt es das Nadeltonverfahren mit bandförmigem Träger. Es vereinigt in sich die Nachteile des Bandprinzips mit denen des Nadeltones, ohne deren Vorteile ausnutzen zu können und hat deswegen keine echte Chance.

Das früher im Tonfilm übliche Lichttonverfahren — sprossenförmige Schwärzung einer lichtempfindlichen Spur und Abtastung mittels Photozelle — wird heute mehr und mehr von der magnetischen Randspuraufzeichnung verdrängt.

Für Cinemascope, Cinerama und andere Breitwandtechniken verwendet man bis zu sechs und mehr Aufzeichnungsund Wiedergabekanäle, in manchen Schallplattenstudios sogar bis zu acht.

In den frühen Tagen der magnetischen Aufzeichnung diente ein Stahlband als Träger. Auch dünne magnetisierbare Drähte wurden dafür verwendet.

2.3.0 Das Nadeltonverfahren

Unter den Schallaufzeichnungsverfahren nimmt das Nadeltonverfahren in unserer Sicht den wichtigsten Platz ein. Es soll ihm daher hier ein eigenes Kapitel gewidmet werden, nachdem bei Punkt 1.2. schon Grundsätzliches über das Zustandekommen der Rillen gesagt wurde.

2.3.1. Die Schneidkennlinie

Eine spiralförmige Rille in eine weiche "Lack"-folie zu schneiden klingt ganz einfach. Bei oberflächlicher Betrachtung ist es das auch, solange man nicht über die Beziehungen zwischen Tonhöhe (Frequenz), Größe der Auslenkungen (Amplituden) und Umdrehungszahl des Plattentellers (U. p. M.) nachdenken muß.

Eine einfache mathematische Gesetzmäßigkeit bedingt nämlich, daß die Auslenkung umgekehrt proportional mit der Frequenz wächst, d. h. nach tiefen Tönen werden die Amplituden immer größer und nach hohen immer kleiner. Das muß so sein, solange das Produkt aus Amplitude und Frequenz konstant ist.
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Die "Schnelle"

Diese konstante Größe nennt man „Schnelle", deswegen, weil sie sinnbildlich darstellt, wie schnell die Schreiberspitze in einer gegebenen Schwingungskurve entlangläuft.

Man kann sich auch vorstellen, daß die geschriebene Kurve in Form eines Fadens von konstanter Länge gegeben ist. Dann ist leicht einzusehen, daß wenige große Kurvenbogen ebensoviel Faden verbrauchen, wie viele kleinere Bogen. Diese Gesetzmäßigkeit besagt auch theoretisch, daß die Leistung, die einem schwingenden mechanischen System zugeführt werden muß, bei allen Frequenzen konstant ist, wenn es sich gerade so wie beschrieben verhält. Genau das macht der Schallplattenschreiber.

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  • Anmerkung : Die moderne Schallplattenschneidmaschine von 1980 und später ist natürlich wesentlich komplizierter als die Technik der 50er Jahre. Alleine das Füllschriftverfahren bedingt einen hohen Aufwand.

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Über die Amplituden der Rillenauslenkungen

Wenn man sich nun ansieht, was für Amplituden dieser Schreiber in mittlerer Tonhöhe (1000 Hz) aufzeichnen muß, damit die Lautstärke der Musik (Nutzpegel) noch genügend hoch über dem Geräusch des Preßmaterials liegt, so erkennt man sehr bald, daß dann bei tiefen Tönen diese Amplituden enorm groß - viel zu groß für die Abtastung und für die Spieldauer - werden würden, während sie bei den hohen Tönen viel zu klein wären, um genügend Abstand zum Störgeräusch zu haben.

Das sind die Gründe für die Einführung einer sogenannten „Schneidkennlinie", die praktisch bewirkt, daß die Amplituden nach den tiefsten und nach den höchsten Tönen hin einer von der Frequenz unabhängigen Größe zustreben.

Diese Kennlinie wird im Schneidverstärker mittels Entzerrer hergestellt
und nach den in der Schaltung verwendeten sogenannten „Zeitkonstanten" der Bauelemente in us (Mikrosekunden) angegeben. Die seit mehreren Jahren auf der ganzen Welt einheitliche Schneidkennlinie beträgt 3180/318/75 us.

Viele Kennlinien-Variationen

Früher hatte nahezu jedes Land und jede Platten-Gesellschaft ihre speziellen „nationalen" oder „Haus-Kennlinien", die aber alle so weit entfernt von einander nicht lagen.

Es ist deshalb nicht so schlimm, eine Platte, die 1953 nach NARTB geschnitten wurde, heute mit DIN abzuspielen. Die Geschmacksentzerrung bei der Aufnahme und im häuslichen Abspielgerät umfaßt viel weitere Spielräume, überdies ist es ziemlich mühselig, die durchaus nicht sehr zuverlässigen Veröffentlichungen, die es bisher über die verschiedenen Kennlinien gegeben hat, auswendig zu kennen.

Die eben beschriebene Schneidkennlinie
wird im Wiedergabegerät zurückgebildet, so daß der Hörer eine Platte bei richtiger Einstellung der Anlage genau so hören könnte, wie der Tonmeister sie ursprünglich auf Band aufgenommen hat.

Die Schneidkennlinie hat also nichts mit irgendeiner fabrikations- geheimnisvollen Klangveredelung zu tun, sondern ist ganz nüchtern eine rein technische Maßnahme, um brauchbare Betriebsbedingungen für den Artikel Schallplatte an sich herbeizuführen.

In diesem Zusammenhang spielt der Abtastvorgang durch den Tonabnehmer eine entscheidende Rolle. Darauf wird im folgenden Abschnitt eingegangen.

2.3.2. Die Abtastung

Der wundeste Punkt des ganzen Nadeltonverfahrens ist die Übertragung der Rillenbewegung auf die Abtasterspitze. Hier entscheidet sich meist das Schicksal einer Platte und hier wird ihr auch am häufigsten Unrecht angetan.

Man stelle sich vor:
Die winzigen in der Größenordnung von Lichtwellenlängen liegenden Bewegungen der Rillenflanken sollen auch noch bei fünfzehntausend Richtungswechseln je Sekunde ein mechanisch in die Rille tauchendes Organ, die Abtastspitze, mitnehmen, ohne daß jemals der Kontakt zwischen Rille und Saphir bzw. Diamant unterbrochen werden darf.

An dem Saphir wiederum hängt ein
durchaus nicht unkompliziertes Gebilde dran, der eigentliche Wandler, entweder ein Kristall- oder ein Magnetsystem, das die von der Spitze abgenommenen Rillenbewegungen in elektrische Spannungen verwandelt.

Das Ganze ist relativ keineswegs federleicht.
Das erforderliche Gewicht des ganzen Abtasters drückt an den beiden winzigen Flächen, mit denen die Spitze die Rillenwände berührt, gegen das Material mit einer Kraft, die einer äquivalenten Flächenbelastung von vielen Tonnen pro Quadratzentimeter entspricht.

Das muß die Spitze aushalten und das Material.
Je feiner die Spitze ist, um so kritischer werden die Verhältnisse. Moderne gute Geräte haben deshalb bereits Aufsetzvorrichtungen.

Ein besonderer Zusammenhang besteht beim Nadelton
zwischen der Größe der Abtastspitze, die man als Spitzenverrundung in um mißt (1 um = millionste Teil eines Meters oder tausendste Teil eines Millimeters), der Lautstärke der Aufzeichnung (Pegel), der Tonhöhe und dem Rillendurchmesser bzw. der Spieldauer.

Die Abtastspitze kann nämlich nur dann der Rillenbewegung folgen
, wenn die Krümmung im Verlauf der sich „dahinschlängelnden" Rille nie kleiner wird als die Verrundung der Spitze!

Wenn es klirrt und zerrt

Bei großen Lautstärken (Pegeln) und hohen Tönen, also z. B. scharfen Trompeten etc. und zu dicken oder abgeschliffenen Spitzen kann dieser Fall leicht eintreten. Die Folge sind dann häßliches Klirren des Klanges (was überraschenderweise gewissen Hörern der Gebrauchsmusik irrtümlicherweise zusagt) und schnellere Abnutzung von Platte und Abtaster. Man macht die Erfahrung, daß kleinere und Außenseitermarken sich über diese Dinge oft gedankenlos hinwegsetzen. Das mindert aber das Qualitätsbewußtsein und ist dem Geschäft insgesamt abträglich.

Wenn die Abtastverhältnisse nicht stimmen,
nennt man die entstehenden Verzerrungen „geometrische Abtastverzerrungen". Es gilt daher: Je vernünftiger der Pegel der Aufzeichnung, je besser das Abtastsystem, je kleiner die Verrundung der Abtastspitze, um so besser die Wiedergabe.

2.3.3. Die Mono - Stereo Kompatibilität

Dieses Wort gibt es erst, seitdem die Stereoplatte am Markt ist. Es bedeutet „Verträglichkeit" und hat mit folgendem Problem zu tun:

Die Stereoplatte ist ein zusätzliches neues Medium. Sie kann nicht von heute auf morgen die Monoplatte ververdrängen. Es werden also lange Zeit Mono- und Stereoplatten nebeneinander existieren. Diese Koexistenz hat aber mannigfache praktische und technische Folgen.

Was macht z. B. der Besitzer eines neuen Stereogerätes mit seinen Monoplatten? Kann der Eigentümer eines Monogerätes sich schon Stereoplatten kaufen? Was schafft man sich an, wenn man sonst nichts ändern, aber nur ein neues Plattenspielchassis haben möchte?

Alle diese Fragen hat die Industrie schon lange vor Einführung der Stereoplatte sorgfältig untersucht und in internationalen Konferenzen ein System erdacht und genormt, das auf all diese Fragen die bestmögliche Antwort gibt: das 45° Stereosystem der heutigen Stereoplatte!

Da bei diesem System die „Summeninformation", also das bisherige Mono-Klangbild in der Seitenschrift liegt, kann man jede Monoplatte mit bestem Ergebnis auf jedem Stereoplattenspieler abspielen. Wegen der guten technischen Eigenschaften der Stereoabtaster klingt eine Monoplatte auf diese Weise sogar in der Regel viel besser, als auf dem bisherigen Monogerät.

Monoplatte — Stereogerät

Dies ist die wichtigste Form der Kompatibilität: Monoplatte — Stereogerät.
Ihr Gegenstück war nicht zu verwirklichen, d. h. Stereoplatten kann man nicht so herstellen, daß sie sich auf jedem alten Monogerät einwandfrei abspielen lassen.

Das hat folgende Gründe: Die Stereoplatte enthält Komponenten aus Seiten- und Tiefenschrift. Die Rille braucht daher mehr Platz. Um vergleichbare Spielzeiten aufzunehmen, hat man daher die Abmessungen des Rillenprofils grundsätzlich verkleinern müssen. Die Stereorille ist nur sicher abtastbar mit einer Spitzenverrundung von weniger als 18 um (18 Tausendstel eines Millimeters), während für die Monorille 25 um standardisiert sind.

Außerdem sind die Monotonabnehmer für senkrechte Bewegungen der Rille (Tiefenschriftanteil) nicht nachgiebig genug. Dazu sind sie auch meistens viel schwerer.

Aus diesen wichtigen Gründen wird davon abgeraten, Stereoplatten mit Mono-Abtastern zu spielen, auch wenn das hier und da bei schwacher unkritischer Aufzeichnung ohne Schaden gehen sollte. Leider ist der Austausch alter Abtaster gegen neue nur beschränkt möglich und auch nur bei solchen Modellen, wo entweder die Lagerreibung schon genügend klein oder der ganze Tornarm auswechselbar ist.

Neben der abtastmechanischen Kompatibilität ist die künstlerische, klangliche Kompatibilität ein Faktor. Nicht jede x-beliebige Stereo-Aufnahme ergibt zwangsläufig ein gutes Mono-Klangbild, wenn man ihre beiden Aufnahme-Kanäle einfach zusammenschaltet. Da gibt es technische und künstlerische Auswirkungen. Z. B. kann sich für einzelne Anteile des Stereo-Klangbildes ihre Lautstärkenbalance zum übrigen merklich ändern, sobald die Kanäle zu mono zusammengeschaltet werden.

Man kann auf diese Eigenschaften jedoch in gewissem Umfang schon bei der Aufnahme Rücksicht nehmen und die späteren Auswirkungen mildern oder gar ganz vermeiden. Gut daran sind in dieser Beziehung Firmen, die von Anfang an nur mit einer Aufnahmeanlage und nur mit einem Team bewußt kompatible Aufnahmen gemacht haben. Deren Stereoplatten sind natürlich durchweg auch klanglich und musikalisch monogeeignet.

Andere Firmen, die sich erst später zu diesem System entschließen konnten, müssen ihr Repertoire daraufhin einzeln prüfen und diejenigen Platten, die zufällig monogeeignet, d. h. kompatibel geraten sind, besonders kennzeichnen. Das gleichzeitige Vorhandensein zweier Plattenkategorien hat noch die Nebenwirkung, daß gelegentlich ein Kunde kommt und sagt, die Monoplatte sei aber viel besser als die Stereoplatte, oder umgekehrt.

Man kann ein Stereo-Klangbild nicht mit einem Mono-Klangbild vergleichen
, selbst wenn es dasselbe Stück ist. Der Vergleich hat denselben Wert, als wenn jemand sagt, Himbeerreis sei besser als Schlagsahne. Daß solche Vergleiche angestellt werden, liegt an der verschiedenen Grundeinstellung zum Hören schlechthin. Hierüber wird noch näheres im Abschnitt 4.3.1. ausgeführt.

2.3.4. Spieldauer

Billigste Qualität kam auch von Ktel und Arcade - denn 20 Volkslieder auf 2 Seiten - das war brutalst zusammen gequetscht

Die Spieldauer wurde schon im Zusammenhang mit den Abtastvorgängen erwähnt. Genaue maximale Spielzeiten konnte man nur angeben, solange beim Schneiden mit festem Rillenvorschub gearbeitet wurde. Seit vielen Jahren benutzt man jedoch von der Lautstärke abhängigen Rillenvorschub, so daß die maximal mögliche Spieldauer sehr weitgehend vom Platteninhalt abhängt.

Es sollen hier daher nur zwei wesentliche Bemerkungen zum Grundsätzlichen behandelt werden:

a) Sehr lange Spielzeiten fördern nicht den Verkaufswert der Platte, weil Verminderung der Lautstärke oder der tiefen Töne oder beides und möglicherweise auch kritisch enges Zusammenlegen der Rillen nötig gewesen sein kann, um die Platte überhaupt herstellen zu können, überlange Spielzeiten sind also für einen Markenhersteller kein Aushängeschild.

b) Schon die Ansicht an sich wäre töricht, daß die Spieldauer eines Stückes beim Verkauf von Musik eine Rolle spielt. Es ist logisch, daß niemand 10 Minuten auf einer 30 cm LP anbietet. Natürlich gibt es Grenzfälle langer und kurzer Spielzeiten, wo vom Stück her keine andere Einteilung möglich ist. Auch ist die Zeit so ziemlich vorbei, in der man einen Dirigenten noch mit reinem Gewissen aus technischer Not auffordern konnte, sich beim ersten Satz etwas zu beeilen.

2.3.5. Meßplatten

Nicht alle Eigenschaften von Plattenspielern kann man mit dem Gehör beurteilen. Es ist sicherer, sich hierzu besonderer Platten zu bedienen, der sogenannten Meßplatten. Es gibt sie für nahezu alle Zwecke. Sie enthalten Aufzeichnungen von Meßtönen mit bestimmten angegebenen festen oder gleitenden Frequenzen und definierten Pegeln.

Für folgende Zwecke benötigt man folgende Platten:

1. Messung des Frequenzganges: Meßplatten zur Frequenzgangs-Messung mit Einzelfrequenzen konstanter Schnelle oder mit gleitendem Frequenzgang zur Messung mit Pegelschreiber, sowie für den gleichen Zweck zur Messung der richtigen Entzerrung Meßplatten wie vor, jedoch mit Schneidkennlinie.

2. Messung des Rumpelns: Meßplatten mit Bezugsaufzeichnung und Leerrillen.

3. Messung des Gleichlaufes: Meßplatten mit konstanten Meßtönen.

4. Messung des Modulationsfaktors:
Meßplatten mit 2 definierten Frequenzen zur Ermittlung der Rückwirkung der einen auf die andere.

5. Messung der Wechselmechanik:
Meßplatten mit normgerechter Einlauf- und Auslaufrille und dazwischenliegendem schnellen Durchlauf mit erhöhter Rillensteigung.

6. Messung der Stereoabtaster: Meßplatten aller vorgenannten Ausführungen (mit Ausnahme von 5) in spezieller Anordnung für die Ermittlung des „Übersprechens" (Einwirkung der einen Spur auf die andere) und die richtige Stellung des „Achsenkreuzes" (geometrische Lage der beiden Aufzeichnungen in Bezug zueinander und in Bezug zur Plattenebene).

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