Einblick in Hybrid-Verstärker
Stand der Technik 1977
Mai 2012 - ein Rückblick von Gert Redlich - Ein Hybrid- verstärker ist ein integriertes (in einem geschlossenen Gehäuse fertig zusammengebautes und ausgemessenes) fertiges Schaltungskonzept. Im anderen Fall sprechen wir Techniker von einer diskret aufgebauten Schaltung mit einzelnen (sichtbaren) Transistoren (Bild rechts).
Hier wollen wir auf einen Artikel aus der Funkschau Nr 25/1977 zurückgreifen und die technischen Details weitgehend weglassen. Die Idee und die Konzeption sollen verständlich rüber kommen.
Ein einfaches Hybrid Konzept
In vielen eletronischen Orgeln und auch in wirklich guten Studio-Monitoren waren damals solche Hybridverstärker eingesetzt. In solch einem Hybrid waren alle aktiven und passiven Bauteile "drinnen" und es kamen nur 5, 7 oder 9 Beinchen raus und das wars.
Von solchen Teilen gab es eine ganze Auswahl in unteschiedlichsten Preisgruppen. Das fing an mit ein paar wenigen Dollar bis zu 40 Dollar oder mehr.
Bei den High-End Freaks waren solche Hybriden immer verpönt, man könne da ja gar nicht reinschaun und an den Transistortyypen die Qualität und den Klirrfaktor ablesen. Ja, so war das damals.
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Es gab davon mehrere Modelle
Philips hatte da gleich ein paar Hybridverstärker Modelle, die waren qualitativ hervorragend. Denn Philips entwickelte und produzierte nicht nur die Transistoren, da gab es ein in Insiderkreisen ganz berühmtes Halbleiterlabor in Breda, das den amerikanischen Spezialisten in Menlo Park oder im Silicon Vally in nichts nachstand. In Breda wurden auch die ersten Halbleiterchips für röhrenlose Fernsekameras entwickelt.
Und zu irgendwelchen neuen super guten und tollen Leistungstransistoren gab es (bei Philips/Valvo) immer sorgfältig ausgetestete Muster-Schaltungsvorschläge. Was lag also näher, solch einen selbst entwickelten und ausgefuchsten "Hifi-Verstärker" mit all seinen Komponenten an oder auf ein kleines Kühlblech "zu kleben", einen Deckel drauf zu machen und ihn OM961 und OM991 zu nennen und zu verkaufen.
Solch ein Hybridverstärker hatte natürlich auch "Nachteile"
Der Nachteil war, mehr Leistung (also Nennleistung) kam da einfach nicht raus. Oft war bei wirklich edlen 50 Watt an 4 oder 8 Ohm einfach Schluss. Somit konnten die Kaufleute keine Produktpalette planen, denn in Abhängigkeit von der jeweiligen Versorgungsspannung bis zu seiner Nennleistung funktionierte solch ein Hybrid zwar wunderbar. Doch weniger "Saft" in kleineren Modellen wurden damit zu teuer und bei den geplanten größeren Verstärkern konnte solch ein Hybrid nicht mehr eingesetzt werden.
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So ist das mit Licht und Schatten . . . .
Doch der (kaufmännische) "Nachteil" hatte wiederum technologische Vorteile. Die Schaltung war für diesen engen Leistungsbereich optimiert und die Qualität war wirklich exzellent, also jenseits von Gut und Böse.
So sind zum Beispiel die Canton Ergo Aktiv von 1984 mit jeweils 3 solcher Philips Hybriden ausgestattet. Über den Sinn von 3 absolut gleichen starken Verstärkern für Hochton, Mittelton und Bass kann man natürlich geteilter Meinung sein. An der damit möglichen Hifi-Qualität läßt sich aber nicht rütteln.
Zudem die Ankoppelung eines einzelnen Lautsprechers direkt an die Endstufe dieser Qualität (in solchen aktiven Boxen) gewaltige Vorteile mit sich brachte. Solche Qualitäten konnte man in diskreten Endstufen für passive Lautsprecherboxen aller Art nur mit erheblichem Aufwand übertreffen.
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Was machen, wenn man mehr oder sogar weniger braucht ?
Will oder muß man (vom Marketing gewünscht oder vorgegeben) eine Palette von Receivern und/oder Verstärkern von 2 x 20 bis 2 x 100 Watt entwicklen, nimmt einen (sehr ähnlichen) Vorverstärker Hybrid-Chip und ergänzt nur noch die dicken Leistungstransistoren je nach Bedarf. Solche Lösungen gab es von verschiedenen Herstellern, vor allem aus Japan. Die Japaner überschwemmten den gesamten Hifi-Markt mit einer schier unendlichen Produktpalette - und das galt für fast jeden Hersteller.
Ing. (grad.) Jürgen Zapf und Ing. (grad.) Rolf Schwenn beschrieben 1977 einen Hybrid-Chip von SGS-Ates, der solche Möglichkeiten bot. Weil damit sogar grundlegendes Verständnis für Hifi-Endverstärker geboten wurde, hier eine verkürzte Version dieses Artikels.
aus der FUNKSCHAU 1977, Heft 25
Über Hi-Fi-Endstufen als integrierte Leistungsverstärker
Hi-Fi-Endstufen können bei Leistungen bis zu 20 W durch integrierte Leistungsverstärker realisiert werden, während man darüber auf diskrete Schaltungskonzepte zurückgreift.
Berücksichtigt man die hohen Qualitätsanforderungen, die an einen Hi-Fi-Verstärker gestellt werden, ergibt sich für eine diskrete Lösung ein beträchtlicher Aufwand. Das hier vorgestellte Verstärkerkonzept, Kombination einer geeigneten integrierten Treiberstufe mit zwei Leistungstransistoren, beschreibt einen Endstufenaufbau, der in seinen elektrischen Daten und seiner Wirtschaftlichkeit vergleichbare diskrete Lösungen übertrifft.
Ein ökonomisches, vollgeschütztes Hi-Fi-Verstärkerkonzept von 20 W bis 200 W
An sich ist das hier zugrundegelegte Konzept einer integrierten Treiberstufe mit nachfolgender Gegentakt-Endstufe nichts Neues. Der entscheidende Vorteil dieser Lösung liegt darin, daß die für Hi-Fi-Verstärker zwingend notwendigen Schutzschaltungen gegen Kurzschluß am Ausgang und thermischer Überlastung nicht wie bisher üblich mit beträchtlichem externen Aufwand realisiert werden müssen, sondern bereits in der integrierten Treiberstufe enthalten sind.
Als Treiberstufe wurde der TDA 2020 D, eine modifizierte Form des vielfach bewährten integrierten Leistungsverstärkers TDA 2020 von SGS-Ates verwendet *1). Diese IS (= integrierten Schaltung) vermag die für diese Leistungsbereiche notwendige Ausgangsspannung zu liefern. Darüber hinaus sind nur bei dem TDA 2020 D die angesprochenen Schutzschaltungen extern zugänglich. Dadurch erst ist es möglich, mit einer verblüffend einfachen Schaltungsvariante diese Schutzschaltungen für das Gesamtkonzept zu verwenden.
Kommentar
Es gab damals Endverstärker mit nur 5 Transistoren, die angeblich super "geklungen" haben (sollen). Der Citation 12 von Harman Kardon ist solch ein verklärtes Beispiel. Auch die 20 Watt Endstufen ganz oben im Bild aus einem Saba Stereo Studio 9800 (hatte mit Studio nichts gemeinsam) hatte (nur) 5 Transistoren.
Schon ein kurzer irrtümlicher Kurzschluss oder die falschen Lautsprecher und diese Teile waren hinüber. Der Aufwand, das Endstufenkonzept einer 100Watt Endstufe idiotensicher zu machen, das zeigte Grundig bei dem A5000. Die Beschreibung mit allen Tricks und Finessen stehen auf 5 eng bedruckten DINA4 Seiten in den Grundig Technischen Informationen.
Hier bei diesem SGS Konzept des TDA 2020 D sind alle diese Tricks in dem Modul bereits eingebaut.
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Blockschaltbild des Leistungsverstärkers TDA 2020 D
Der TDA 2020 D ist im Prinzip wie ein Leistungsoperationsverstärker aufgebaut, der so ausgelegt wurde, daß er einerseits mit relativ hohen Versorgungsspannungen (zum Beispiel 2 x 40 Volt) betrieben werden kann und andererseits verhältnismäßig große Ströme abgibt. Bei der Verwendung als Treiber kann die max. zulässige Betriebsspannung des TDA 2020 D erhöht werden, da nur relativ geringe Ausgangsströme fließen.
Bild 1 zeigt die einzelnen Funktionsblöcke des TDA 2020 D. Die in Block IV enthaltene thermische Schutzschaltung besteht aus einer integrierten Zenerdiode, durch die ein in unmittelbarer Nähe der Endstufe befindlicher temperaturempfindlicher Transistor eine Basis-Referenzspannung von 340 mV erhält. Diese Spannung ist ausreichend, um den Transistor dann "einzuschalten", wenn durch erhöhte Verlustleistung oder Umgebungstemperatur die max. zulässige Temperatur von 150 °C erreicht ist. Dadurch werden die Ausgangstransistoren völlig gesperrt und somit geschützt.
Das Besondere an der in Block V enthaltenen Kurzschlußschutzschaltung ist, daß sowohl der Ausgangsstrom als auch die Kollektor-Emitterspannung von jedem Ausgangstransistor dauernd überprüft werden. Das Produkt aus diesen beiden Meßwerten wird laufend mit einer internen Referenzgröße verglichen. Mit dieser Referenzgröße ist die maximal zulässige Verlustleistung festgelegt.
Wird diese auch nur kurzzeitig überschritten, so wird die Schutzschaltung aktiv und entnimmt dem Treibertransistor den zu hohen Steuerstrom. Dadurch arbeiten die Endstufentransistoren immer nur in dem zulässigen Verlustleistungsbereich. Bei Dauerüberlastung greift zusätzlich noch die thermische Schutzschaltung ein.
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Ein paar Gedanken zur Schaltung
Bevor auf die endgültige Schaltung detailliert eingegangen wird (was wir hier nicht tun werden), sollen die bei der Realisierung des Gesamtkonzepts aufgetretenen Probleme anhand verschiedener Grund-Schaltungen aufgezeigt werden.
Bild 2 zeigt die bekannte Grundschaltung einer komplementären Gegentakt-Endstufe in C-Betrieb. Das ist die ganz normale bei vielen verstärkern realisierte Technik.
Diese C-Betriebsart hat folgende Vorteile:
• Die (Emitter-) Last-Widerstände können entfallen.
• Eine thermische Arbeitspunktkompensation ist nicht notwendig.
• Eine Ruhestromeinstellung ist nicht erforderlich.
Auch die Paarung der Endstufentransistoren bezügl. Stromverstärkung (also ein paarweises Ausmessen) ist unproblematisch, wenn der Generator (gemeint ist der Treiberverstärker) einen genügend hohen Steuerstrom zur Verfügung stellt.
Diesen Vorteilen steht das Problem der sogenannten Übernahmeverzerrungen gegenüber.
Hier ein paar technische Einzelheiten zu diesen Übernahmeverzerrungen:
Wenn für die Endstufe der C-Betrieb gewählt wird, muß die Spannung der Treiberstufe während des Nulldurchganges des Ausgangssignals eine sogenannte Schwellspannung überschreiten, um einen Kollektorstrom fließen zu lassen.
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Kommentar
Transistoren und Halbleiter haben einige typische Eigenschaften. Da ist zum Beispiel die sogenannte Sperrspannung, innerhalb der sich einfach nichts tut. Das bedeutet, daß sich von 0 Volt, also "keiner" Spannung bis etwa 0,7 Volt fast nichts verstärken läßt (außer mit Tricks). Um diesen (kleinen) Bereich müssen Sie bei Hifi-Verstärkern "herum" entwickeln.
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Die technische Erkärung:
Bei einer symmetrischen Aussteuerung einer komplementären Endstufe wird, gesehen von der negativen Aussteuerung kommend, zuerst die Schwellspannung des pnp-Transistors T2 unterschritten; der Transistor wird dadurch nichtleitend/hochohmig. An einem angeschlossenen Lastwiderstand (dem Lautsprecher) wird, wenn keine Gegenkopplung vorhanden ist, das Signal nicht weiter dem Steuersignal der Treiberstufe folgen. (Es kommt also kein Ton raus.)
Erst wenn die Schwellenspannung des npn-Transistors T1 wieder überschritten wird, d. h. T1 wird leitend/niederohrmg, folgt die Ausgangsspannung (zum Lautsprecher) wieder kontinuierlich der Eingangsspannung (Bild 3a).
Die entstehenden "Übernahmeverzerrungen", wie in Bild 3b dargestellt, können nicht ohne weiteres durch die Gegenkoppelschleife R2 ausgeregelt werden [Bild 4). Eine weitere Erklärung wäre hier zu technisch und trägt nicht zum Verständnis bei.
Zusammengefaßt sind folgende Eigenschaften wichtig:
In dem beschriebenen Hybrid IC sind so gut wie alle notwendigen Funktionen neben der sowieso linearen Verstärkung des Eingangssignales untergebracht und an seinen Beinchen zum Messen herausgeführt.
Durch die äußere Ergänzung lassen sich Konzepte von 20W bis 200 Watt effizient realisieren. Der Klirrfaktor ud auch die anderen Hifi-Eigenschaften bleiben dabei sehr niedrig bzw. auf sehr hohem Niveau.
Dadurch ist eine Standardisierung der Endstufen bei Gerätekonzepten mit unterschiedlichen Ausgangsleistungen, wie z. B. Aktivboxen, denkbar. Durch die geringe externe Beschaltung sowie den Fortfall jeglicher Abgleicharbeiten ist eine hohe Betriebs- und Nachbausicherheit gewährleistet.
Rolf Schwenn (34), Lehre als Elektronikmechaniker bei der Nordmende KG. Offizierslaufbahn bei der BW (Fernmeldetruppe des Heeres). Studium zum Ing. (grad.) (Elektrotechnik) an der Hochschule der BW in Neubiberg. Im September 1975 als Hauptmann der Reserve aus der BW ausgeschieden. Seit Oktober 1975 als Product-Marketing "Ing." für Unterhaltungselektronik bei der SGS-Ates GmbH in Gräfing.
Jürgen Zapf (31), mittlere Reife, Lehre als Elektronikmechaniker bei Loewe Opta. Studium zum Ing. (grad.) an der Fachhochschule Coburg (Elektrotechnik). Zwei Jahre Tätigkeit in der Farbfernsehentwicklung von Loewe Opta als Gruppenleiter. Anschließend ca. 1 Jahr bei Sescosem in St. Egreve/Grenoble (Applikation), seit 1975 Leiter des Applikationslabors für Unterhaltungselektronik der SGS-Ates GmbH in Gräfing.